"Also ich werde jetzt euch auf Friaulanisch begrüßen. Das ist unsere Sprache, die auch ich mit meinen Eltern, meinen Freunden spreche: Allora sior i siores benvenut in Friul."
Elisa Sabot stammt aus einem kleinen Ort nördlich von Udine, das im Herzen der autonomen Region Friuli-Venezia-Giulia liegt. Stellen wir uns ein Kaleidoskop von Friaul-Julisch-Venetien vor und schauen wir, was es an bunten Schätzen zu bieten hat.
Wir sehen eine lange Straße. Es ist die antike Via Julia Augusta. Von Norden kommend führt sie nach Udine und von dort schnurgerade durch eine trockengelegte Sumpfebene nach Aquileia.
"Wir sind in Aquileia. Früher, ab dem zweiten Jahrhundert vor Christus Hauptstadt der X. Römischen Region. Und hatte vor allem im zweiten Jahrhundert eine wesentliche Verteidigungsfunktion erfüllt. An der Grenze zu dieser Region waren die karnischen Kelten, aber auch die Istrier haben diese Region öfter bedroht."
Die Kunsthistorikerin Paola Alzetta führt durch die imposanten, aber immer noch spärlichen, römischen Ausgrabungen der einst bedeutenden Handelsstadt. Wenn auch in den 1920er-/30er-Jahren, forciert durch Mussolini, das Forum Romanum mit Säulenreihe, Reste der antiken Basilica und der Flusshafen freigelegt wurde.
Die Via Julia Augusta führte und führt direkt über den Cardus Maximus, die Nord-Süd-Hauptstraße des antiken Aquileia. Hier steht, weithin sichtbar, ein marmorweißes Grabdenkmal mit der kopflosen Statue eines hohen Beamten.
"Das Grabdenkmal ist von zwei Löwen bewacht, die eine symbolische Verteidigungsfunktion haben. Dieses Grabdenkmal wurde nicht hier gefunden, sondern an einer der Verbindungsstraßen. Die Römer hätten nie auf der Welt ein Grab, auch ein Grab von einer wichtigen Persönlichkeit, in der Stadt selber gebaut. Man findet auch sehr, sehr oft an den Gräbern Begrüßungsformeln, wie "Lebe wohl" oder "Gute Reise" und so weiter und sofort."
Wenige Schritte führen von dort zum zypressengesäumten, ehemaligen Hafen, der über den heutigen Badeort Grado mit der Adria verbunden war. Dahinter taucht dann auch schon der Campanile der frühchristlichen Basilika auf. Daneben das hohe, archaisch-anmutige Gotteshaus.
"Die heutige Basilika nennen wir die süd-theodorianische Aula. Der Bischof Theodor hatte kurz nach dem Edikt von Kaiser Konstantin den Bau dieser Basilika angefangen. Ursprünglich hatte man hier nicht nur die Südaula, sondern zwei parallele Aulen."
Die erste Kirche entsteht nach Konstantins Toleranzedikt von 314. Die letzten Umbauten erfolgen im 15. Jahrhundert. Vor rund einem Säkulum ist der Mosaikfußboden des ersten Baus wieder freigelegt worden.
Gläserne Laufstege führen heute über die einmalige Mischung aus römischer und frühchristlicher Mosaikkunst. Zehn durch Akanthusblätter unterteilte Mosaikteppiche sind es insgesamt. Der sogenannte "Meister der Meere" gestaltet die Geschichte von Jonas und dem Wal in einem Meer mit amüsant-naiven Oktopus, flunderartigen Fischen mit Kulleraugen und netzewerfenden, geflügelten Amorinen.
Drehen wir weiter an unserem magischen Guckrohr und wir landen in der kleinen Stadt Spilimbergo. Vor fast 1.000 Jahren an einer Furt des Flusses Tagliamento gegründet, ist es heute besonders stolz auf seine 1922 gegründete Scuola Mosaicisti del Friuli. Studenten aus 20 Nationen erhalten an dieser Schule eine Ausbildung zum Mosaikleger und Restaurator. Ob im Felsendom zu Jerusalem oder auf Kreuzfahrtschiffen, überall ist ihr Kunsthandwerk gefragt.
Direktor Alido Gerussi greift zu Spitzhammer, kleinem Meißel und zerteilt auf einem Holzblock schnell und mit erstaunenswerter Fingerfertigkeit harten Marmor in immer kleinere quadratische Steinchen. Kein Schlag geht daneben. Diese "tessera" ist die Basis für das Mosaik.
Der Direktor lässt die unterschiedlichen Steinsorten und die kostbaren farbigen oder mit Blattgold hinterlegten Murano-Glassteinchen durch seine Finger gleiten. Material in über 6.400 verschiedenen Farbtönen lagert in den Magazinen der Scuola. Alle Räume, selbst die Toiletten, haben die "Studenti" mit Mosaiken ausgeschmückt. Besucher herzlich willkommen!
Aus den Prismen unseres Friaul-Kaleidoskops ergibt sich schon wieder ein neues Bild. Piazza Diacono in Cividale del Friuli. Es wurde im ersten Jahrhundert vor Christus als "Forum Julii" von keinem geringeren als Julius Caesar persönlich gegründet. Heute liegt es nicht weit von der slowenischen Grenze im Osten der "Regione" und nennt sich stolz Langobardenstadt.
"Paolo Diacono war ein langobardischer Schriftsteller, der ein perfektes Latein gelernt hatte und hier auf diesem Platz wurde dieser Schriftsteller geboren. Das etwas mittelalterlich aussehende Haus dort mit den Spitzbögen ist das vermutete Geburtshaus."
Der erste Herzog der Langobarden, Alboin, erklärte im Jahr 568 Cividale del Friuli zur Hauptstadt seines Reiches, so Kunsthistorikerin Paola.
"Die waren ein Reitervolk und die waren ein Volk, das eigentlich keine richtige Architektur kannte. Ihre Spezialitäten waren die Waffen und der Schmuck. Die Gewohnheit dieser Reitervölker war es, immer das ganze Vermögen an sich zu tragen."
In Cividale nun wird man sesshaft und reich. Ratchis war einer der Herzöge dieses aus dem Norden eingewanderten Volkes.
"Der hatte diesen Altar als Erinnerung an seinen Vater machen lassen. Das ist eine total antiklassische Kunst. Es ist wirklich das Gegenteil von der römischen und griechischen Kunst."
Das sarkophargartige Kunstwerk ist mit Szenen aus dem Neuen Testament naiv anmutend und dennoch prächtig ausgestaltet. Das "Tempietto Langobardo" hoch oben am Steilufer des Natisone, ebenfalls UNESCO-Welterbe, gehört zum ehemaligen Kloster Santa Maria in Valle, einst Sitz des Langobardischen Hofes. Das sogenannte Tempelchen entstand wohl am Ende des neunten Jahrhunderts. Das hohe, tonnenartige Kirchlein mit seinen wundervollen Weinlaub- und Traubendekors erinnert an frühchristliche Höhlenkirchen im türkischen Kappadokien.
Von dem kleinen Park auf der anderen Seite des tief unten im Tal grün schimmernden Flusses hat man den besten Blick auf das Wahrzeichen von Cividale: Il Ponte del Diavolo, die Teufelsbrücke mit ihren zwei Bögen.
Wir wollen eine Brücke über den Natisone, sagten sich einst die Bewohner und fragten den Teufel um Rat. Tja, wie bloß, fragte auch der sich und geht zu seiner Gattin. Vielleicht hat sie ja eine Idee. Die Frau Teufel sitzt am Feuer. Als sie aufsteht, fällt eine schwarze Katze von ihrer Schürze und - schnurstraks in das Natisone-Tal. Beim Fallen verwandelt sich die Mietze in eine Stütze mitten im Wasser! Daraus wächst der Mittelpfeiler und fertig war die "Ponte del Diavolo.
Erneutes Schütteln des Kaleidoskops fördert gleich 18 weitere Teufel zu Tage. Und zwar im Herzen Friauls in Udine. Teufelsfratzen sind es, die die Konsolen der Barockbibliothek des Patriarchen Dolfin im heutigen Erzbischofspalast zieren:
"Es ist eine der größten, wertvollen Sammlungen Italiens. Und zwar der Patriarch hatte diese große Bibliothek, aber in dem Wissen steckt auch eine Gefahr. Die Teufel haben alle verschiedenartige Formen, weil man dadurch die Leute warnen will, passt auf, was ihr lest, die Teufel kommen immer in einer neuen, einer anderen Form auf."
Ein Aufruf zur Tugend, verschlüsselt in Holzdekor. Unter der Ägide der Patriarchen Dionisio und Daniele Dolfin erfährt das Palais seine endgültige Ausgestaltung durch zwei berühmte Venezianer, den Architekten Domenico Rossi und das damals junge Malergenie Tiepolo. Schon beim Ersteigen der von Rossi erbauten, mehrstöckigen Prunktreppe reckt man sich den Hals, um Giambattista Tiepolos üppig farbigen Engelssturz an der Decke zu bewundern. Vertrieben von Erzengel Michael, stürzen die bösen Engel aus den Wolken kopfüber Richtung Erde, als wären sie in die übelsten Turbulenzen geraten. Was sie ja auch sind, im übertragenen Sinne.
Seine Kunst der extremen Untersicht in gemalter Architektur wie figürlicher Darstellung zeigt auch das grandiose Deckengemälde vom "Urteil des Salomon" im Roten Saal.
"Da sieht man den Einfluss von Paolo Veronese. Wir sehen also den König Salomon und wir sehen daneben die berühmte Szene aus der Bibel. Auf der rechten Seite, rund um König Salomon, haben wir alle diese komischen, ein bisschen beunruhigenden Geschöpfe, die man damals auf den Höfen gefunden hat, auf dem Hofe der Gonzaga zum Beispiel in Mantua."
Ein Zwerg, ein Hund, der wie Spielzeug behandelt wird, ein extrem dicker Mann. Wie eine Operninszenierung entrollt sich vor uns der grausame Moment, in dem der Henker vor den Augen der guten und der bösen Mutter das Kind zerteilen soll.
Dass gleich zwei berühmte Venezianer hier in Udine arbeiteten, kommt nicht von ungefähr. Fast ein halbes Jahrtausend - seit der Spätgotik - war Udine unter der Herrschaft der Serenissima. Ganz venezianisch gibt sich denn auch die Piazza della Libertá am Fuße des Burgbergs.
Lieblingsplatz der Udineser aber ist ein anderer, die Piazza Matteotti oder auch Piazza San Giacomo.
"Das ist eine Kirche mit verdoppelter Fassade. Die Kirche hat auch eine Besonderheit, in der linken Fassade einen Balkon. Es war so, dass hier eine Unmenge Handelsleute ihre Läden hatten und sie waren schon fromme Leute, aber sie wollten aus keinem Grunde auf der Welt ihre Geschäfte verpassen und deshalb hatten sie eine Art Abkommen mit dem Pfarrer von der Kirche, damit der Pfarrer die Messe von dem Balkon sagte, damit es so diese Versöhnung zwischen weltlichen Aspekt und geistigen Aspekt stattfindet."
Der weltliche Aspekt wird besonders gern auf der Piazza Matteotti gepflegt, dem "Salone" der Udineser. Hier kommt man zum Plaudern, Flanieren und abends auf einen "Tajut", erzählt Elisa.
"Tajut kommt von 'tai' und es ist ein friaulanisches Wort. Tajut bedeutet eigentlich geschnitten, das heißt ein Glas geschnitten, also ein halbes Glas."
Meistens ein Gläschen des roten, friaulanischen Terrano. Dazu gehört als festes Ritual auch immer eine kleine Leckerei, wie ein Grissino umwickelt mit dem berühmten Schinken aus dem nahen San Daniele.
Ein letzter Blick in unser Zauberröhrchen und wir sehen eine weiße Stadt am Meer. Ganz unten im Südosten, an der istrischen Küste, liegt Triest, die heutige Hauptstadt der Autonomen Region.
"Als Triest Freihafen geworden war, brauchten die Habsburger hier natürlich Kaufleute und sie wurden sehr tolerant vom religiösen Gesichtspunkt, weil sie also Leute aus dem ganzen Mittelmeerraum und aus ganz Europa brauchten, also für den Handel."
Anna Cadel kennt sich aus in der Geschichte ihrer Heimatstadt. Serben, Griechen, sephardische Juden - sie alle konnten hier ihre teilweise prächtigen Gotteshäuser erbauen.
1719 wurde Triest Freihafen des erblühenden Habsburgerreiches. Sein römischer Ursprung aber liegt auf dem Burgberg mit dem Castello San Giusto, der über der Stadt thront. Dort auf der großen Terrazza steht auch die Kathedrale mit Spolien antiker Bauten. Das Römische Forum war und ist gleich nebenan. In den 1930ern waren auf Befehl der Faschisten die dort stehenden Wohnhäuser abgerissen worden.
"Warum? Weil Triest war so lange eine österreichische Stadt gewesen, dass Mussolini das Bedürfnis spürte, zu demonstrieren, dass Triest eigentlich zu Italien gehörte. Und warum? Weil die Römer hier waren und die Stadt gegründet haben."
So ließ Mussolini auch das römische Amphitheater wieder freilegen, das zu Julius Caesars Zeiten noch direkt am Meer lag. Gegenüber steht heute die ehemalige Parteizentrale der Faschisten. In der Verfilmung eines der bekannten Kriminalromane des Wahl-Triesters Veit Heinichen dient der Bau als Polizeirevier seines Commissario Laurenti.
Literaten faszinierte die kosmopolitische Atmosphäre der Stadt schon immer. Ob Rainer Maria Rilke oder auch James Joyce, der zeitweise am Canal Grande im Zentrum des Theresienviertels wohnte.
"Er hat in einer Wohnung in diesem Palast an der Ecke gewohnt, nicht lange natürlich, aber seine zwei Kinder sind hier in Triest geboren worden. Lucia und Giorgio, also sie hatten italienische Namen."
Hier konzipierte er unter anderem sein bekanntestes Werk, den "Ulysses".
Den wohl schönsten Meeresplatz Europas findet man an der Hafenpromenade von Triest - die Piazza dell'Unitá d'Italia. Architektonischer Glanzpunkt der vergehenden Donau-Monarchie. Querseitig zur Adria das helle Rathaus mit seinem Uhrturm. An der Ecke zum Kai der Kreuzfahrtschiffe der Palazzo des Lloyd Triestino, gegenüber schimmern die goldenen Mosaiken des weißen Regierungspalastes in der Sonne. Daneben lädt das "Café degli Specchi" zu einem "Spritz" nach österreichischer Tradition ein, aus kühlem friaulanischen Weißwein, Sodawasser sowie Zitronenscheibe.
Damit möchten wir unser kleines Kaleidoskop von Friaul-Julisch Venetien beschließen.
Elisa Sabot stammt aus einem kleinen Ort nördlich von Udine, das im Herzen der autonomen Region Friuli-Venezia-Giulia liegt. Stellen wir uns ein Kaleidoskop von Friaul-Julisch-Venetien vor und schauen wir, was es an bunten Schätzen zu bieten hat.
Wir sehen eine lange Straße. Es ist die antike Via Julia Augusta. Von Norden kommend führt sie nach Udine und von dort schnurgerade durch eine trockengelegte Sumpfebene nach Aquileia.
"Wir sind in Aquileia. Früher, ab dem zweiten Jahrhundert vor Christus Hauptstadt der X. Römischen Region. Und hatte vor allem im zweiten Jahrhundert eine wesentliche Verteidigungsfunktion erfüllt. An der Grenze zu dieser Region waren die karnischen Kelten, aber auch die Istrier haben diese Region öfter bedroht."
Die Kunsthistorikerin Paola Alzetta führt durch die imposanten, aber immer noch spärlichen, römischen Ausgrabungen der einst bedeutenden Handelsstadt. Wenn auch in den 1920er-/30er-Jahren, forciert durch Mussolini, das Forum Romanum mit Säulenreihe, Reste der antiken Basilica und der Flusshafen freigelegt wurde.
Die Via Julia Augusta führte und führt direkt über den Cardus Maximus, die Nord-Süd-Hauptstraße des antiken Aquileia. Hier steht, weithin sichtbar, ein marmorweißes Grabdenkmal mit der kopflosen Statue eines hohen Beamten.
"Das Grabdenkmal ist von zwei Löwen bewacht, die eine symbolische Verteidigungsfunktion haben. Dieses Grabdenkmal wurde nicht hier gefunden, sondern an einer der Verbindungsstraßen. Die Römer hätten nie auf der Welt ein Grab, auch ein Grab von einer wichtigen Persönlichkeit, in der Stadt selber gebaut. Man findet auch sehr, sehr oft an den Gräbern Begrüßungsformeln, wie "Lebe wohl" oder "Gute Reise" und so weiter und sofort."
Wenige Schritte führen von dort zum zypressengesäumten, ehemaligen Hafen, der über den heutigen Badeort Grado mit der Adria verbunden war. Dahinter taucht dann auch schon der Campanile der frühchristlichen Basilika auf. Daneben das hohe, archaisch-anmutige Gotteshaus.
"Die heutige Basilika nennen wir die süd-theodorianische Aula. Der Bischof Theodor hatte kurz nach dem Edikt von Kaiser Konstantin den Bau dieser Basilika angefangen. Ursprünglich hatte man hier nicht nur die Südaula, sondern zwei parallele Aulen."
Die erste Kirche entsteht nach Konstantins Toleranzedikt von 314. Die letzten Umbauten erfolgen im 15. Jahrhundert. Vor rund einem Säkulum ist der Mosaikfußboden des ersten Baus wieder freigelegt worden.
Gläserne Laufstege führen heute über die einmalige Mischung aus römischer und frühchristlicher Mosaikkunst. Zehn durch Akanthusblätter unterteilte Mosaikteppiche sind es insgesamt. Der sogenannte "Meister der Meere" gestaltet die Geschichte von Jonas und dem Wal in einem Meer mit amüsant-naiven Oktopus, flunderartigen Fischen mit Kulleraugen und netzewerfenden, geflügelten Amorinen.
Drehen wir weiter an unserem magischen Guckrohr und wir landen in der kleinen Stadt Spilimbergo. Vor fast 1.000 Jahren an einer Furt des Flusses Tagliamento gegründet, ist es heute besonders stolz auf seine 1922 gegründete Scuola Mosaicisti del Friuli. Studenten aus 20 Nationen erhalten an dieser Schule eine Ausbildung zum Mosaikleger und Restaurator. Ob im Felsendom zu Jerusalem oder auf Kreuzfahrtschiffen, überall ist ihr Kunsthandwerk gefragt.
Direktor Alido Gerussi greift zu Spitzhammer, kleinem Meißel und zerteilt auf einem Holzblock schnell und mit erstaunenswerter Fingerfertigkeit harten Marmor in immer kleinere quadratische Steinchen. Kein Schlag geht daneben. Diese "tessera" ist die Basis für das Mosaik.
Der Direktor lässt die unterschiedlichen Steinsorten und die kostbaren farbigen oder mit Blattgold hinterlegten Murano-Glassteinchen durch seine Finger gleiten. Material in über 6.400 verschiedenen Farbtönen lagert in den Magazinen der Scuola. Alle Räume, selbst die Toiletten, haben die "Studenti" mit Mosaiken ausgeschmückt. Besucher herzlich willkommen!
Aus den Prismen unseres Friaul-Kaleidoskops ergibt sich schon wieder ein neues Bild. Piazza Diacono in Cividale del Friuli. Es wurde im ersten Jahrhundert vor Christus als "Forum Julii" von keinem geringeren als Julius Caesar persönlich gegründet. Heute liegt es nicht weit von der slowenischen Grenze im Osten der "Regione" und nennt sich stolz Langobardenstadt.
"Paolo Diacono war ein langobardischer Schriftsteller, der ein perfektes Latein gelernt hatte und hier auf diesem Platz wurde dieser Schriftsteller geboren. Das etwas mittelalterlich aussehende Haus dort mit den Spitzbögen ist das vermutete Geburtshaus."
Der erste Herzog der Langobarden, Alboin, erklärte im Jahr 568 Cividale del Friuli zur Hauptstadt seines Reiches, so Kunsthistorikerin Paola.
"Die waren ein Reitervolk und die waren ein Volk, das eigentlich keine richtige Architektur kannte. Ihre Spezialitäten waren die Waffen und der Schmuck. Die Gewohnheit dieser Reitervölker war es, immer das ganze Vermögen an sich zu tragen."
In Cividale nun wird man sesshaft und reich. Ratchis war einer der Herzöge dieses aus dem Norden eingewanderten Volkes.
"Der hatte diesen Altar als Erinnerung an seinen Vater machen lassen. Das ist eine total antiklassische Kunst. Es ist wirklich das Gegenteil von der römischen und griechischen Kunst."
Das sarkophargartige Kunstwerk ist mit Szenen aus dem Neuen Testament naiv anmutend und dennoch prächtig ausgestaltet. Das "Tempietto Langobardo" hoch oben am Steilufer des Natisone, ebenfalls UNESCO-Welterbe, gehört zum ehemaligen Kloster Santa Maria in Valle, einst Sitz des Langobardischen Hofes. Das sogenannte Tempelchen entstand wohl am Ende des neunten Jahrhunderts. Das hohe, tonnenartige Kirchlein mit seinen wundervollen Weinlaub- und Traubendekors erinnert an frühchristliche Höhlenkirchen im türkischen Kappadokien.
Von dem kleinen Park auf der anderen Seite des tief unten im Tal grün schimmernden Flusses hat man den besten Blick auf das Wahrzeichen von Cividale: Il Ponte del Diavolo, die Teufelsbrücke mit ihren zwei Bögen.
Wir wollen eine Brücke über den Natisone, sagten sich einst die Bewohner und fragten den Teufel um Rat. Tja, wie bloß, fragte auch der sich und geht zu seiner Gattin. Vielleicht hat sie ja eine Idee. Die Frau Teufel sitzt am Feuer. Als sie aufsteht, fällt eine schwarze Katze von ihrer Schürze und - schnurstraks in das Natisone-Tal. Beim Fallen verwandelt sich die Mietze in eine Stütze mitten im Wasser! Daraus wächst der Mittelpfeiler und fertig war die "Ponte del Diavolo.
Erneutes Schütteln des Kaleidoskops fördert gleich 18 weitere Teufel zu Tage. Und zwar im Herzen Friauls in Udine. Teufelsfratzen sind es, die die Konsolen der Barockbibliothek des Patriarchen Dolfin im heutigen Erzbischofspalast zieren:
"Es ist eine der größten, wertvollen Sammlungen Italiens. Und zwar der Patriarch hatte diese große Bibliothek, aber in dem Wissen steckt auch eine Gefahr. Die Teufel haben alle verschiedenartige Formen, weil man dadurch die Leute warnen will, passt auf, was ihr lest, die Teufel kommen immer in einer neuen, einer anderen Form auf."
Ein Aufruf zur Tugend, verschlüsselt in Holzdekor. Unter der Ägide der Patriarchen Dionisio und Daniele Dolfin erfährt das Palais seine endgültige Ausgestaltung durch zwei berühmte Venezianer, den Architekten Domenico Rossi und das damals junge Malergenie Tiepolo. Schon beim Ersteigen der von Rossi erbauten, mehrstöckigen Prunktreppe reckt man sich den Hals, um Giambattista Tiepolos üppig farbigen Engelssturz an der Decke zu bewundern. Vertrieben von Erzengel Michael, stürzen die bösen Engel aus den Wolken kopfüber Richtung Erde, als wären sie in die übelsten Turbulenzen geraten. Was sie ja auch sind, im übertragenen Sinne.
Seine Kunst der extremen Untersicht in gemalter Architektur wie figürlicher Darstellung zeigt auch das grandiose Deckengemälde vom "Urteil des Salomon" im Roten Saal.
"Da sieht man den Einfluss von Paolo Veronese. Wir sehen also den König Salomon und wir sehen daneben die berühmte Szene aus der Bibel. Auf der rechten Seite, rund um König Salomon, haben wir alle diese komischen, ein bisschen beunruhigenden Geschöpfe, die man damals auf den Höfen gefunden hat, auf dem Hofe der Gonzaga zum Beispiel in Mantua."
Ein Zwerg, ein Hund, der wie Spielzeug behandelt wird, ein extrem dicker Mann. Wie eine Operninszenierung entrollt sich vor uns der grausame Moment, in dem der Henker vor den Augen der guten und der bösen Mutter das Kind zerteilen soll.
Dass gleich zwei berühmte Venezianer hier in Udine arbeiteten, kommt nicht von ungefähr. Fast ein halbes Jahrtausend - seit der Spätgotik - war Udine unter der Herrschaft der Serenissima. Ganz venezianisch gibt sich denn auch die Piazza della Libertá am Fuße des Burgbergs.
Lieblingsplatz der Udineser aber ist ein anderer, die Piazza Matteotti oder auch Piazza San Giacomo.
"Das ist eine Kirche mit verdoppelter Fassade. Die Kirche hat auch eine Besonderheit, in der linken Fassade einen Balkon. Es war so, dass hier eine Unmenge Handelsleute ihre Läden hatten und sie waren schon fromme Leute, aber sie wollten aus keinem Grunde auf der Welt ihre Geschäfte verpassen und deshalb hatten sie eine Art Abkommen mit dem Pfarrer von der Kirche, damit der Pfarrer die Messe von dem Balkon sagte, damit es so diese Versöhnung zwischen weltlichen Aspekt und geistigen Aspekt stattfindet."
Der weltliche Aspekt wird besonders gern auf der Piazza Matteotti gepflegt, dem "Salone" der Udineser. Hier kommt man zum Plaudern, Flanieren und abends auf einen "Tajut", erzählt Elisa.
"Tajut kommt von 'tai' und es ist ein friaulanisches Wort. Tajut bedeutet eigentlich geschnitten, das heißt ein Glas geschnitten, also ein halbes Glas."
Meistens ein Gläschen des roten, friaulanischen Terrano. Dazu gehört als festes Ritual auch immer eine kleine Leckerei, wie ein Grissino umwickelt mit dem berühmten Schinken aus dem nahen San Daniele.
Ein letzter Blick in unser Zauberröhrchen und wir sehen eine weiße Stadt am Meer. Ganz unten im Südosten, an der istrischen Küste, liegt Triest, die heutige Hauptstadt der Autonomen Region.
"Als Triest Freihafen geworden war, brauchten die Habsburger hier natürlich Kaufleute und sie wurden sehr tolerant vom religiösen Gesichtspunkt, weil sie also Leute aus dem ganzen Mittelmeerraum und aus ganz Europa brauchten, also für den Handel."
Anna Cadel kennt sich aus in der Geschichte ihrer Heimatstadt. Serben, Griechen, sephardische Juden - sie alle konnten hier ihre teilweise prächtigen Gotteshäuser erbauen.
1719 wurde Triest Freihafen des erblühenden Habsburgerreiches. Sein römischer Ursprung aber liegt auf dem Burgberg mit dem Castello San Giusto, der über der Stadt thront. Dort auf der großen Terrazza steht auch die Kathedrale mit Spolien antiker Bauten. Das Römische Forum war und ist gleich nebenan. In den 1930ern waren auf Befehl der Faschisten die dort stehenden Wohnhäuser abgerissen worden.
"Warum? Weil Triest war so lange eine österreichische Stadt gewesen, dass Mussolini das Bedürfnis spürte, zu demonstrieren, dass Triest eigentlich zu Italien gehörte. Und warum? Weil die Römer hier waren und die Stadt gegründet haben."
So ließ Mussolini auch das römische Amphitheater wieder freilegen, das zu Julius Caesars Zeiten noch direkt am Meer lag. Gegenüber steht heute die ehemalige Parteizentrale der Faschisten. In der Verfilmung eines der bekannten Kriminalromane des Wahl-Triesters Veit Heinichen dient der Bau als Polizeirevier seines Commissario Laurenti.
Literaten faszinierte die kosmopolitische Atmosphäre der Stadt schon immer. Ob Rainer Maria Rilke oder auch James Joyce, der zeitweise am Canal Grande im Zentrum des Theresienviertels wohnte.
"Er hat in einer Wohnung in diesem Palast an der Ecke gewohnt, nicht lange natürlich, aber seine zwei Kinder sind hier in Triest geboren worden. Lucia und Giorgio, also sie hatten italienische Namen."
Hier konzipierte er unter anderem sein bekanntestes Werk, den "Ulysses".
Den wohl schönsten Meeresplatz Europas findet man an der Hafenpromenade von Triest - die Piazza dell'Unitá d'Italia. Architektonischer Glanzpunkt der vergehenden Donau-Monarchie. Querseitig zur Adria das helle Rathaus mit seinem Uhrturm. An der Ecke zum Kai der Kreuzfahrtschiffe der Palazzo des Lloyd Triestino, gegenüber schimmern die goldenen Mosaiken des weißen Regierungspalastes in der Sonne. Daneben lädt das "Café degli Specchi" zu einem "Spritz" nach österreichischer Tradition ein, aus kühlem friaulanischen Weißwein, Sodawasser sowie Zitronenscheibe.
Damit möchten wir unser kleines Kaleidoskop von Friaul-Julisch Venetien beschließen.
