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Roboter am Kicker

Normalerweise sind Doktorarbeiten eine ziemlich trockene Angelegenheit, aber das Thema des 34 jährigen Freiburger Informatikers Thilo Weigel dürfte breite Bevölkerungsschichten interessieren: Der Doktorand, der an der Freiburger Fakultät für angewandte Wissenschaften auf dem Feld der künstlichen Intelligenz forscht, hat einen Roboter entwickelt, der Tischfußball spielen kann.

Von Sebastian Bargon | 13.09.2004
    Über dem Spielfeld des Tischkickers hängt eine Kamera, die jede Bewegung der farbigen Spielfiguren und des Balles registriert: 50 mal pro Sekunde nimmt sie Bilder auf. Die unter Linux laufende Software errechnet den jeweils nächsten Spielzug. Dann setzen Elektromotoren die vier Kicker-Stangen von Ki-Ro in Bewegung...

    Kaum ist der Ball im Spiel setzt mich Ki-Ro permanent unter Druck. Der Tischkick-Roboter blockt meine Angriffsversuche geschickt ab und geht sofort zum Angriff über. Ohne taktische Finessen zieht er seine Daueroffensive durch und schießt aus jeder Position auf mein Tor.

    Schnell gerate ich ins Schwitzen - Ki-Ro spielt zwar ohne taktische Raffinessen und scheint keinerlei Spielüberblick zu haben - dafür ist er absolut zielorientiert : Nach drei Minuten steht es 2:0 für den Roboter, der mir, was Reaktionsvermögen und Geschwindigkeit anbelangt, überlegen ist. Dessen Erfinder Thilo Weigel kann sich ein Lächeln nicht verkneifen. Warum spielt sein Tischkick-Roboter so hypernervös ? Weigel zeigt auf den Bildschirm des angeschlossenen Computers und erklärt , dass Ki-Ro das Spiel ganz anders wahrnimmt als ein Mensch...

    Als Mensch hat man ja einen recht guten dreidimensionalen Blick über den Tisch. Der Computer verfügt nur über ein zweidimensionales Kamerabild, das auch nicht sehr hoch auflösend ist. Was wir hier sehen ist der Tisch mit den farbigen Spielern und dem gelben Ball. Diese Farben kann er extrahieren und aus diesen Farbregionen, die er dann gefunden hat, kann er die Position der Menschen und des Balles bestimmen. Aber wie wir hier weiter unten sehen - das ist die interne Repräsentierung von der ganzen Sache - kann er nicht wie der Mensch mit Genauigkeit sagen: Hier ist der Ball und dort sind die Menschen. Das ist immer mit einer gewissen Ungenauigkeit behaftet.

    Im Jahr 2000 begann Thilo Weigel im Rahmen der Grundlagenforschung mit ersten Projektierungen und Programmierungen. Es reizte ihn zum Beispiel bei Robotern wie Ki-Ro grundsätzliche Verfahren zu testen. Was passiert, wenn das Gerät selbst denken und entscheiden muss.

    Hochoffiziell geht es um Perzeption, also um Wahrnehmung und Deliberation , also um die Überlegung "was soll ich tun?" und dann die Aktion autonomer Systeme, das heißt Systeme, die sich selbständig, also ohne menschliche Einflussnahme verhalten.

    Zwei Jahre später konnte Ki-Ro schon gegen Menschen antreten. Weigel hatte übrigens keinerlei Probleme, sein ungewöhnliches Forschungsthema bei seinem Doktorvater durchzusetzen. Kein Wunder : Schließlich hatten sie in der Vergangenheit gemeinsam beim "Robo-Cup" teilgenommen...

    Das ist die Fußball-Weltmeisterschaft für rollende Roboter. Dort müssen sich ganze Teams von Robotern absprechen und gemeinsam Fußball spielen. Und man hat da eben schon die Erfahrung gemacht, dass es sehr fruchtbar ist dort seine Grundlagenforschung zu entwickeln und auch zu testen.

    Obwohl ich alle mir zur Verfügung stehenden fiesen Tricks anwende wie zum Beispiel Dauer-Kurbeln, verliere ich gegen Ki-Ro 10: 5. Weigel tröstet mich, denn er sagt , dass man eigentlich zu zweit gegen den kickenden Roboter antreten müsste. Nächstes Jahr soll Weigels Doktorarbeit fertig werden. Bis dahin sollen Ki-Ros Fähigkeiten sogar noch stark verbessert werden.

    Man sieht ja jetzt, dass er relativ simpel spielt : Er blockt den Ball oder er macht die Füße hoch, damit der Ball von hinten durchrollen kann. Oder er schießt halt, sobald er kann und zielt auch ein bisschen aufs Tor, wenn möglich. In Zukunft möchte man aber eigentlich ein menschenähnlicheres Spiel haben, d.h. man möchte einerseits die Möglichkeit haben, dass er den Ball absichtlich stoppt, sich zupasst und dann schießt: D.h. er hat einen viel größeren Spielraum Spielzüge zu planen und idealerweise möchte man das davon abhängig machen, was man am Spielverhalten des Gegners erkennt.

    In Zukunft soll Weigels Erfindung sogar eine praktische Anwendung erlangen. Weigel hat sogar schon einen Automatenhersteller aus Norddeutschland für sein Forschungsgebiet begeistern können. Demnächst soll eine marktreife Version des kickenden Roboters unter dem Namen "Starkick" in Serie hergestellt werden. Da Ki-Ro an der Fakultät für angewandte Wissenschaften der Albert-Ludwigs Universität erdacht wurde, ist es für Thilo Weigel vollkommen in Ordnung, dass der Löwenanteil des Gewinns an die Freiburger Uni geht.