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Römische Machtspiele

Vier Männer gehen ins Rennen, wenn Italien heute einen neuen Staatspräsidenten wählt. Drei davon zählen zum altgedienten Parteienestablishment, dem vierten geben Beobachter kaum Chancen. Doch wie auch immer die Nationalversammlung entscheidet: Die Bevölkerung bringt der Politik viel Misstrauen entgegen.

Von Kirstin Hausen | 18.04.2013
    Kardinal oder Staatspräsident, immer sind es Männer, klagen die Frauen im Videospot von Pari o Dispare, einer gemeinnützigen Organisation zur Förderung der Gleichberechtigung von Männern und Frauen. Es sei an der Zeit, eine Frau in das höchste Amt im italienischen Staat zu wählen, meinen sie. Und das sehen auch viele Männer so.

    "Italien braucht eine Frau, endlich mal eine Frau", sagt der Getränkelieferant Riccardo Bonanno und er hat auch schon eine bevorzugte Kandidatin. Emma Bonino vom Partito Radicale, einer kleinen Partei, die in den 70er-Jahren für das Recht auf Abtreibung kämpfte und seitdem die persönliche Freiheit des Einzelnen ins Zentrum ihrer Politik stellt. Emma Bonino setzt sich seit Jahrzehnten international für die Menschenrechte ein, war EU-Kommissarin und Ministerin in der Regierung von Romano Prodi:

    "Bonino ist moralisch integer und sehr gebildet. Sie wäre unter den gegebenen Umständen in Italien eine geeignete und verantwortungsbewusste Staatspräsidentin."

    Die gegebenen Umstände: Das sind die aktuelle Regierungskrise und die hohe Politikverdrossenheit in der Bevölkerung. "La casta", die Kaste werden die Politiker in Italien genannt, in den Medien und im allgemeinen Sprachgebrauch. Der Graben zwischen Wählern und Gewählten ist tief, das Misstrauen weit verbreitet.

    - "Wenn ich die da sitzen sehe, mit ihren 70 Jahren. Jackett, Krawatte und ein Monatsgehalt, von dem wir Bürger nur träumen, das macht mich sehr wütend."

    - "Warum senken sie nicht ihre Gehälter, um die Staatsschulden zu begleichen? Zahlen soll immer nur das Volk."

    Auf diesem Boden wuchs die Zustimmung zu Beppe Grillos Fünf-Sterne-Bewegung, auf diesem Boden wächst auch der Unmut über Machtintrigen rund um das Amt des Staatspräsidenten, um den politischen Schacher, der in Rom stattfindet.

    "Das ist eine Mafia, die Mafia der Macht","

    sagt Mauro Caccia, der in Genua einen Imbiss betreibt. Genua, die Heimatstadt von Beppe Grillo - Mauro hat Sympathien für ihn und seine politische Bewegung. Und er hat sich auch an der von Grillo initiierten Onlineabstimmung zur Kandidatenwahl für das Amt des Staatspräsidenten beteiligt. Auf dem ersten Platz landete: eine Frau. Die Journalistin Milena Gabanelli, bekannt und gefürchtet wegen ihrer investigativen Fernsehberichte über korrupte Politiker, Missbrauch öffentlicher Gelder, Wirtschaftsskandale und Seilschaften. Sie hat aber auf eine Kandidatur verzichtet und Stefano Rodotà Platz gemacht. Der Rechtsprofessor tritt nun als Kandidat der Fünf-Sterne-Bewegung an. Beppe Grillo hat überraschend angekündigt, mit der Demokratischen Partei über eine Regierungsbeteiligung reden zu wollen, wenn Rodotà auch von den Demokraten gewählt wird. Es ist das erste Mal seit den Parlamentswahlen, dass Grillo eine Zusammenarbeit mit der Demokratischen Partei überhaupt in Erwägung zieht. Vielleicht, um nicht weiter als Totalverweigerer dazustehen? Meinungsumfragen zufolge sind immer mehr Grillo-Wähler unzufrieden mit der politischen Pattsituation.

    " "Ich bin überhaupt nicht einverstanden mit seinem Nein zur Regierung, auch wenn er natürlich gute Gründe dafür hat. Die Politiker der anderen Parteien sind seit 40 Jahren im Parlament. Es sind immer die gleichen Gesichter und die gleichen Ideen. Aber es geht schließlich um das Beste für das Land."

    Oder öffnet sich Grillo, weil er ahnt, dass die Demokratische Partei an einer Regierung mit Berlusconis Volk der Freiheit strickt und er ihnen nicht den Vorwand geben will, mit ihm hätte es keine Möglichkeit einer Zusammenarbeit gegeben? Viele Italiener haben den Eindruck, bei der Wahl heute gehe es gar nicht um das höchste Amt im Staat, sondern um Regierungsverhandlungen. Renato Brunetta vom rechten Lager spricht das ganz offen aus. Wenn man sich auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen könne, könne man sich auch auf eine gemeinsame Regierung einigen, sagt er.

    Und wenn nicht? Dann gebe es eben Neuwahlen. Der Eindruck, die Politik beschäftige sich vor allem mit sich selbst statt mit den Problemen des Landes, wird so noch bestärkt.