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Roboter schwärmen wie Bienen

Bionik. - Von der Natur zu lernen, ist eine elegante Art, ausgereifte Mechanismen zu kopieren. Denn die Evolution hat über Jahrtausende an den Lösungen für die Probleme gefeilt, die sich ihr stellen. Ingenieure und Biologen haben zum Beispiel Mechanismen, die hinter dem Verhalten etwa von Bienen stecken, auf Roboter übertragen.

Von Joachim Budde | 04.01.2013
    Die Roboter, die Dr. Serge Kernbach durch seine Arena an der Universität Stuttgart ruckeln lässt, sind etwas größer als Brettspielwürfel. Jasmin haben die Ingenieure diese Mikroroboter getauft. Sie bestehen aus einem Satz Räder, darüber ein Akku und zuoberst eine Platine mit Sensoren und zwei LEDs – ein einfaches und preiswertes System. Die Arena liegt im Dunkeln bis auf zwei helle Flecken. Je länger das Experiment dauert, desto mehr Roboter bleiben in einem der beiden Lichtkegel stehen. Sie suchen die Helligkeit. Nicht nur die Roboter sind einfach und preiswert, auch der Algorithmus, also das Prinzip, das hinter ihrem Verhalten steckt, ist sehr einfach. Die Forscher haben es Bienen abgeschaut, sagt Serge Kernbach.

    "Die Biologen in Graz haben das Verhalten beobachtet und gewisse Algorithmen abstrahiert, und wir haben genau den gleichen Algorithmus in Roboter implementiert und dann das Verhalten von Robotergruppen untersucht."

    Statt Licht suchen die Bienen allerdings Wärme, sagt Professor Karl Crailsheim, der an der Universität im österreichischen Graz soziale Systeme erforscht.

    "Es gibt verschiedene Aggregationsphänomene, und eines ist, dass junge Bienen sich bei Temperaturen, die nahe ihrem Körperoptimum sind, also bei 34, 35 Grad, bevorzugt aufhalten. Wenn jetzt eine Biene diesen Raum sucht, wo es diese Temperatur hat, dann braucht sie irgendwelche Mechanismen, um optimal sich an diesem Punkte versammeln zu können."

    Die Bienen machen es sich auf der Suche nach einem gemütlichen Ort in der Kolonie leicht: Sie laufen so lange herum, bis sie auf eine andere Biene stoßen. Crailsheim:

    "Wenn sie auf eine Biene treffen, warten sie eine Weile, und sie warten länger, wenn es eine angenehme Temperatur hat, und sie warten kürzer, wenn es eine zu hohe oder zu niedrige Temperatur an diesem Ort hat. Und allein aufgrund dieses Mechanismus sammeln sich dann immer mehr Bienen dort an, wo die optimale Temperatur herrscht, als dort, wo eine suboptimale Temperatur herrscht. Und dasselbe tun beispielsweise die Roboter von Herrn Kernbach in einem Lichtgradienten. Die meisten sind dann dort, wo das Licht am hellsten ist."

    Im Labor lassen sich auf kleinem Raum Helligkeitsunterschiede einfacher erzeugen als Temperaturunterschiede. Unabhängig davon nutzen Roboter und Bienen dasselbe Prinzip: Statt die ganze Zeit Temperatur oder Helligkeit zu messen, warten sie, bis sie auf eine andere Biene respektive einen anderen Roboter treffen. Das spart eine Menge Energie. Das eigentliche Ziel hinter dieser Arbeit ist nicht, das Verhalten von Bienen nachzubauen, sondern die Mechanismen in eine Technologie umzusetzen. Serge Kernbach schweben dabei Chemohybride vor, also Mikroroboter, die zum Beispiel aus chemischen Molekülen oder Partikeln einerseits und sehr kleiner Technologie andererseits bestehen. Sie sind zwischen 50 und 100 Mikrometer groß. Damit liegen sie zwischen der Größe einer durchschnittlichen menschlichen Zelle und der Dicke eines Blattes Papier, sagt der Ingenieur.

    "Solche Systeme haben eine relativ begrenzte Intelligenz überhaupt. Man kann die auf eine gewisse Weise programmieren, aber sehr begrenzt, die haben praktisch kaum Energie, die haben kaum Kommunikationsmöglichkeiten und kaum Sensoren, und wir glauben dass solche Algorithmen aus dem Bienenreich, die sind sehr gut anwendbar sind für diese Chemohybride. Wir glauben, es hat eine gewisse Perspektive für die Zukunft."

    Eine solche Technik ist einfach, billig, und zuverlässig – wie ein Bienenstaat. Crailsheim:

    "In einem Honigbienenstaat kann ohne weiteres ein großer Prozentsatz der einzelnen Bienen ausfallen, und der Bienenstaat wird immer noch funktionieren. Bei einem Schwarm von 1000 Robotern, wenn da 20 Prozent der Roboter ausfallen, da besteht die große Gefahr, wenn das sehr komplizierte Steuerungsmechanismen sind, dass das ganze System zusammenbricht. Ist das System aber so abgesichert wie in der Biologie, dann wird dieser Roboterschwarm immer noch funktionieren, er wird langsamer, aber er wird funktionieren."