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RNA-Schnipsel gegen Viren

Genetik. - Pflanzenviren können zu enormen wirtschaftlichen Schäden führen: So schätzen Experten, dass Viren allein beim Reis zu Ernteeinbußen von zwölf Milliarden US-Dollar führen. Weltweit versuchen Forscher daher, Sorten zu entwickeln, die Virusinfektionen widerstehen - und in Brasilien und Deutschland gibt es erste Erfolge.

Von Hellmuth Nordwig | 07.03.2013
    Die Bilder könnten kaum verschiedener sein: Auf der einen Seite fast perfekte 20-flächige kristallförmige Gebilde, sogenannte Ikosaeder. Und auf der anderen verfaulte Maisstängel und verdorrte Blätter von Bohnenpflanzen. Doch die Bilder gehören zusammen: Die Pflanzen sind von sogenannten Geminiviren befallen, die unter dem Elektronenmikroskop so ästhetisch aussehen. Holger Jeske ist Botaniker an der Uni Stuttgart und forscht über diese Pflanzenschädlinge.

    "Die Geminiviren sind Pflanzenviren, die erst in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts entdeckt worden sind und mittlerweile in den Tropen und Subtropen zu den wichtigsten Pflanzenschädlingen gehören. Insbesondere befallen sie Mais, Maniok, Bohnen, Tomaten und andere. Was wir in Afrika gesehen haben: Da hat zu Hochzeiten der Epidemie der Maniok Verluste bis zu zwei Milliarden Dollar pro Jahr gezeigt."

    Damals, in den späten 1990er-Jahren, war in Uganda aus zwei Virusstämmen ein neues, aggressives Virus entstanden. Die meisten dieser Geminiviren bestehen im Prinzip nur aus einem ringförmigen DNA-Molekül, das in einer Eiweißhülle verpackt ist. Pflanzen sind aber nicht völlig wehrlos gegen solche Schädlinge. Sie bilden kleine Abwehrmoleküle aus einer anderen Nukleinsäure, der RNA, die Viren aus dem Verkehr zieht. Jeske:

    "Durch einen sehr spezifischen Mechanismus, den wir heute als 'gene silencing' bezeichnen oder auch als RNA-Interferenz. Man beobachtet also regelhaft, wenn man Virusinfektionen verfolgt, dass da gleichzeitig in der Pflanze solche Abwehr-RNAs gebildet werden. Aber offensichtlich haben die Viren eine spezielle Art gefunden, diesen Mechanismus zu unterdrücken."

    Mit Hilfe der Gentechnik versuchen Forscher seit einigen Jahren, den Pflanzen einen Vorsprung zu verschaffen. In einem dieser Projekte haben sie Bohnenembryonen genetisch verändert. Das Ergebnis: Die Zellen der Pflanze bilden schon vor einer Virusinfektion die Abwehrmoleküle aus RNA - so widerstehen sie den Schädlingen von vornherein deutlich besser. Es war allerdings nicht einfach, diese transgenen Pflanzen zu erhalten. Denn anders als bei tierischen Zellen ist es bisher nicht möglich, Gene an ganz bestimmten Stellen im Genom einer Pflanze einzuführen, sagt Holger Jeske.

    "Es muss dabei gesagt werden, dass diese Schutzmechanismen in wenigen Individuen nur funktioniert haben am Anfang. Es ist in all diesen Versuchen so: Dadurch, dass wir eine transgene Pflanze nur erzeugen können durch ein zielloses Einbringen der Gene, müssen wir damit rechnen, um es salopp zu sagen, dass 1000 Frösche geküsst werden müssen, um einen Prinzen zu finden."

    Die Mühe hat sich gelohnt: Die Zellen der neuen transgenen Sorte sind gespickt mit RNA-Abwehrmolekülen gegen das Goldene Bohnenmosaikvirus, das in Brasilien große Schäden anrichtet.

    "Diese Linien aber, die in hoher Menge diese RNA produzieren, die sind dauerhaft im Feldversuch resistent gewesen. Und zwar so, dass nicht nur die Symptome reduziert waren, sondern auch die Virusvermehrung unterbunden wurde. Und das ist ein ganz entscheidender Fortschritt gegenüber dem, was wir bisher kennen gelernt hatten."

    Inzwischen hat die brasilianische Aufsichtsbehörde die virusresistente Bohnensorte zugelassen. Ab 2014 sollen Bauern sie kaufen können. Mit einer ähnlichen Strategie hat Holger Jeske auch versucht, Tabak und Zuckerrüben gegen die Geminiviren resistent zu machen. Einzelne Versuchspflanzen widerstehen Infektionen mit den Schädlingen schon seit Jahren - jedenfalls im Gewächshaus des Stuttgarter Instituts. Auch die wollen die Forscher zu neuen virusresistenten Sorten heranzüchten.