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Robotik
Exoskelette für ein besseres Leben

Eine Verbindung zwischen Mensch und Roboter - das klingt nach Science Fiction, könnte aber in Zukunft durch medizinische Exoskelette Realität werden. Die Technologie soll laut dem japanischen Robotik-Guru Yoshiyuki Sankai schon bald dafür eingesetzt werden, gelähmten Menschen dabei zu helfen, wieder zu gehen.

Von Piotr Heller | 24.07.2018
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    Die Motoren der Exoskelette unterstützen die Lendenmuskulatur des Menschen (Merck)
    Vor einigen Wochen zerstörten schwere Regenfälle ganze Dörfer im Westen Japans. Zigtausende Helfer waren im Einsatz. Ein paar dieser Helfer trugen merkwürdige Geräte aus schwarzen Streben um die Hüfte.
    Sobald einer von ihnen einen Sandsack oder ein Lebensmittelpaket hochwuchten wollte und auch nur daran dachte, sich zu bücken, erkannte das die Maschine. Ihre Motoren unterstützen daraufhin die Lendenmuskulatur des Menschen.
    Die Maschinen leisteten somit einen Beitrag bei der Rettungsaktion, einen kleinen Beitrag. In ihnen steckt jedoch ein großes Konzept, dessen Erfinder unsere Gesellschaft umkrempeln möchte.

    "Wissenschaft und Technologie entwickeln sich oft ohne direkten Bezug zur Gesellschaft. Das macht es schwer, komplexen sozialen Problemen wie etwa der alternden Gesellschaft zu begegnen. Um eine Brücke zu schlagen, habe ich das Forschungsfeld mit dem Namen Cybernics entwickelt. Es soll Menschen, Roboter und Informationssysteme verbinden."
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    Yoshiyuki Sankai am Rande der Konferenz "Curious 2018" des Pharmaherstellers Merck in Darmstadt (Merck)
    So erklärt es Yoshiyuki Sankai am Rande einer Konferenz der Pharmaherstellers Merck in Darmstadt. Der Professor entwickelt mit seinem Unternehmen "Cyberdyne" Roboter, die er mit dem Menschen verschmelzen lassen will.
    HAL hilft Gelähmten wieder zu gehen
    In der Gesellschaft der Zukunft, sollen diese Maschinen ständig das Informationssystem Mensch anzapfen.

    "Diese Technologie wird dann genutzt, um die Gesundheit von Menschen zu erhalten oder zu verbessern und manchmal auch, um Krankheiten früh zu erkennen. In dieser Zukunft werden alte und schwache Menschen selbständig an der Gesellschaft teilhaben."
    Das Vorzeigeprodukt der Unternehmens ist HAL: "Hybrid Assistive Limb" – ein Exoskelett, das es in vielen Ausführungen gibt.
    Die Unterstützung der Lendenmuskeln ist eine Variante, eine andere hat Beine und kann dem Menschen beim Gehen helfen, wieder eine andere stärkt die Arme.

    "Wenn der Mensch sich bewegen will, erzeugt das Gehirn elektrische Signale. Diese Signale werden über das Rückenmark an die Muskeln in Armen und Beinen geschickt. Dort kann man sie dann auf der Haut erkennen."
    Das tut HAL mit speziell entwickelten Sensoren. In Lagerhallen, auf Obstplantagen und auf Baustellen sind die Roboteranzüge bereits im Einsatz. Sie sorgen dafür, dass den Menschen anstrengende Tätigkeiten leichter fallen und sie bis ins hohe Alter gesund bleiben.
    Die Kernidee dieser Maschinen ist, dass sie nicht mit antrainierten Bewegungsmustern oder Muskelsignalen gesteuert werden.
    Gehirn steuert die Bewegungen des Exoskeletts
    Der Nutzer lenkt sie mit ganz natürlichen Nervensignalen. Das eröffnet neue medizinische Anwendungen.
    "Bei unseren Systemen gibt es immer ein interaktives Biofeedback – Mensch und Maschine arbeiten zusammen und passen sich aneinander an. Wenn der Mensch sich bewegen will, sendet das Gehirn Signale an die Gliedmaßen. Daraufhin bewegt die Maschine die Gliedmaßen des Menschen. Die senden dadurch aber auch Signale an das Gehirn zurück. Das ist das Biofeedback."
    So kann ein Patient nach einem Schlaganfall oder einer Rückenmarksverletzung mit dem Exoskelett trainieren und seine Körperfunktionen rehabilitieren. Yoshiyuki Sankai öffnet seinen Laptop und startet ein Video:

    "Dieser Junge hatte mit zwei einen Autounfall und saß zehn Jahre lang querschnittsgelähmt im Rollstuhl. Seine Beine konnte er gar nicht bewegen. Wir haben ihm das Gerät angelegt und nach drei Stunden konnte er plötzlich sein Bein steuern."
    Yoshiyuki Sankai kann viele solcher spektakulärer Beispiele vorführen. Und auch klinische Studien belegen: Das Training mit dem Exoskelett verbessert die Koordination und Beweglichkeit gelähmter Menschen.
    Schutz vor militätischer Nutzung der Roboterprothesen
    In Deutschland, Japan und den USA ist es als medizinisches Gerät zugelassen. Interessant an dem ganzen Konzept ist, dass es nicht nur technische Aspekte umfasst, sondern auch ethische und rechtliche.
    "Diese Geräte müssen auch sicher sein. Also sind wir Mitglied bei der Internationale Organisation für Normung ISO geworden und haben dafür internationale Regeln aufgestellt."
    Bei HAL werten verschiedene Computer die Signale aus und überwachen sich gegenseitig. Das soll vor Fehlinterpretationen schützen - aber auch vor Hackern. Die Varianten für Arbeiter sind außerdem schwächer als der Mensch, damit der notfalls gegensteuern kann.
    Ein ethisches Problem ergibt sich aber auch aus der Technik an sich. Yoshiyuki Sankai will nicht, dass sie militärisch genutzt wird. Aber wie verhindern, dass jemand das System für diesen Zweck kopiert? Das Unternehmen Cyberdyne macht es auf zwei Arten: Es vermietet die Geräte nur und verkauft sie nicht.
    Außerdem sind sie so aufgebaut, dass es schwer ist, die genaue Funktionsweise zu entschlüsseln. Bisher zumindest, sagt Yoshiyuki Sankai, sei es noch keinem gelungen, eine seiner Maschinen zu kopieren.