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"Robert Schumann - Albumblätter"

Herzlich willkommen zu 20 Minuten, die ausschließlich dem Klavier gewidmet sein sollen. Nun könnte man meinen, dass auf dem seit 200 Jahren populären Drahtverhau schon alles gesagt sei. Aber es gibt doch immer wieder Überraschungen. So legt der junge österreichische Pianist Franz Vorraber bei Thorofon den gesamten Schumann und damit etliche CDs vor, ein Unternehmen, das allein schon des Umfangs wegen Respekt abnötigt. Für Vorraber scheint Schumann ein Leitstern besonderer Art, und er ist zugleich bemüht, über diese Gesamteinspielung ein anderes Bild dieses Komponisten zu vermitteln. Und da dürften sich die Geister scheiden. Vorraber verfügt über bemerkenswerte pianistische Mittel - allemal eine wichtige Voraussetzung, wenn man sich den Klavierkompositionen Schumanns nähern will. Zugleich vertritt er eine, wenn man so will, wilde Romantik. Das hat seine zwei Seiten. Zum einen bringt er eine Fülle von Farben und Anschlagsnuancen ins Spiel, die durchaus nicht geläufig sind, riskante Tupfer, exzessive Explosionen auf kleinstem Raum, elegische Gesänge. Es ist Schumann extrem, der einem von diesen CDs entgegenklingt. Das schlägt sich vor allem in den kleinen Formen nieder. Und da kann man sich des Eindrucks nicht entschlagen, dass hier so manches schon sehr willkürlich ist und Details über Gebühr hervorgehoben wird. Die Temporückungen, das gute alte Rubato werden schon sehr weit getrieben, und so gehen gerade die kleinen Formen ziemlich häufig zu Bruch. Man macht dabei eine erstaunliche Erfahrung: die Überraschungen, mit denen Vorraber aufwartet, werden ausrechenbar. Schon nach einigen wenige Stücken weiß man ziemlich genau, an welcher Stelle dieser Pianist die Musik nun gleich wieder aus dem Gleichgewicht bringen wird. Das ist zwar dann immer noch effektvoll, aber nicht unbedingt effektiv. Zwei Beispiele aus den Albumblättern op. 124: Nr. 14, Vision, und Nr. 15, Walzer. * Musikbeispiel: Robert Schumann - aus: Albumblätter op. 124 Franz Vorraber mit zwei Stücken aus den Albumblättern von Robert Schumann. Auch bei den großen Formen zeigt sich die Tendenz, über der Verliebtheit ins Detail die Zusammenhänge zu gefährden. Doch scheinen hier die, man möchte sagen, Sachzwänge größer, und man erlebt einen Pianisten, der zumindest ganz offenbar weiß, warum er am Flügel sitzt, also nicht nur deshalb, weil ihn irgendwann im zarten Alter von 6 oder 7 Jahren zum nächsten Klavierlehrer geschleppt hat. Vorraber hat zweifellos Visionen von Klavierklang. Was ihm fehlt, ist eine gewisse Strenge des Spiels. Die muss er aus sich heraus entwickeln, als so genannte Selbstdisziplin. Er ist ja wohl gottlob frei von allen überlieferten guten Sitten des Klavierspiels, die weltweit von den gestrengen Pädagogen weitergegeben werden. Das gibt Hoffnung. * Musikbeispiel: Robert Schumann - 1. Satz aus: Sonate g-moll op. 22 Das war der erste Satz aus der Sonate g-moll op. 22 von Robert Schumann, ein Ausschnitt aus der Gesamteinspielung, die der österreichische Pianist Franz Vorraber bei Thorofon vorlegt.

Norbert Ely |