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Römische Schattenseiten

Vor einem Jahr begannen in Frankreich die so genannten Vorstadtunruhen. Hohe Arbeitslosigkeit, Diskriminierung und sozialer Abstieg treiben aber nicht nur Jugendliche in Paris in die Gewalt, sondern auch in den Vororten von Rom. Alexandra Barone berichtet.

27.10.2006
    Italienisch ist schon lange nicht mehr die einzige Sprache, die in Rom gesprochen wird. Während im Zentrum Japanisch und Amerikanisch vorherrschen, werden in den Vororten auch Rumänisch, Polnisch und Indisch gesprochen. In Rom sind allein im Jahr 2004 rund 291.000 Einwanderer registriert worden, so das Innenministerium. Mehr als 80 Prozent von ihnen wohnen in den Vororten. Der Stadtteil Trullo ist nur ein Beispiel. Caterina Della Morte ist dort geboren. Sie wohnt in einer der vielen Sozialwohnungen und erklärt:

    "Es gibt sehr viele Einwanderer. Nicht dass ich als Rassist dastehen möchte, aber viele von ihnen betrinken sich und belästigen dann die Leute. Außerdem gibt es auch das Phänomen der Bandenkriege. Viele der Einwanderer wollen ein Stück vom Kuchen. Die ansässigen italienischen Kriminellen wiederum lassen sich nichts bieten, und es kommt zu Schießereien, so wie es jetzt der Fall war."

    Nicht weit von Caterinas Zuhause wohnt Paolo Lugni. Er ist Präsident des Stadtteilkomitees Trullo und arbeitet auch als Sozialarbeiter in seinem Vorort.

    "Es kommen zwei Typen von Einwanderern in die Vororte: Die einen wollen sich verstecken. In den Vororten wird weniger kontrolliert als im Zentrum. Die andere Typologie von Einwanderern sind die Arbeiter, die sich nur den Vorort als Wohnort leisten können."

    Seine Wunderwaffe gegen Gewalt und Diskriminierung ist die Integration der Einwanderer. Mit seinen Sozialarbeitern geht er vor allem in die Schulen, um bereits bei den Kindern die Idee der Andersartigkeit zu bekämpfen. Bei den Jugendlichen sieht er folgende Probleme:

    "Sie leben in Vierteln, die oft völlig vernachlässigt und trist sind. Auf eine Straße, die sauber ist, werfe ich nicht so einfach meinen Abfall. Wenn die Straße allerdings bereits schmutzig ist, passe ich nicht auf. Was wir Vororte brauchen, ist eine Wiederaufwertung."

    Der Gedanke Lugnis ist klar: Wo es bereits Kriminalität gibt, fällt ein kleiner Diebstahl nicht weiter auf. Dante Pomponi ist sich der Problematik der Vororte Roms bewusst. Der Assessor der Stadt Rom glaubt zwar nicht, dass es in Rom zu Ausschreitungen wie in Paris kommen kann, aber:

    "Die Behauptung, die Probleme der römischen Vororte sind gelöst, ist falsch. Aber wir haben ein Konzept, das wir gerade hier anwenden - auch um uns von den Pariser Banlieues zu unterscheiden: nämlich die Partizipation, die Miteinbeziehung der Männer, Frauen und Jugendlichen bei Projekten, so dass sie selber über ihre Zukunft entscheiden können."

    Eines der aktuellen Projekte der Stadt betrifft den Vorort Corviale, wo kilometerlange Plattenbauten eine Trostlosigkeit vermitteln, die auch auf die Zukunftspläne der Jugendlichen zu färben scheint. Über 22 Millionen Euro hat der Staat investiert, um dort kleinere Geschäfte, oft von Italienern und Einwandern geleitet, anzusiedeln. Doch das alleine genügt nicht, so Caterina.

    "Was die Kultur betrifft, gibt es hier Null. Das einzige hier ist ein Sozialzentrum, der Far". Dort werden manchmal Events organisiert. Schwimmbäder oder Sportplätze gibt es hier nicht. Da muss man schon aus dem Trullo hinaus gehen."