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Rollout für einen Giganten

Luftfahrt. - Jahre nach der riskanten Entscheidung und langer kostspieliger Entwicklung war es am Montag schließlich so weit: unter den Augen der Staats- und Regierungschefs aus Frankreich, Deutschland, Großbritannien und Spanien wurde in Toulouse der Super-Airbus A380 erstmals offiziell der Öffentlichkeit vorgestellt. In jeder Hinsicht ist es ein Vorhaben der Superlative, doch der Erfolg scheint bereits vom Start weg gesichert.

    Airbus jüngster Spross kommt imposant daher: mit über 73 Metern Länge, gewaltigen 80 Metern Spannweite und einer Höhe 24 Metern lässt Europas Antwort auf die Zuwachszahlen im Flugverkehr der Zukunft seine US-amerikanische Konkurrenz wie einen kleinen Bruder erscheinen. Für außergewöhnliche Ästhetik eignen sich solche Maße möglicherweise nicht, doch es sind stets die inneren Werte, die zählen. Und davon hat der A380 einige mit auf den Weg bekommen, unterstreicht Charles Champion, Vizechef des A380-Programms: "Das Flugzeug sieht zwar konventionell aus, aber wenn man genau hinschaut, findet man jede Menge neuer Materialien. Darunter etwa extrem leichte Kohlefaser oder besondere Kunststoffe, die wir erstmals in Bereichen einsetzen, in denen sonst Metall dominiert." Acht Jahre sind in der Materialforschung eine sehr lange Zeit, und so sahen sich die Ingenieure 1996, als die konkreten Planungen zu dem Projekt begannen, mit vielen Herausforderungen konfrontiert. Denn schließlich könne ja nicht einfach ein kleinerer Flieger "aufgeblasen" werden, scherzt Werkleiter Gustav Humbert. "Zum einen wählten wir einen neuen Rumpfquerschnitt, der nicht wie bei unseren vorherigen Modellen rund, sondern oval ausfällt. Dadurch erreichen wir eine höhere Festigkeit, sonder auch ein größeres Platzangebot."

    Luftfahrt-Auguren prophezeien dem globalen Flugverkehr jährliche Zuwachsraten von über fünf Prozent. Doch bereits heute bedienen manche Fluglinien Fernziele mit gleich zwei zeitversetzten Maschinen täglich. Hier sah Airbus die Chance für seinen "Großen". Schon die gediegene Linienversion fasst daher auf zwei Stockwerken 555 Passagiere und damit ein Drittel mehr als ein Jumbo Jet. Als Billigflieger mit enger gesetzten Stuhlreihen könnte die A380 maximal sogar 850 Reisende schlucken. Neben hohen Kapazitäten spielt im internationalen Preiskampf aber auch der Spritverbrauch eine große Rolle. Um den Kerosindurst der vier Triebwerke zu zügeln, sparten die Konstrukteure an Gewicht und setzten auf neueste, ultraleichte Hightech-Materialien. Erstmals kommt beim Super-Airbus beispielsweise eine Flügelaufhängung aus Kohlefaser statt aus Aluminium zum Einsatz. Gewichtsersparnis allein dadurch: eineinhalb Tonnen. Neben Kunststoffen werden auch neuartige und sehr leichte Legierungen aus Titanmetall verbaut, berichtet Vize-Chefingenieur Robert Lanfontan. "Ganz neu in einem Passagierflieger ist ein Material namens Glare. Die Rumpfschale des A380 besteht zum Teil daraus. Das ist ein Sandwich aus drei hauchdünnen Aluminiumlagen, dazwischen zwei Schichten eines glasfaserverstärkten Metallklebers."

    Das stabile Sandwich spart dem Goliath der Lüfte wiederum 800 Kilogramm im Vergleich zu herkömmlichen Aluminiumrümpfen. An die Grenze gingen die Entwickler auch bei der Hydraulikanlage, die Klappen und Ruder bewegt. Dabei wird im A380 ein höherer hydraulischer Druck erzeugt, wodurch die Leitungsrohre mit einem geringeren Durchmesser auskommen - was den Flieger wiederum um rund eine Tonne abspeckt. Die Sicherheit kommt dabei keineswegs zu kurz, beruhigt Lanfontan. "Die Aktuatoren, die die Ruder bewegen, können beim A380 auch mit Strom betätigt werden, falls einmal die Hydraulik aussetzt." Damit sei der A380 das erste Verkehrsflugzeug, das auch bei einem Totalausfall der Hydraulik noch sicher gesteuert werden könne. Die hochmoderne, extrem leichte Bauweise des Airbus senkt den Spritverbrauch pro Person und 100 Kilometer auf unter drei Liter - und damit 20 Prozent unter den der Konkurrenz. Kein Wunder also, dass sich angesichts solcher Vorzüge und trotz des stolzen Stückpreises von 200 Millionen Euro die Auftragsbücher von Airbus immer weiter füllen und das Risikovorhaben vermutlich doch in die Gewinnzone steuern wird. Denn immerhin zwölf Milliarden Euro stecken in der Entwicklung - und ein beachtlicher Anteil davon waren Steuergelder.

    [Quelle: Frank Grotelüschen]