Sie gilt als Ferrari unter den Muscheltieren. Denn ihre Höchstgeschwindigkeit liegt bei zehn Millimetern pro Minute. Aus Sicht der Wissenschaft schier atemberaubend, denn es geht um das Tempo, mit dem sich eine Schwertmuschel bei Gefahr im Meeresboden eingräbt. Dazu bedient sich das Schalentier eines raffinierten Tricks, sagt Kerstin Nordstrom, Physikerin an der University of Maryland in den USA.
"Die Muschel presst ihre beiden Schalen ruckartig zusammen und wirbelt dadurch den Sand unter sich kräftig durcheinander. Dadurch wird der feste Boden unter ihr kurzzeitig verflüssigt. In dieses Fluidum kann die Schwertmuschel dann ihren muskulösen Fuß leicht hineinstoßen und sich ein gutes Stück in die Tiefe ziehen. Danach drückt sie ihre Schalen wieder auseinander, und der Prozess beginnt von vorne. Mit diesem Trick gräbt sich die Muschel quasi die ganze Zeit durch eine Flüssigkeit statt durch festen Boden. Und das macht das Graben so effektiv."
Im Prinzip schafft sich die Muschel ihrem eigenen Treibsand, in dem sie dann Zentimeter für Zentimeter versinkt. Erstaunt waren die Forscher von der Effizienz dieses Prozesses: Als sie die Fertigkeiten des Schalentiers mit den gängigen mechanischen Techniken zum In-den-Boden-Buddeln verglichen, schnitt die Schwertmuschel um Längen besser ab.
"Es gibt Vorrichtungen mit Propellerantrieb. Oder Geräte, die sich in den Sand graben, indem sie vibrieren. Oder welche, die sich in den Meeresgrund schrauben. Die Schwertmuschel allerdings macht das viel, viel effektiver: Sie kann sich zehnmal effizienter in den Meeresgrund eingegraben als jede der existierenden Technologien."
Eine Schwertmuschel gräbt sich in den Sand ein. (Video: MIT Tech TV)
Das brachte die Experten auf eine Idee: Ließe sich das Prinzip nicht auch mechanisch imitieren? Um das zu klären, bauten sie eine Hydraulik, die zwei längliche Metallklappen ruckartig hin- und herbewegt. Der Name des Prototypen: Roboclam, die Robotermuschel. Um zu schauen, ob RoboClam tatsächlich Sand verflüssigen kann, konstruierte das Team um Kerstin Nordstrom einen speziellen Apparat:
"Wir haben eine Technik entwickelt, mit der wir quasi in den Sand hineinschauen können. Und zwar haben wir ein kleines Aquarium mit gefärbten Wasser gefüllt und mit lauter sandähnlichen Körnchen. In dieses Becken leuchten wir von mehreren Seiten mit Laserstrahlen hinein. Der Laser bringt ausschließlich den Farbstoff zum Leuchten, die Körnchen zeichnen sich im Bild als dunkle Schatten ab. Dann lassen wir RoboClam in diesem Becken aktiv werden. Und wir können genau beobachten, was mit den Körnchen passiert."
Das Resultat: Gehen die mechanischen Schalen in einem bestimmten Rhythmus auf und zu, verhalten sich die künstlichen Sandkörnchen im Laserbild tatsächlich wie Treibsand: Angeregt durch die Klappenbewegung verlieren sie den Kontakt untereinander und lassen sich deutlich leichter verschieben. Der jetzige Prototyp ist allerdings nur so groß wie ein Feuerzeug. Deshalb tüfteln Nordstrom und ihre Crew nun an einem größeren Modell, mit dem sie mögliche Anwendungen ausloten wollen – zum Beispiel für Unterwasser-Drohnen, mit denen sich der Meeresgrund abscannen oder eine Unterwasser-Pipeline überprüfen lässt.
"Manche dieser Unterwasserroboter sind ziemlich klein und können deshalb leicht von Meeresströmungen mitgerissen werden. Wenn sie an einem Ort bleiben sollen, muss man sie also irgendwie verankern. Da sie allerdings batteriebetrieben sind, haben sie dafür nicht gerade viel Energie zur Verfügung."
Genau hier könnte der hocheffiziente RoboClam-Mechanismus helfen, die Unterwasser-Drohnen leicht und sicher im Meeresgrund zu verankern. Doch auch die Militärs haben ein Auge auf das Projekt geworfen: Sie sehen in der mechanischen Muschel eine Möglichkeit, im Meeresgrund vergrabene Minen auszulösen und damit unschädlich machen.