Archiv


Röntgenlaser für Biomoleküle

Autor: Mathias Schulenburg

    Physik. - Seit es Laser gibt, träumen die Kristallographen von einem, der in dem von ihnen genutzten Wellenlängenbereich leuchtet: im Bereich eines Angstroms also, dem zehnmillionsten Teil eines Millimeters. So kurzwelliges Licht - allgemein unter der Bezeichnung "Röntgenlicht" bekannt - wird von den atomaren oder molekularen Gittern eines Kristalls gebeugt, und aus dem Beugungsmuster lässt sich die atomare Struktur des Kristalls ermitteln. Kohärentes, aus einem Laser stammendes Röntgenlicht würde den größten Teil der dabei auftretenden Schwierigkeiten beheben und die Kristallstrukturbestimmung drastisch beschleunigen. Ein solcher Röntgenlaser wird jetzt bei DESY in Hamburg realisiert.

    Die zur Zeit noch besten Röntgenlichtquellen, sagt Professor Jochen Schneider, beim Deutschen Elektronen Synchrotron DESY in Hamburg Leiter der Hochenergiephotonen-Gruppe, sind die Synchrotrons, in denen kleine Elektronenpakete auf Geschwindigkeiten nahe Licht beschleunigt werden, ...

    ... die bewegen sich durch eine Magnetstruktur und führen so eine schwingende Bewegung durch und senden dabei Licht aus. Das ist, was wir kennen. Für den Laser muss man einen Mechanismus finden, wo es einem gelingt, die an sich homogene Verteilung der Elektronen in einem solchen Paket zu strukturieren. Eine Dichteschwankung dort herzustellen mit einer Periode, die identisch ist mit einer Periode des Lichtes, was man erzeugen will. Und das geht Dank neuer Entwicklungen in der Beschleunigerphysik - hier bei DESY wird das halt intensiv betrieben - auch für Zwecke der Teilchenphysik. Da hat man jetzt Elektronenquellen gefunden und Beschleuniger entwickelt, die solche Elektronenpakete produzieren können. Damit kann man in sehr langen und präzise hergestellten Magnetstrukturen diesen Prozess der Strukturierung der Ladungsdichte durchführen, und wenn man das hat, dann lasert der.

    Zu Beginn des Projektes war keineswegs klar, ob die für den Röntgenlaser vorgesehenen Komponenten den darin auftretenden hohen Leistungen standhalten würden:

    Wir sind so richtig froh, dass das funktioniert. Es zeigt, dass man mit diesen extrem starken Lichtblitzen überhaupt experimentieren kann, dass nicht alles verbrennt. Beispielsweise braucht man Spiegel, um den Strahl zu fokussieren. Am Anfang haben alle gedacht, mein Gott, die Spiegel werden alle verdampfen oder was. Tun sie aber nicht! Also es ist alles sehr schön, es funktioniert.

    Röntgenlaser werden nicht nur die Kristallstrukturanalyse drastisch vereinfachen, sie werden auch die Untersuchung von Substanzen ermöglichen, in denen im Normalfall Gruppen von Atomen in Bewegung sind. In einem Kristall mit zahllosen Molekülen wird mit den herkömmlichen Röntgenlichtquellen nur die zeitlich gemittelte Position solcher Gruppen erkannt; der ultrakurze Röntgenlaserblitz aber kann an einzelnen Molekülen einzelne Bewegungsphasen festhalten. Schneider:

    Wenn Sie so biomolekulare Strukturen nehmen, und es den Leuten gelungen ist, Kristalle herzustellen, dann, glaube ich, wird man diese Methoden, die heute so erfolgreich sind, auch weiterhin in der Zukunft benutzen. Es gibt aber viele Moleküle, Membranmoleküle etwa, die in der Zelle eine ganz wesentliche Rolle spielen, die sich bisher überhaupt nicht kristallisieren lassen. Jetzt hofft man, und mit Massenspektrometern kann man das, dass man einzelne von diesen Molekülen präpariert, die, wenn Sie so wollen, in einen winzigen Wassertropfen eingebettet herunterfallen, und mit einem Lichtblitz von einem Laser kann man dieses eine Molekül abbilden, weil der Laser kohärent ist. Das heißt, er hat die richtige Wellenlänge, ist kohärent und ist in seiner Pulslänge so kurz, dass Sie nur einen Zustand mitkriegen. Da verwäscht sich nichts mehr, da mittelt sich nichts mehr, und dann machen Sie viele Bilder und kriegen viele Zustände, die man in der Regel zu einem Gesamtbild rekonstruieren kann.

    Mit dem Röntgenlaser - hoffen die Beteiligten - wird man, wenigstens zum Teil, auch den intimsten Geheimnissen der Chemie auf die Spur kommen; was etwa die Elektronenwolken nun genau machen, wenn zwei Atome eine Bindung eingehen. Für die Zukunft kann Schneider sich vorstellen:

    Man wird nicht nur die Bewegung der Atome abbilden können wie in einer stroboskopischen Aufnahme, sondern man hofft sogar, etwas über die elektronischen Zustände und deren Zeitverhalten zu lernen. Und das ist alles ganz neu.