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Rogowski: Strukturreformen müssen Steuersenkung vorangehen

Spengler: Gestern war in Berlin das seltene Schauspiel parteiübergreifender Harmonie zu beobachten. Als letzte im Bunde schwenkte die Union um ins Lager der Steuersenker. Rot-Grün hatte am Wochenende beschlossen, die letzte Stufe der Steuerreform um ein Jahr auf Anfang 2004 vorzuziehen. Die FDP bekundete sogleich ihre staatspolitische Verantwortung und sprach sich ebenfalls dafür aus und da wollten Angela Merkel und Edmund Stoiber auch nicht mehr als Blockierer dastehen. Sie boten der Regierung Zusammenarbeit an, auch wenn manche im Unionslager, etwa der Hesse Roland Koch, noch dagegen sind. Am Telefon begrüße ich nun den Präsidenten des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Michael Rogowski. Guten Morgen!

    Rogowski: Guten Morgen Herr Spengler.

    Spengler: Wagen Sie es, Herr Rogowski, das Bild der Harmonie zu stören und wie vor einer Woche noch die Steuersenkungen auf Pump abzulehnen?

    Rogowski: Natürlich lehnt keiner von uns Steuersenkungen ab. Das haben wir auch nie getan. Im Gegenteil: wir freuen uns über jede Steuersenkung, aber nur wenn sie wirklich solide gegenfinanziert ist. Es kann nicht sein, dass wir jetzt auf Pump neue Steuersenkungen machen oder dass andere Steuern erhöht werden, um vordergründig Steuersenkungen durchzuführen.

    Spengler: Aber so wird es offenbar kommen, wenn ich Herrn Schröder und Herrn Stoiber richtig verstanden habe. Nicht auf Pump nur, aber doch auch auf Pump.

    Rogowski: Ja und das halten wir für falsch. Das habe ich von Anfang an für falsch gehalten, das haben wir auch der Regierung gesagt und ich finde, man sollte einmal bei seiner Linie bleiben, wenn man sie für vernünftig erachtet. Es hat doch keinen Sinn, dass wir heute die Steuern senken und auf der anderen Seite machen wir neue Schulden. Deutschland hat von Schulden schon so viel, dass wir das alles doch nur auf unseren Kindern abladen. Irgendwann muss das doch bezahlt werden und das glaubt letztlich ja auch keiner. Interessanterweise hat eine Umfrage ergeben, dass über 50 Prozent der Bürger dagegen sind, Steuersenkungen auf Pump zu machen.

    Spengler: Hat Roland Koch Recht wenn er sagt erst Strukturreform, also mehr Wochenarbeitszeit, Einführung eines Niedriglohnsektors, Krankenkassenkonkurrenz, dann erst Steuersenkungen?

    Rogowski: Da hat er völlig Recht. Das ist nämlich das Kernproblem. Wir brauchen die Reformen und darüber wird jetzt schon ein dreiviertel Jahr geredet. Wir haben alle die Agenda 2010 begrüßt. Die muss jetzt als erstes mal angegangen und wirklich konkret umgesetzt werden. Wenn in dem Zusammenhang Ausgabensenkungen vorgenommen werden, die es tatsächlich ermöglichen, die Steuersenkung vorzuziehen, dann ist das in Ordnung, aber nur dann.

    Spengler: Was wäre denn schlimmer, Steuersenkungen ohne diese Strukturreformen vorher oder weiter monatelange Debatten über Strukturreformen und später dann irgendwann mal die Senkungen?

    Rogowski: Das schlimmste ist, wenn wir gar nichts tun. Da haben Sie natürlich völlig Recht. Aber das falsche tun, das kann noch schlimmer sein. Deshalb sage ich: tut das richtige und das zuerst. Das sind die Strukturreformen. Dem können dann Steuersenkungen durchaus folgen. Wir brauchen weitere Steuersenkungen. Die Steuerbelastung in Deutschland ist immer noch zu hoch, auch nach der Steuerreform, die im Jahre 2005 spätestens platzgreifen soll.

    Spengler: Strukturreform ist ein anderes Wort für Sparen oder Ausgabenkürzungen?

    Rogowski: So ist es! Wir müssen endlich an die Ausgaben heran. Deutschland ist ein reiches Land. Es gibt aber sein Geld falsch aus. Wer ein Drittel seines Sozialproduktes für soziale Leistungen ausgibt, das sind ja Hunderte von Milliarden Euro, der muss an die Ausgaben herangehen. Wir müssen an die Subventionen herangehen. Wir müssen an die Ausgaben des öffentlichen Dienstes herangehen, an die Personalkosten. Wir müssen an die Renten ran. Die Themen liegen alle auf dem Tisch. Nur es wird fortgesetzt geredet, anstatt dass endlich gehandelt wird.

    Spengler: Das heißt die deutsche Industrie ist bereit, dass auch die Beihilfen für sie selbst, also für die Werften, für die Dienstwagen, wegfallen?

    Rogowski: Die Dienstwagen sind eine Geschichte, über die kann man eigentlich nicht streiten, denn die Dienstwagen sind keine Subvention. Die deutsche Industrie ist aber absolut bereit, Subventionskürzungen hinzunehmen, und da gibt es viele. Wir müssten uns vielleicht darüber unterhalten, was alles Subvention ist, aber wenn wir dort ansetzen, was die Regierung selbst für Subventionen hält, sind wir durchaus bereit, Kürzungen hinzunehmen. Ich schlage noch einmal vor: Rasenmäher, alle Subventionen um 10% kürzen und das mehrmals über mehrere Jahre hinweg und dann ein Subventionsbegrenzungsgesetz, dass irgendwann Schluss ist, wenn Subventionen gemacht werden. Manchmal können die ja sinnvoll sein, wenn sie dazu dienen, etwas Neues aufzubauen, aber die haben so die komische Eigenschaft, heute eingeführt und nie mehr abgeschafft.

    Spengler: Rasenmäher deshalb, weil Sie auch selbst gerade eben gesagt haben, Dienstwagen na ja, das ist natürlich keine Subvention, also weil dann der Streit darum wieder fortgesetzt wird, was ist eigentlich eine Subvention?

    Rogowski: Der Streit wird natürlich immer stattfinden. Es gibt aber einen Subventionsbericht der Bundesregierung. Dort stehen die Dienstwagen nicht drin. Also ist es zunächst mal auch keine Subvention. Es gibt weitergehende Definitionen dessen, was Subvention ist. Darüber wird man sicherlich streiten können, streiten müssen. Aber nehmen wir doch einfach mal die, die auch im Subventionsbericht der Bundesregierung stehen. Das sind immerhin runde 60 Milliarden im Jahr. Wenn wir die regelmäßig kürzen, dann haben wir schon etwas erreicht.

    Spengler: Ich möchte noch auf ein zweites Thema zu sprechen kommen. Sie treffen heute den Bundeskanzler, Herr Rogowski, auf einer Tagung der Initiative Freiheit und Verantwortung. Mit dieser Initiative wollen die Spitzenorganisationen der Wirtschaft gesellschaftliches Engagement von Unternehmen fördern. Wie Bürger auch hätten die Betriebe Rechte und Pflichten. Welche Rechte und Pflichten meinen Sie denn?

    Rogowski: Natürlich. Übrigens muss man wissen, dass sich deutsche Unternehmen gesellschaftlich engagieren in einem Maß, was höher als das ist, was wir aus anderen Ländern kennen. Viele Unternehmer engagieren sich in der Gesellschaft, für die Gesellschaft. Die Firma, der ich angehöre, hat vor kurzem eine Kindertagesstätte gebaut und gemeinsam mit der Stadt wird diese betrieben, auch maßgeblich getragen von der Firma selbst. Es gibt viele Unternehmen, die spenden für alle möglichen sozialen und kulturellen Zwecke. Es gibt Unternehmer, die engagieren sich in Vereinen, die engagieren sich in der Politik. All das ist gesellschaftliches Engagement. Ich bin Unternehmer und zugleich BDI-Präsident, gratis wenn Sie so wollen. Das ist ja auch ein gesellschaftliches Engagement. Das ist also ein weites Feld. Wir bilden aus. Wir bilden häufig über unseren Bedarf hinaus aus. Auch das ist gesellschaftliches Engagement. All das fordere ich, aber ich sage hinzu: es müssen auch die Rahmenbedingungen in Deutschland so sein, dass das gesellschaftliche Engagement nicht erschwert, sondern begünstigt wird. Dies beginnt mit den Rahmenbedingungen. Wer von uns Ausbildungsvergütungen fordert, die so hoch sind, dass sie von vielen Unternehmen nicht bezahlt werden können, der braucht sich nicht wundern, dass diese Unternehmen nicht ausbilden. Wer von uns verlangt oder erwartet, dass wir uns mit Spenden und ähnlichem mehr in die Gesellschaft einbringen, der muss dafür sorgen, dass die steuerlichen Belastungen und die sonstigen Belastungen für Unternehmer in Deutschland nicht so hoch sind, dass kein Geld mehr übrig bleibt.

    Spengler: Herr Rogowski, nun sind innerhalb der Betriebe in den letzten Jahrzehnten ja viele soziale Einrichtungen erst mal abgeschafft worden, also zum Beispiel Betriebskindergärten, die sie nun als Kindertagesstätte wieder aufmachen. Bedauern Sie das eigentlich?

    Rogowski: So viele soziale Leistungen sind gar nicht abgeschafft worden. Viele soziale Leistungen, freiwillige Leistungen sind inzwischen Bestandteil von tariflichen und zum Teil auch gesetzlichen Regelungen geworden. Das muss man als erstes sehen. Zweitens bin ich immer dafür, dass sich Unternehmen in die Gesellschaft einbringen, dass sie nicht nur an den Shareholder-Value, sondern auch an den gesellschaftlichen Wert denken. Sie sind ja Teil dieser Gesellschaft. Ich sage aber noch einmal: es muss auch so sein in unserer Gesellschaft, dass das anerkannt wird und dass die Bedingungen dafür gegeben sind.

    Spengler: Danke Ihnen für das Gespräch! - Das war der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Michael Rogowski.

    Link: Interview als RealAudio