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Robert Zollitsch
Abtritt eines Krisenmanagers

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, tritt ab. Heute wird sein Nachfolger gewählt. In Zollitschs Amtszeit fiel der Missbrauchsskandal innerhalb der katholischen Kirche in Deutschland. Zollitschs Bilanz fällt je nach Sichtweise unterschiedlich aus.

Von Monika Konigorski | 11.03.2014
    Erzbischof Robert Zollitsch mit nachdenklich geschlossenen Augen
    Die Deutsche Bischofskonferenz sucht einen Nachfolger für Robert Zollitsch - dialogbereit muss er sein, meint die Initiative "Wir sind Kirche". (dpa picture alliance / Boris Roessler)
    "Dialoginteressiert, geduldig und gegenüber den Mitbrüdern wertschätzend" - so beschreibt der stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Norbert Trelle den scheidenden Vorsitzenden. Eine Charakterisierung, der auch der Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Stefan Vesper, zustimmen dürfte. Er hebt vor allem die positive Zusammenarbeit mit Zollitsch hervor, auch bei der Vorbereitung des letzten Katholikentags vor zwei Jahren in Mannheim.
    "Erzbischof Zollitsch hat dazu eingeladen, noch bevor er Vorsitzender der Bischofskonferenz wurde, und er hat in einem sehr bewegenden Moment in der Vollversammlung des Diözesanrats Freiburg - und das prägt so ganz seinen Stil - gesagt: Ich würde gerne einladen zum Katholikentag nach Mannheim, für das Jahr 2012, sind Sie damit einverstanden? Ich lade nur ein, wenn die Laien das mitwollen, und wenn Sie das voll und ganz unterstützen. Der Diözesanrat hat einstimmig dafür votiert, und im gleichen Moment übergab mir Erzbischof Zollitsch einen Brief mit der Einladung und er sagte: So sparen wir auch noch das Porto."
    Der Brückenbauer
    Robert Zollitschs kirchliche Karriere startet spät. Zwei Monate vor seinem 65. Geburtstag wird der Priester und Personalreferent des Freiburger Erzbistums zum Oberhirten des zweitgrößten deutschen Bistums ernannt. Drei Jahre später wählen die deutschen Bischöfe den mittlerweile 69-jährigen Zollitsch völlig überraschend zum Vorsitzenden der Konferenz.
    "Ich habe immer meine Aufgabe als Erzbischof und Vorsitzender der Bischofskonferenz darin gesehen, zu moderieren, Brücken zu bauen, zusammenzuführen. Ich habe es nicht als meine Aufgabe angesehen, im Sinne etwa gewisse Positionen und so voranzugehen, dass ich damit eventuell auch die Bischofskonferenz spalte, sodass die anderen nicht mitkommen können."
    Blass und wirkungslos?
    So sehr Zollitschs Unterstützer dessen liberalen Leitungsstil loben, der stets auch die Laien in Veränderungsprozesse einbezog: Kritiker wie der FAZ-Journalist Daniel Deckers urteilen, dass Zollitsch in den sechs Jahren als Vorsitzender mehr Schatten als Licht zu verantworten habe. Im Fall des jetzt insolventen kircheneigenen Weltbild-Verlages etwa habe Zollitsch völlig versagt. Blass und wirkungslos sei er als Vorsitzender geblieben - gerade im Vergleich zu seinem Vorgänger.
    "Oder er hat die Bischofskonferenz nicht so repräsentiert, wie es jemand konnte wie Lehmann, weil ihm natürlich auch die theologische Expertise abgeht. Also er konnte weder auf der theologischen, noch auf der politischen Ebene argumentieren, er war in diesem Punkt völlig abhängig von seinen Mitarbeitern und vom Sekretariat der Bischofskonferenz."
    Stefan Vesper sieht das anders. Er unterstreicht, Zollitsch habe eben durch sein persönliches Auftreten gewirkt, durch Authentizität und Glaubwürdigkeit.
    "Ich glaube, die wichtigste Münze, mit der wir in einem Austausch sind, ist das Vertrauen. Und der Erzbischof Zollitsch hat den Menschen, mit denen er zusammengearbeitet hat, einen Vertrauensvorschuss gegeben. Er selbst war auch immer so, dass man überzeugt war, dass er aufrichtig und integer arbeitet. Ich bin sehr dankbar für seinen Dienst für die katholische Kirche in Deutschland."

    Aufklärer oder Teil des Missbrauchsskandals
    Robert Zollitsch war vor allem als Krisenmanager gefragt. Im Januar 2010 erreichte der Missbrauchsskandal auch Deutschland. Angestoßen durch den damaligen Leiter des Berliner Canisiuskollegs, den Jesuitenpater Klaus Mertes, kam es zur Aufdeckung zahlreicher Fälle sexualisierter Gewalt in kirchlichen Einrichtungen durch Geistliche. Die deutschen Bischöfe reagierten durch eine Verschärfung der "Leitlinien zum Vorgehen bei sexuellem Missbrauch" und erstellten ein Konzept zur Entschädigung von Opfern. Zollitsch bestellte den Trierer Bischof Stefan Ackermann zum Missbrauchsbeauftragten. Annegret Laakmann, Referentin der Reformbewegung "Wir sind Kirche", erkennt diese Bemühungen an, kritisiert aber, sie hätten nicht ausgereicht.
    "Ich denke, dass viele Betroffene sich ein größeres gemeinsames Gesprächsforum innerhalb der katholischen Kirche gewünscht hätten. Und die Zahlung der Summen und die Entscheidung, auf die sich dann inzwischen geeinigt wurde, sind im Grunde genommen für das Erlittene für ganz viele Betroffene lächerlich."
    Journalist Daniel Deckers indes zweifelt auch am Willen zur Aufklärung vonseiten des scheidenden Vorsitzenden der Bischofskonferenz.
    "Zollitsch war als langjähriger Personalchef Teil des Problems und nicht Teil der Lösung. Er hat selber in einem Missbrauchsfall, der ihn persönlich betraf, was einen Pfarrer im Erzbistum Freiburg anging, hat er wissentlich über Monate hinweg die Unwahrheit gesagt, gegenüber den eigenen kirchlichen Mitarbeitern wie auch gegenüber der Öffentlichkeit. Das heißt, er war von vorneherein - um es mal in der Sprache der Politik auszudrücken - a lame duck."
    Um dem massiven Vertrauensverlust, den die katholische Kirche infolge des Missbrauchsskandals erlitt, etwas entgegensetzen, initiierte Zollitsch im Herbst 2010 einen bundesweiten Gesprächsprozess zwischen Kirchenleitung und Laien. Er soll noch bis zum Jahr 2015 weitergehen. Von einem Dialog auf Augenhöhe sprechen Befürworter. Kritiker wie Daniel Deckers halten den Prozess für eine "Placebo-Aktion". Insgesamt habe sich in den sechs Jahren der Amtszeit Zollitschs das Verhältnis von Zentralkomitee und Bischofskonferenz wenig fortentwickelt. Dazu allerdings gibt es nach Ansicht des Generalsekretärs des ZdK, Stefan Vesper, auch gar keinen Anlass. Stefan Vesper:
    "Ich glaube, dass wir als Laien auch im ZdK und auch die Bischöfe vertrauensvoll zusammenarbeiten. Die einzige Kritik, die ich habe, die mir aber sehr wichtig ist, dass viele Bischöfe in Deutschland immer noch glauben, wir leben in 27 Öffentlichkeiten. Und jeder sagt: In meinem Bistum mache ich es, so wie ich es will. Aber die Wirklichkeit ist anders. Wir sind in einem öffentlichen Raum, darum muss die Stimme des Vorsitzenden der Bischofskonferenz stark sein - und auch stark mitgetragen werden von den anderen Bischöfen. Wenn in Limburg etwas passiert, dann müssen die anderen Bischöfe wissen: Der Vorsitzende spricht jetzt für uns. Das hat ganz enormen Wert und ganz große Wucht auch für die öffentliche Darstellung."
    Lesetipp: Zollitsch: Tragweite von Missbrauchsfällen nicht geahnt (Deutschlandfunk - Interview der Woche 2013)