Donnerstag, 25. April 2024

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Robert Forsters "Inferno"
Die Kraft der Berliner U-Bahn

Eigentlich wollte Robert Forster der Hitze seiner Heimatstadt Brisbane entfliehen, wie er in einem Song seiner neuen Platte singt. Doch für die Aufnahmen landete er mitten im Berliner Rekordsommer von 2018. "Ich bin von einem Inferno ins nächste geraten", sagte Forster im Dlf und schwärmte von der Hauptstadt.

Robert Forster im Gespräch mit Christoph Reimann | 02.03.2019
Robert Forster posiert im Anzug
Robert Forster: "Egal welche nordeuropäische Stadt ich besuche, es wird Sommer" (Bleddyn Butcher)
Christoph Reimann: Robert Forster, jahrzehntelang haben Sie Lieder über den Regen gesungen, mit den Go-Betweens aber auch als Solokünstler. Auf dem neuen Album singen Sie im Song "Inferno (Brisbane in Summer)" von der Hitze in Ihrer Heimatstadt. Was ist da los?
Robert Forster: Ich würde sagen: der Klimawandel. Ich habe das Gefühl, dass die Sommer immer heißer werden und immer schwerer zu ertragen sind. Ich bin in Brisbane aufgewachsen und kann mich noch an die Sommermonate meiner Jugend erinnern, in den 60ern und 70ern. Rückblickend erscheinen sie mir milder. Und das geht vielen Leute so. Und dieses Gefühl hat dann zu einem Song geführt.
Song über Klimawandel
Reimann: Für die Aufnahmen sind Sie 2018 nach Berlin gegangen, mitten rein in den heißesten Sommer der Geschichte. Sie singen ja im Song davon, der Hitze zu entfliehen, und dann landen Sie ironischerweise im überhitzten Berlin.
Forster: Ich weiß, ich bin von einem Inferno ins nächste geraten. Sehr merkwürdig. Und dann das hier: Am Samstag bin ich in London angekommen, wo ich insgesamt vier Tage verbracht habe. Und zwei dieser Tage waren die wärmsten Februartage seit Beginn der Temperaturaufzeichnung: keine Wolken am Himmel, 22 Grad. Wo auch immer ich hingehe, folgt mir das Inferno. Egal welche nordeuropäische Stadt ich besuche, es wird Sommer.
Reimann: In anderen Worten: Sie sorgen für Sonnenschein.
Forster: Ja, ich sorge für Sonnenschein. Da mögen Sie recht haben.
Hartnäckige Gefühle
Reimann: Aber es ist ja kein Album über den Klimawandel. Im Song "No Fame" zum Beispiel geht es um einen Jugendlichen, der sich in seinem Elternhaus kontrolliert fühlt, der auf der Autobahn die Freiheit sucht und davon träumt, einen Roman zu schreiben. Ist das eine junge Version von Ihnen, eine Geschichte, inspiriert vielleicht von Ihrer Autobiografie "Grant und ich"?
Forster: Nicht ganz. Aber ich kann mit dem im Song beschriebenen Gefühl etwas anfangen. Es gibt da diesen alten Song von mir, "Spring Rain", der dasselbe Gefühl beschreibt. Geschrieben habe ich den Mitte der 80er in London.
Ich glaube, jeder von uns hat da eine Phase in seinem Leben, an die er sich besonders gut erinnern kann. Die Gefühle dieser Phase begleiten uns ein Leben lang. Bei mir ist es das Alter von 18 bis 20. Damals war ich gerade mit der Schule fertig, die Go-Betweens gab es noch nicht. Ich habe zu Hause bei meinen Eltern gelebt und wusste nichts mit mir anzufangen. Der Song beschreibt meine Gefühle von damals: Werde ich einen Roman schreiben, werde ich die Auffahrt zur Autobahn nehmen? Was nur soll ich machen?
Knapp vorbei am großen Erfolg
Reimann: Ich habe es ja schon gesagt, der Song heißt "No Fame". Was bedeutet denn Ruhm für Sie heute? In Brisbane, da gibt es eine Brücke, die nach den Go-Betweens benannt ist. Sie sind so etwas wie eine Kultfigur. Aber es gab eine Zeit, da hätten Sie ein großer Popstar werden können. Den Durchbruch aber erlebten dann andere Bands in Ihrem Umfeld, die Smiths zum Beispiel. Sind Sie heute zufrieden damit, wie die Dinge gelaufen sind? Was genau beutetet Ihnen Ruhm?
Forster: Ich habe schon lange meinen Frieden damit gemacht, wie es mit den Go-Betweens gelaufen ist. Ich bin keineswegs verbittert. Was mir Ruhm jetzt bedeutet ... Ich denke nicht darüber nach. Mir geht es darum, meine Arbeit gut zu machen, die bestmöglichen Songs zu schreiben, die bestmöglichen Bücher. Alles andere entzieht sich meiner Kontrolle. Aber was ich immer noch habe, sind Träume. Ich würde zum Beispiel gerne mal in einem Film mitspielen.
Traum von der Schauspielerei
Reimann: Auf dem Album gibt es ja einen Song über einen Filmemacher, der Song "Remain". Es ist ja bekannt, dass Sie sich gerne Filme angucken und eben haben Sie gesagt, Sie würden gerne mal in einem mitspielen. Was also ist die Geschichte hinter dem Song?
Der Sänger und Songwriter Robert Forster
Forster: "Ich habe schon lange meinen Frieden damit gemacht, wie es mit den Go-Betweens gelaufen ist." (Bleddy Butcher)
Forster: Das ist ein weiterer autobiografischer Song. In den 90ern gab es eine Zeit, in der ich nicht mehr im Rampenlicht stand, kein Label mehr hatte und die Leute mich vergessen hatten. Damals habe ich in Bayern, in Regensburg, gelebt. Meine deutsche Frau und ich waren dabei, unser Familienleben aufzubauen. Es gab kein Internet, mit dem man sich hätte ablenken können. Alles, was ich machen konnte, war Songs zu schreiben und zu gucken, was passiert. Und wenn ich jetzt zurückblicke auf die Zeiten, in denen die Dinge nicht so richtig liefen, wie etwa in den 90ern, dann kann ich sagen, dass ich meine Arbeit immer gut gemacht habe. Mit meiner Arbeit war ich immer zufrieden. Es wollte nur niemand einen Auftritt von mir sehen.
Aber zurück zum Song: Ich hatte überlegt, diese Zeit in einem Lied festzuhalten. Aber ich wollte nicht mich in den Mittelpunkt stellen. Das hätte sich prätentiös angefühlt. Also habe ich aus dem Songwriter einen Filmemacher gemacht, dessen Filme keiner sehen will. Dieser Kunstgriff hat mir letztlich erlaubt, autobiografischer zu schreiben, als ich es in der Rolle des Songwriters hätte machen können.
"Die Leute hatten mich vergessen"
Reimann: In den 90ern haben Sie Ihre ersten Soloalben rausgebracht. Die erste Platte, "Danger In The Past", ist 1990 erschienen, und sie wurde in Berlin aufgenommen. Heute ist Berlin eine ganz andere Stadt als damals, gentrifiziert und relativ zahm. Wie hat es sich für Sie angefühlt, wieder in Berlin zu sein, wieder ein Album dort aufzunehmen?
Forster: Ich verstehe Berlin heute viel besser als früher. Weil die Stadt so flach ist, fiel es mir immer schwer, mich zu orientieren, obwohl ich oft da war. Aber es gibt keinen Hügel oder so, von dem aus man sich einen Überblick verschaffen könnte. Mittlerweile weiß ich, wo Norden und wo Süden ist, wo die Vorstadt beginnt.
Als ich 1990 "Danger In The Past" aufgenommen habe, war gerade erst die Mauer gefallen. Aber schon in den 80ern hatte ich Berlin rund vier Mal auf Tour bereist. Es war damals eine absolut andere Stadt. Heute gefällt mir die Energie, die in Berlin herrscht. Die konnte ich mit ins Studio nehmen.
Neue Gelassenheit
Reimann: Kreative Energie?
Forster: Ja, nicht direkt. Ich bin viel U-Bahn gefahren. Ich war in der U2 unterwegs, Kottbusser Tor, Görlitzer Straße. Ich war in der U1 unterwegs. Und wenn du mit der U1 fährst, dann spürst du diese Energie. Es gibt einfach so viele Verrückte in der Bahn mit zu viel Energie. Und wenn ich dann ausgestiegen bin, vor dem Studio stand, nach der U2, nach der U1 – ich glaube, die U8 war auch noch dabei –, dann war ich zu allem bereit.
Reimann: Der Sound des neuen Albums ist sehr dicht, trotzdem die meiste Zeit über akustisch leicht. Nach 40 Jahren als Songwriter wissen Sie natürlich, wie man einen Song schreibt. Und die Erfahrung, die Sie haben, ist spürbar. Würden Sie übereinstimmen, dass jetzt noch etwas Neues dazu gekommen ist, eine neue Gelassenheit?
Forster: Ja, ich glaube, das stimmt. Woher das kommt, weiß ich nicht genau. Aber ich habe eine Theorie: 2005 habe ich angefangen, als Musikjournalist zu arbeiten, dann habe ich die Biografie "Grant und ich" geschrieben, und auch jetzt sitze ich an einem Buch. Von 1977 bis 2005 habe ich dagegen jeden Tag nur Songs geschrieben. Das hat mich unter Druck gesetzt, fast 30 Jahre lang. Wenn ich jetzt morgens aufstehe, schreibe ich Prosa. Die Songs schreibe ich in den Pausen, wenn ich nicht am Buch arbeite. Das lässt das Songwriting zu einem viel selbstverständlicheren Teil meines Lebens werden, das nimmt den Druck. Vielleicht klingen sie deshalb etwas entspannter.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.