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Roboter als Herdenmitglied

Technik. – Die Zeiten des Handmelkens sind auf den meisten Bauernhöfen längst vorüber. Heutzutage melken Maschinen, oft sogar vollautomatisch. Das aber geschieht im Stall, deshalb müssen die Kühe von der Weide zum Stall laufen, oder dürfen erst gar nicht mehr hinaus. Ein Melkroboter, der mit den Tieren über die Weiden zieht, soll das jetzt ändern. Er wird an der niederländischen Universität Wageningen entwickelt.

Von Remko Kragt |
    200 Pferdestärken stecken unter der Haube des alten Raupenfahrzeugs, auf dem Frank Lenssinck eine halbe Milchfabrik montiert hat. Der Landwirt betreibt den Versuchsbauernhof der niederländischen Universität Wageningen. Langsam schiebt sich das riesige Gefährt auf die Weide. Raupen mit mehr als vier Quadratmeter großen Auflageflächen verhindern, dass es mit seinen 16 Tonnen in den weichen niederländischen Boden versinkt. Die grasenden Kühe schauen zwar etwas skeptisch drein, aber um sie geht es. Denn in dem Ungetüm sollen sie künftig gemolken werden – besser gesagt: sie sollen sich selbst melken ohne dass ein Bauer daneben steht. Franck Lenssinck reagiert mit diesem mobilen Melkroboter auf Veränderungen in der Viehhaltung:

    "Die Kuhherden sind in den letzten Jahren um rund 20 Prozent größer geworden, und sie wachsen weltweit. Es wird künftig sehr große Betriebe geben. Die Weideflächen werden damit auch immer größer und die Wege zum Melken länger. Wenn 100 oder 150 Kühe hin und her laufen, was kostet das nicht an Energie? Man hat berechnet, dass jeder Kilometer, den eine Kuh laufen muss, etwa anderthalb Liter Milch kostet."

    So entstand die Idee, einen Melkroboter, die es im Stallbetrieb schon seit Jahren gibt, auf einen fahrbaren Untersatz zu stellen. Lenssinck besorgte den alten Raupenlader und montierte darauf: Milchtank und Kühlanlage, einen Kraftfutterbehälter, eine Spülmaschine und die computergesteuerte Überwachungstechnik. Die vordere Gabel trägt einen Generator, auf der hinteren Ladegabel steht der eigentliche Melkroboter. Alles zusammen ergibt ein rollendes Milchwerk, das fast acht Meter lang, vier Meter hoch und drei Meter breit ist. 3500 Liter fasst der Milchtank, genug für eine Milchproduktion von zwei Tagen. Im Winter haben die Kühe sich schon im Stall an die Anlage gewöhnen können. Jetzt ist die Frage, ob es auch auf der Weide funktioniert. Lenssinck:

    "Wir hoffen, dass die Kühe den Roboter als Mitglied ihrer Herde akzeptieren, sodass sie zusammen herumziehen können. Und dass die Kühe lernen, sich den richtigen Zeitpunkt zum Melken aus zu suchen. Wir haben einige Kühe, die sind so schlau, die haben erkannt, dass der Roboter in der Nacht kaum benutzt wird. Nun, die lassen sich jetzt nur in der Nacht melken."

    Noch ist der Andrang nicht so groß, die Herde muss sich noch gewöhnen. Einige Kühe stehen um die Anlage herum, ab und zu klettert eine in das Melkgitter am hinteren Ende. Hinter ihr schließt sich das Gitter, sofort registriert die Elektronik anhand eines Chips am Halsband, welche Kuh sie vor sich hat. Sie bekommt ein bisschen Kraftfutter zugeteilt. Gemolken aber wird nur, wer dran ist – auch das prüft der Computer. Die anderen müssen sich wieder herausschieben lassen. Das sei nötig, meint Lenssinck, denn manche Kühe klettern dauernd in den Roboter – des leckeren Kraftfutters wegen. Der Vorgang ist kompliziert: Ein Greifarm reinigt das Euter, dann platziert er vier Melkbecher nacheinander auf die Zitzen. Während des Melkens wird die Milchqualität genau gemessen. Schließlich nimmt der Greifarm die Melkbecher wieder ab und das Ausgangsgitter öffnet sich. Gemächlich trottet das Tier wieder nach draußen. Schnell schließt sich das Gitter, denn schon drängen andere Kühe an die Kraftfutterschale. Franck Lenssinck sieht für den mobilen Melkroboter verschiedene Märkte:

    "Wir sehen Perspektiven für Betriebe mit sehr großen Herden, die auf Weiden grasen. Wir könnten etwa vier bis fünf Roboter in einer Region verteilen für 400 bis 500 Kühe. Andererseits werden weitläufige Naturweiden immer mehr mit Galloways begrast, weil sie nur Fleisch produzieren. Das ist schade, denn traditionell produzieren wir eher Milch, die auf dem Markt außerdem mehr wert ist. Wir meinen, dass wir es jetzt möglich machen, auch in der natürlichen Weidehaltung Milch zu produzieren."

    Franck Lenssinck will seinen mobilen Roboter zunächst mit zehn anderen Landwirten gemeinsam weiter entwickeln. Für die Zukunft sind Präsentationen auch in Deutschland geplant.