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Rollende Wärmflaschen

Ingenieurwissenschaften. - Abwärme von Industrieanlagen und Kraftwerken verpufft zum Großteil ungenutzt durch den Schornstein. Fernwärmeleitungen sind teuer und lohnen sich nur, wenn große Mengen Wärme über weite Strecken transportiert werden. Um industrielle Abwärme auch lokal nutzbar zu machen, schlagen Forscher aus Garching nun einen unkonventionellen Ansatz vor. Sie wollen die überschüssige Wärme in Containern speichern. Auf der Jahrestagung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft in München haben sie ihr Konzept vorgestellt.

Von Ralf Krauter | 22.03.2006
    Die rollende Wärmflasche ist einer jener Standard-Container, die die Basiseinheit des Welthandels sind. Doch der Container, den die Forscher des bayrischen Zentrums für angewandte Energieforschung in Garching basteln wollen, hat es in sich. Er enthält 15 Tonnen eines mikroporösen Minerals namens Zeolith, das hauptsächlich aus Aluminium und Silizium besteht. Der Physiker Georg Storch zieht einen durchsichtigen Plastikbehälter mit einem weißen Granulat aus der Manteltasche, das äußerlich an Vogelfutter erinnert.

    " Das eigentliche Speichermaterial sind kleine Kristallite von diesem Zeolith. Der ist zum Beispiel auch in Waschmitteln enthalten, also das wird großtechnisch hergestellt. Und der ist hier jetzt eben in dieser Form eingebettet in so einem Binder und dann zu Kügelchen von 1 bis 5 Millimeter Durchmesser gepresst."

    Zeolithe können Wärme völlig verlustfrei speichern, ohne dabei selbst warm zu werden. Im Gegensatz zu einer großen Thermoskanne mit heißem Wasser, verliert ein mit Wärme betankter Zeolith-Container auf dem Weg zum Verbraucher deshalb keine Energie.

    " Dieser Container muss eben dann jetzt geladen werden mit heißer Luft, bei der Abwärmequelle. Wird dann abgestöpselt, auf den LKW geladen, zum Verbraucher gefahren, dort wieder abgeladen, angestöpselt und kann dann da eine Zeit lang den Wärmebedarf decken. Dann muss er natürlich wieder ausgetauscht werden, wenn er leer ist."

    Ihre schwammartige Struktur macht Zeolithe extrem wasseranziehend. Lagert sich Wasserdampf in ihren winzigen Poren ein, wird die Bindungsenergieenergie freigesetzt: Die Mikrokristalle erwärmen sich. Zum Laden des Speichers wird der Prozess umgekehrt. Zugeführte Wärme lässt das gebundene Wasser wieder verdampfen. Je trockener das Zeolith, desto mehr Energie ist darin gespeichert. Die besten Zeolithe können bis zu 270 Kilowattstunden Wärmeenergie pro Kubikmeter speichern - fast fünfmal soviel wie ein Tank mit warmem Wasser. Das macht die mikroporösen Kügelchen zum idealen mobilen Wärmeträger - zumal das Laden und Entladen des Speichers denkbar einfach ist. Zusätzliche Wärmetauscher sind nämlich überflüssig.

    " Es reicht ein dicker Ventilator, sage ich jetzt mal. Damit pusten wir auf der einen Seite heiße Luft rein. Die geht durch den Speicher und auf der anderen Seite kommt kühlere und dafür sehr stark feuchtere Luft wieder raus. Und so bringen wir eben die Feuchte aus dem Speichermaterial raus. Und bei dem Verbraucher muss dann eben das umgekehrte passieren. Da muss ich erst mal Luft feucht machen, in einem geeigneten Luftbefeuchter. Damit gehe ich dann eben durch das getrocknete Material und dabei bleibt dann sozusagen das Wasser in dem Speichermaterial. Und die Luft wird im Gegenzug sehr heiß und kommt hinten dann eben sehr heiß und sehr trocken wieder raus."

    Die rollende Wärmflasche kann das Äquivalent von 400 Litern Heizöl speichern und über mehrere Stunden hinweg heiße Luft mit bis zu 200 Grad Celsius liefern. Als potenzielle Abnehmer haben die Forscher aus Garching Einrichtungen mit einem kontinuierlich hohen Bedarf an trockener Warmluft im Visier. Schwimmbäder und industrielle Trocknungsanlagen zum Beispiel. Für die könnte sich der Pendelverkehr mit den Thermo-Containern unter bestimmten Bedingungen bereits bei den heutigen Energiepreisen rechnen. Das belegen die Wirtschaftlichkeitsanalysen von Georg Storch.

    " Es sollte eine Abwärmequelle in der Größenordnung von 600 Kilowatt sein, ein Verbraucher, der möglichst gut dazu passt und das ganze Jahr über Bedarf für Wärme hat. Und das Ganze sollte zwischen zwei und fünf Kilometern auseinander liegen. Wenn es direkt nebeneinander ist, ist es natürlich billiger ich lege direkt eine Leitung. Aber eben zwei Kilometer Leitung für 600 Kilowatt legen, das ist definitiv teurer als es mit dem LKW zu machen."

    Dass das Konzept im Prinzip funktioniert, haben die Forscher im Labor bewiesen. Im Zuge eines vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Verbundprojektes, steht nun der Praxistest an. Die ersten Zeolith-Container werden die Abwärme einer Aluminiumhütte in nordrhein-westfälischen Grevenbroich speichern und damit ein Hochregallager am anderen Ende des Firmengeländes beheizen. Eine der bangen Fragen, die die Forscher dabei beschäftigen wird, ist, wie die porösen Kristalle die ständigen Erschütterungen beim LKW-Transport überstehen. Die ersten Wärmflaschen sollen im Lauf des nächsten Jahres rollen.