Kein Zweifel, das kann sie. Das kann sie sogar ungeheuer gut. Zu Recht wurde Diana Damrau an den großen Opernbühnen der Welt für ihre Königin der Nacht gefeiert, zuletzt an der New Yorker Met. Und so gibt es keine stimmlichen oder technischen Gründe, warum sie die Partie abgegeben hat. Sie wollte einfach damit aufhören, bevor sie schlechte Erfahrungen mit ihrer Paraderolle machen muss. Und so sind die beiden Arien der Königin auf ihrer neuen CD eine Art Abschiedsgeschenk und fallen ein wenig heraus aus der restlichen Auswahl. Die wird dominiert von den Mozart-Zeitgenossen Antonio Salieri und Vincenzo Righini, ergänzt durch eine Konzertarie von Mozart und einer Arie aus dessen Frühwerk "Lucio Silla".
Alle diese italienischen Arien sind ästhetisch der Tradition der Opera seria verpflichtet, die Ende des 18. Jahrhunderts bereits ein wenig altmodisch war. Righini, Salieri und vor allem natürlich Mozart beherrschten jedoch alle Tricks und Kniffe der musikalischen Rhetorik ihrer Zeit, und Diana Damrau beherrscht sie auch. Noch wichtiger als in den virtuosen Rachearien ist das in den verhaltenen Trauer- oder Schattenarien, wie in "Ombra dolente" aus Vincenzo Righinis "Il natal d'Apollo".
Diana Damrau wird begleitet vom französischen Originalklangensemble "Le Cercle de l'Harmonie" unter dem Dirigenten Jérémie Rhorer. Rhorer und Damrau sind ungefähr gleich alt, sie ist 36, er 34. Beide sind aufgewachsen mit den Erkenntnissen der Alte-Musik-Bewegung und setzen sie so selbstverständlich um, als hätte es nie etwas anderes gegeben. Rhorer war Assistent bei William Christie und Marc Minkowski, hat deren Produktionen vom Festival in Aix-en-Provence und von der RuhrTriennale nachdirigiert. Auch die Solisten des "Cercle de l'Harmonie" sind auf dieser CD immer wieder gefragt. Zum Beispiel der Oboist Patrick Beaugiraud in "Quando piu irato freme" aus Salieris Oper "L'Europa riconosciuta", mit der im Jahr 1778 die Mailänder Scala eröffnet wurde. Das Werk wurde 2004 auch zur Wiedereröffnung der Scala nach deren langer Modernisierung gespielt, Diana Damrau sang damals unter Riccardo Muti. Da hatte Salieri bereits einen Ehrenplatz in ihrem Repertoire. Schon während ihres ersten Engagements am Würzburger Theater wurde die Liebe zu diesem oft vernachlässigten Komponisten geweckt. Bei "Quando piu irato freme" handelt es sich um eine typische "Aria del paragone", eine Gleichnisarie, in der die Heldin ihren Seelenzustand mit den entfesselten Elementen, hier dem stürmischen Meer, vergleicht.
Georg Friedrich Händel sagte über eine seiner Lieblingssängerinnen, sie habe in ihrer Kehle zweifellos ein Nest voller Nachtigallen. Das gilt auch für Diana Damrau, die allerdings nicht bloß virtuos Koloraturen zwitschert, sondern jede Verzierung emotional beglaubigt. Die Stimme hat Durchschlagskraft und das nötige Metall auch noch in den höchsten Höhen. Erfahrungen in den unterschiedlichsten Opern sammelte sie während ihres Engagements am Nationaltheater Mannheim, wo sie durch das gesamte Repertoire von Mozart über Weber und Verdi bis Strauss geschleust wurde. Auch Zeitgenössisches hat sie gesungen, etwa die "kleine Frau" in der Uraufführung von Friedrich Cerhas Oper "Der Riese vom Steinfeld".
Diese Lust auf Neues, auf unbekanntes Repertoire kommt auch der Arienauswahl auf ihrer neuen CD "Arie di bravura" zugute. Denn statt das übliche Programm zwischen Wahnsinnsszenen und Liebesjubel von Donizetti, Bellini und Strauss abzuspulen, hat sie sich tief in die Musikarchive begeben und dort zum Beispiel die Szene "Basta vincesti ... Ah, non lascarmi" aus Salieris "Rauchfangkehrer" gefunden. Denselben Text hat auch Mozart als Konzertarie vertont, die sich ebenfalls auf der CD findet. So ergeben sich musikalische Korrespondenzen zwischen dem Wiener Hofkomponisten Salieri und Mozart, der dessen Posten gerne gehabt hätte. Salieris Komposition ist kürzer und weniger bekannt. Schlechter ist sie deshalb aber nicht.
Die kurze Arie "Ah, non lascarmi" aus dem "Rauchfangkehrer" von Antonio Salieri ist auf der neuen CD "Arie di bravura" der Sopranistin Diana Damrau enthalten. Sie wird begleitet vom Orchester "Le Cercle de l'Harmonie" unter dem Dirigenten Jérémie Rhorer. Die CD ist erschienen beim Label Virgin Classics. Mit dieser Empfehlung verabschiedet sich Uwe Friedrich.
CD "Diana Damrau - Arie di bravura"
Diana Damrau, Sopran
Le Cercle de l'Harmonie; Ltg. Jérémie Rhorer
(Virgin Classics 395250 2, LC 7873)