Alarmstimmung in der Wasserstraße. Meuternde Parteifreunde und schlechte Umfragewerte sind das eine – doch dann heulen auch noch die Warnsirenen im Düsseldorfer Regierungsviertel – just in dem Moment, als Norbert Röttgen zu sprechen beginnt:
"(Röttgen über Sirenen) Ich möchte zwei ... (schmunzelt), ja – Begleitung ist sichergestellt! – ich möchte zwei Anmerkungen dazu machen, einmal zur Person, dann noch mal zum Ressort."
Eine quälend lange Minute geht das so. Reihum blickt Röttgen vor der himmelblauen CDU-Wand auf zuckende Mundwinkel: Wegen all der Sirenen-Symbolik können die Anwesenden im Pressesaal der CDU-Parteizentrale ein Grinsen nur mühsam unterdrücken. Dann: endlich Ruhe.
"Ich halte die Bildung eines Energie- und Klimaministeriums im Energieland Nordrhein-Westfalen für zwingend geboten. Und für einen – wenn es dazu kommt – wirklich bedeutsamen Fortschritt."
"Wenn es dazu kommt" – so schleicht sich der Zweifel inzwischen in Röttgens eigene Worte. Dabei wollte der Kandidat an diesem Morgen endlich Boden gut machen und für eine bessere, schnellere, effizientere Energiepolitik werben. Sein Thema. Doch selbst da erntet er Kritik. Die Industrie nörgelt an Röttgens Energiewende herum. Außerdem solle sich der Minister "ganz schnell" zwischen Berlin und Düsseldorf entscheiden. Sei es drum: Nordrhein-Westfalen soll jetzt Energieland Nummer eins werden. Mit einem eigens zugeschnittenem Ministerium für die angesehene und talkshow-erprobte Klimaexpertin Claudia Kemfert:
"Ich bin parteilos und bleibe dies auch."
Außer Professor Kemfert ist bisher keine Wunderwaffe im Schattenkabinett dabei. Stattdessen Röttgens Kölner Parteifreundin Ursula Heinen-Esser. Sie soll Europaministerin werden. Die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium ist dem gemeinen Wähler in NRW aber gänzlich unbekannt. Personalie Nummer Zwei: Karl Josef Laumann. Als Sozialpolitiker bundesweit anerkannt, ist er als bisheriger Düsseldorfer Fraktionschef eher blass geblieben, muss aber versorgt werden, zumal er ein beliebtes Schwergewicht in der Landespartei ist. Laumann soll – wie schon unter Jürgen Rüttgers – das Arbeitsressort übernehmen.
"Jeder von Ihnen weiß ja, dass ich schrecklich gerne Arbeitsminister in Nordrhein-Westfalen war."
Anders Friedrich Merz. Der reicht Röttgen nur den kleinen Finger. Als Kommissionsleiter für eine andere Industriepolitik geht er in die Bütt, aber für ein Ministeramt im Schattenkabinett reicht sein Glaube an einen Wahlsieg der CDU offenbar nicht. Ähnlich wie bei den Personalien strauchelt Norbert Röttgen auch bei den Themen und riskiert seine Glaubwürdigkeit. Überraschend kündigte er diese Woche an, die Studien- und Kitagebühren für das dritte Kindergartenjahr nicht wieder einführen zu wollen. Genau das hatte die CDU zuvor aber mehrfach durchgerechnet, um den Landeshaushalt zu sanieren. Überhaupt dreht Norbert Röttgen beim Thema Schulden momentan ständig Pirouetten. Noch am Dienstag hieß es:
"Also, wir lassen uns nicht vorwerfen, wir machen hier ein Spardiktat, Gürtel enger schnallen."
Sondern allein durch Wachstum solle der Landeshaushalt wieder gedeihen. Nur einen Tag später wurde der Kandidat dann aber derartig gelöchert, wie er denn die Schulden ohne Einsparungen abbauen wolle, dass er nun einen Stellenabbau ankündigt:
"Die Verwaltung kann nicht immer weiter wachsen, bei schrumpfender Bevölkerung, sondern wir brauchen eine Aufgabenkritik und darum muss Aufgabenkonzentration einhergehen auch mit einer Einsparung von Stellen. Bei 440.000 Beschäftigten ist das, glaube ich, möglich."
Landesvertreterversammlung Mittwochabend in Mülheim. Die NRW-CDU klatscht sich in Stimmung. Und Norbert Röttgen redet sich in Rage. Das Landesväterliche liegt ihm normalerweise nicht so, heute aber greift er zu ungewohnt volksnahem Vokabular:
"Welch ein Quatsch, die Schulden von heute sind die Steuern von morgen. Die Schulden von heute sind die Zinslasten für die nächste Generation – das ist doch die Wahrheit, wir aussprechen müssen."
Solcher Applaus gehört zu jedem Wahlkampfparteitag dazu. Gerade, weil das Echo in- und außerhalb der Partei auf Norbert Röttgens verkorksten Wahlkampfbeginn so verheerend ist, wollen und müssen die Delegierten ein Zeichen setzen. Artig stimmen sie also mit 96,4 Prozent für ihren Spitzenkandidaten. Sie haben keine Wahl, einen Gegenkandidaten gibt es nicht. Als die Auszählung läuft, eine kurze Nachfrage zwischen den Tischreihen. Die Delegierten: bemüht euphorisch – leicht ermüdet – oder reichlich gereizt:
"Doch, sicherlich, hab ich doch eben gesagt! War ein guter Startschuss. Und für die Leute, die hier im Saal dabei gewesen sind, die haben sicherlich einen Schub mit für den Wahlkampf genommen. Also, er will ja da gewinnen. Und ich denke, da will er sich jetzt erst mal auf dieses Ziel richten, nicht?"
Bleibt die Sache mit der Meuterei am Mittelrhein. Per SMS hatte Röttgens eigener Bezirksverband zum Boykott der Kandidatenliste für die Landtagswahl aufgerufen. Man fühlte sich übergangen. Offiziell fällt darüber kein Wort in Mülheim. Also spricht Christian Möbius, selbst Delegierter vom Mittelrhein, aus, was viele auf diesem Parteitag denken:
"Also, es ist Tatsache, dass der Bezirk Mittelrhein sich nicht so wiedergefunden hat auf der Landesliste, wie das auf dem Bezirksparteitag einstimmig beschlossen worden ist. Und von daher ist der Unmut berechtigt. Und den teile ich auch."
"(Röttgen über Sirenen) Ich möchte zwei ... (schmunzelt), ja – Begleitung ist sichergestellt! – ich möchte zwei Anmerkungen dazu machen, einmal zur Person, dann noch mal zum Ressort."
Eine quälend lange Minute geht das so. Reihum blickt Röttgen vor der himmelblauen CDU-Wand auf zuckende Mundwinkel: Wegen all der Sirenen-Symbolik können die Anwesenden im Pressesaal der CDU-Parteizentrale ein Grinsen nur mühsam unterdrücken. Dann: endlich Ruhe.
"Ich halte die Bildung eines Energie- und Klimaministeriums im Energieland Nordrhein-Westfalen für zwingend geboten. Und für einen – wenn es dazu kommt – wirklich bedeutsamen Fortschritt."
"Wenn es dazu kommt" – so schleicht sich der Zweifel inzwischen in Röttgens eigene Worte. Dabei wollte der Kandidat an diesem Morgen endlich Boden gut machen und für eine bessere, schnellere, effizientere Energiepolitik werben. Sein Thema. Doch selbst da erntet er Kritik. Die Industrie nörgelt an Röttgens Energiewende herum. Außerdem solle sich der Minister "ganz schnell" zwischen Berlin und Düsseldorf entscheiden. Sei es drum: Nordrhein-Westfalen soll jetzt Energieland Nummer eins werden. Mit einem eigens zugeschnittenem Ministerium für die angesehene und talkshow-erprobte Klimaexpertin Claudia Kemfert:
"Ich bin parteilos und bleibe dies auch."
Außer Professor Kemfert ist bisher keine Wunderwaffe im Schattenkabinett dabei. Stattdessen Röttgens Kölner Parteifreundin Ursula Heinen-Esser. Sie soll Europaministerin werden. Die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium ist dem gemeinen Wähler in NRW aber gänzlich unbekannt. Personalie Nummer Zwei: Karl Josef Laumann. Als Sozialpolitiker bundesweit anerkannt, ist er als bisheriger Düsseldorfer Fraktionschef eher blass geblieben, muss aber versorgt werden, zumal er ein beliebtes Schwergewicht in der Landespartei ist. Laumann soll – wie schon unter Jürgen Rüttgers – das Arbeitsressort übernehmen.
"Jeder von Ihnen weiß ja, dass ich schrecklich gerne Arbeitsminister in Nordrhein-Westfalen war."
Anders Friedrich Merz. Der reicht Röttgen nur den kleinen Finger. Als Kommissionsleiter für eine andere Industriepolitik geht er in die Bütt, aber für ein Ministeramt im Schattenkabinett reicht sein Glaube an einen Wahlsieg der CDU offenbar nicht. Ähnlich wie bei den Personalien strauchelt Norbert Röttgen auch bei den Themen und riskiert seine Glaubwürdigkeit. Überraschend kündigte er diese Woche an, die Studien- und Kitagebühren für das dritte Kindergartenjahr nicht wieder einführen zu wollen. Genau das hatte die CDU zuvor aber mehrfach durchgerechnet, um den Landeshaushalt zu sanieren. Überhaupt dreht Norbert Röttgen beim Thema Schulden momentan ständig Pirouetten. Noch am Dienstag hieß es:
"Also, wir lassen uns nicht vorwerfen, wir machen hier ein Spardiktat, Gürtel enger schnallen."
Sondern allein durch Wachstum solle der Landeshaushalt wieder gedeihen. Nur einen Tag später wurde der Kandidat dann aber derartig gelöchert, wie er denn die Schulden ohne Einsparungen abbauen wolle, dass er nun einen Stellenabbau ankündigt:
"Die Verwaltung kann nicht immer weiter wachsen, bei schrumpfender Bevölkerung, sondern wir brauchen eine Aufgabenkritik und darum muss Aufgabenkonzentration einhergehen auch mit einer Einsparung von Stellen. Bei 440.000 Beschäftigten ist das, glaube ich, möglich."
Landesvertreterversammlung Mittwochabend in Mülheim. Die NRW-CDU klatscht sich in Stimmung. Und Norbert Röttgen redet sich in Rage. Das Landesväterliche liegt ihm normalerweise nicht so, heute aber greift er zu ungewohnt volksnahem Vokabular:
"Welch ein Quatsch, die Schulden von heute sind die Steuern von morgen. Die Schulden von heute sind die Zinslasten für die nächste Generation – das ist doch die Wahrheit, wir aussprechen müssen."
Solcher Applaus gehört zu jedem Wahlkampfparteitag dazu. Gerade, weil das Echo in- und außerhalb der Partei auf Norbert Röttgens verkorksten Wahlkampfbeginn so verheerend ist, wollen und müssen die Delegierten ein Zeichen setzen. Artig stimmen sie also mit 96,4 Prozent für ihren Spitzenkandidaten. Sie haben keine Wahl, einen Gegenkandidaten gibt es nicht. Als die Auszählung läuft, eine kurze Nachfrage zwischen den Tischreihen. Die Delegierten: bemüht euphorisch – leicht ermüdet – oder reichlich gereizt:
"Doch, sicherlich, hab ich doch eben gesagt! War ein guter Startschuss. Und für die Leute, die hier im Saal dabei gewesen sind, die haben sicherlich einen Schub mit für den Wahlkampf genommen. Also, er will ja da gewinnen. Und ich denke, da will er sich jetzt erst mal auf dieses Ziel richten, nicht?"
Bleibt die Sache mit der Meuterei am Mittelrhein. Per SMS hatte Röttgens eigener Bezirksverband zum Boykott der Kandidatenliste für die Landtagswahl aufgerufen. Man fühlte sich übergangen. Offiziell fällt darüber kein Wort in Mülheim. Also spricht Christian Möbius, selbst Delegierter vom Mittelrhein, aus, was viele auf diesem Parteitag denken:
"Also, es ist Tatsache, dass der Bezirk Mittelrhein sich nicht so wiedergefunden hat auf der Landesliste, wie das auf dem Bezirksparteitag einstimmig beschlossen worden ist. Und von daher ist der Unmut berechtigt. Und den teile ich auch."