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River Phoenix in seiner letzten Rolle
"Dark Blood" – der Unvollendete

Es war der letzte Film mit River Phoenix. Während der Dreharbeiten zu "Dark Blood" starb der Jungstar. 20 Jahre später hat Regisseur George Sluizer die fehlenden Szenen ergänzt. Diese Filmarbeit sollte auch seine letzte sein, Sluizer starb 2014. Somit kommt "Dark Blood" als doppeltes Vermächtnis ins Kino.

Von Sigrid Fischer | 11.07.2017
    Die drei Protagonisten des Films stehen in einem Szenenbild an einem Canyon (Bild: Sluizer Films / Dark Blood)
    Fast 25 Jahre nach seinem Tod sehen wir River Phoenix wieder im Kino (Sluizer Films / Dark Blood)
    Als River Phoenix, der "James Dean der 90er", in der Halloweennacht 1993 an einem Drogenmix stirbt, war die Filmcrew von "Dark Blood" gerade erst, nach sieben Wochen Außendreh in Arizona, für die Studioaufnahmen nach L.A. umgezogen. Zentrale Szenen des Films fehlten noch.
    "Wir hatten einen Stuhl mit zwei Beinen, ich wollte das Dritte hinzufügen, das Erreichte montieren und erhalten. Das vierte Bein würde zwar immer fehlen, aber der Stuhl würde wenigstens stehen können."
    Boy wartet auf das Ende der Welt
    Nach diesen einleitenden Worten von Regisseur George Sluizer beginnt der Film, der jetzt als Unvollendeter ins Kino kommt. Buffy und Harry, ein Ehepaar aus Hollywood, bleiben mit Motorschaden am Bentley in der Wüste stecken. Sie treffen auf den Einsiedler Boy - River Phoenix - der in einer Bretterbude mit unterirdischem Schutzbunker auf das Ende der Welt wartet. Seine Frau vom Stamm der Navajo ist an den Folgen der Nukleartests, die in der Nähe durchgeführt wurden, gestorben. Wir sehen nun wie Buffy nach langem Fußmarsch durch die Nacht an seine Tür klopft - und dann erschöpft und verletzt in seine Arme sinkt. Hier friert George Sluizer das Bild ein und wir hören seine Stimme aus dem Off:
    "Boy mustert Buffy, sie verzieht ihr Gesicht vor Schmerz, schaut auf ihren Fuß. 'Das muss ich mir ansehen', sagt Boy. Er streicht zart über ihren Fuß, sie fühlt Begehren in seinen Händen."
    "She is one brave lady"
    Es sind immer Innenaufnahmen wie diese, die fehlen. Sobald wir wissen, was sich drinnen abspielt, geht Sluizer über in die Anschlussszene: Boy fährt mit Buffy zum Bentley, wo ihr Mann Harry wartet.
    Boy: "Nice Car" - Buffy: "Wake up Harry" - Boy: "She is one brave lady here, Sir"
    Ein Film ohne Publikum existiert nicht
    25 Prozent der Story fehlten - und auch Teile des bereits gedrehten Materials. Der Filmtorso gehört nämlich der Versicherungsfirma, die für Unwägbarkeiten, wie den Tod des Hauptdarstellers, haftet. Als die Firma die Filmrollen vernichten wollte, wurde Sluizer aktiv.
    "Sagen wir, ich habe sie gestohlen und an einen sicheren Ort gebracht. Die Entscheidung, sie zu bearbeiten, traf ich erst, als ich sehr krank wurde. Bevor ich sterbe, wollte ich 'Dark Blood' so gut wie möglich zusammen montieren."
    Ein Film ohne Publikum existiert nicht, fand Sluizer, deshalb wollte er neben Festivalvorführungen unbedingt auch einen Kinostart. Die Versicherungsfirma aber gab jahrelang kein grünes Licht dafür.
    "Die sind knallhart, sie sind Milliardäre, Finanzmarktakteure, die in ihrem Immobilienbestand zufällig einen Film hatten. Aber für Filme, für Kultur überhaupt, interessieren sie sich nicht. Sie interessieren sich nur für Geld, aber nur ab einer Summe von 500 Millionen."
    "It's coming real soon"
    Zum Glück ist George Sluizer hartnäckig geblieben. Denn seine Fassung von "Dark Blood" hat nicht nur filmhistorischen Wert. Wenn man auch weiß, dass nicht chronologisch gedreht wird - der Effekt auf den Zuschauer ist doch außergewöhnlich. Der Illusionsraum Kino öffnet sich hier immer wieder für ein Stück Realität. Denn man sieht gleichzeitig dabei zu, wie ein Film entsteht. Wie bei jedem Umschnitt von draußen nach drinnen eine Stimmung, ein Moment sich anbahnender Spannung abbricht und man herausgerissen wird - genau wie die Schauspieler.
    "Come with me. Hopi Indians say, the world is gonna end. I believe it's coming real soon."
    Als Thriller mit politischen Zwischentönen - über die Zerstörung von indigenen Lebensräumen, die Angst vor der nuklearen Katastrophe - ist "Dark Blood" außerdem 24 Jahre nach seiner Entstehung immer noch aktuell. Der Film ist sicher kein cineastisches Meisterwerk, ihn anzuschauen aber ein sehr spannendes Kinoerlebnis.
    "Please take pleasure in the unfinished film 'Dark Blood'"
    "Dark Blood", der unvollendete letzte Film von George Sluizer und der letzte Film mit River Phoenix, 1993 gedreht, 2012 vervollständigt, kommt Donnerstag den 13.07. Als OmU und auch nur in ausgewählten Kinos.