Ein kleiner, tonloser Super-8-Film vom Anfang der siebziger Jahre zeigt einen jungen, hemmungslos weinenden Mann, und der Titel unterstreicht die - scheinbar einfache - Botschaft: "I am too sad to tell you." Der legendäre holländische Konzeptkünstler Bas Jan Ader, der 1975 im Alter von 33 Jahren während einer Atlantikfahrt verschollen ist, hat damit nach Auffassung von Ausstellungskurator Jörg Heiser eine Art Ikone des romantischen Konzeptualismus geschaffen, einer Stilverfremdung, die es eigentlich gar nicht geben dürfte. Denn zumindest dem Selbstverständnis ihrer meisten Vertreter nach ist die Konzeptkunst alles: politisch, repräsentationskritisch, ideen-basiert, aber eben nicht romantisch. Jörg Heiser, Redakteur der Kunstzeitschrift "Frieze", könnte für ich beanspruchen, einen blinden Fleck der dominierenden Kunstpraxis der siebziger bis neunziger Jahre aufgedeckt zu haben. Dafür versucht er nun mit einer interessanten und durchdachten Ausstellung in der Kunsthalle Nürnberg sichtbare Beispiele zu bringen.
Bas Jan Aders Selbstportrait als weinender junger Mann wirkt in der Tat ambivalent: Natürlich kann man es als Inszenierung von Pathosformeln lesen, als ironisches Spiel mit emotionalen Projektionen, als Selbstironisierung nicht zuletzt auch der Textzentrierung der Konzeptkunst, wenn der Titel des Films so tut, als sagten (Film-)Bilder mehr als tausend Worte. Andererseits ist menschliches Nahgefühl, das für die Konzeptkunst normalerweise keine Kategorie bildet, hier beeindruckend präsent. Emotion ist wiederum natürlich nicht gleich Romantik. Auch deren Ikonen, allen voran natürlich Caspar David Friedrich, sind höchst durchdachte, semiotisch mühelos aufschlüsselbare Kompositionen, die ihr Gefühlsmoment genau kalkuliert haben. Sterblichkeit des Menschen und die semantische Unvollkommenheit des Bildes, das keine Erlösung mehr bringt, sondern die letzten Fragen offen lässt - das könnte man, als Arbeitshypothese, durchaus als eine inhaltliche Klammer zwischen dem frühen 19. und der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stehen lassen. Der historische Unterschied besteht neben der Wahl der Medien vor allem im Verweis auf das tröstliche Jenseits. Caspar David Friedrichs Gemälde sind durchleuchtet von transzendenter Erwartung im Naturschönen - bei Bas Jan Ader ist nur ein ephemerer, immer wiederholter Moment zu sehen, nichts als das unerklärte große Gefühl, ohne Ursprung, Ausblick und persönliche Einordnung, als genüge es sich selbst als vieldeutiges Zeichen der Zerbrechlichkeit und "verlorener Hoffnung".
Zweites Referenzwerk der Ausstellung ist Andy Warhols Film "Kiss" von 1964, in dem er als serielle Montage küssende Paare in Langzeiteinstellungen zeigt, dabei aber in den monumental verschlungenen Gesichtslandschaften tatsächlich erhabene wirkende Bilder "großer Leidenschaften" erzeugt, die in ihrer prallen Sinnlichkeit scheinbar wenig mit lakonischen Serien von Filmstars, Autounfällen oder Campbell-Dosen zu tun haben - oder doch eigentlich sehr viel?
Wirklich klar wird man sich darüber in dieser Ausstellung nicht, was nicht zuletzt an der schwammigen Natur der Begriffe liegt. Konzept und Romantik bieten noch Interpretationsspielräume - und Jörg Heiser versteht seine Ausstellung auch weniger als akademischen Aufwasch eines Begriffsproblems, vielmehr als ein listiges Manöver gegen den genuinen Machismo der stets ach so coolen Konzept-Artisten, die sich gern als Verfechter der reinen Lehre gerieren. Paradebeispiel dafür ist Susan Hillers formal strenge, kulturanthropologische Untersuchung aus den siebziger Jahren von historischen Postkartenmotiven, die sich um die Naturgewalt des Meeres drehen, riesige Wogen, die an Küstenlandschaften schwappen, klassisch romantisch, könnte man sagen. Hiller umgibt die Bildchen mit Schautafeln und analytischen Tabellen und Auswertungen, so dass der Eindruck einer akademischen Forschungsarbeit entsteht. Trotzdem musste sie sich in Debatten mit der Künstlergruppe Art&Language in den siebziger Jahren Vorwürfe anhören, derart romantische Motive überhaupt zu verwenden. So handelt die Nürnberger Ausstellung in mehreren Räumen neben Postkartenromantik auch die Stereotypen der Natur, des Exotischen, des Sexuellen und Erhabenen ab - durchaus mit Ironie und unterhaltsamem Erkenntniswert.
Bas Jan Aders Selbstportrait als weinender junger Mann wirkt in der Tat ambivalent: Natürlich kann man es als Inszenierung von Pathosformeln lesen, als ironisches Spiel mit emotionalen Projektionen, als Selbstironisierung nicht zuletzt auch der Textzentrierung der Konzeptkunst, wenn der Titel des Films so tut, als sagten (Film-)Bilder mehr als tausend Worte. Andererseits ist menschliches Nahgefühl, das für die Konzeptkunst normalerweise keine Kategorie bildet, hier beeindruckend präsent. Emotion ist wiederum natürlich nicht gleich Romantik. Auch deren Ikonen, allen voran natürlich Caspar David Friedrich, sind höchst durchdachte, semiotisch mühelos aufschlüsselbare Kompositionen, die ihr Gefühlsmoment genau kalkuliert haben. Sterblichkeit des Menschen und die semantische Unvollkommenheit des Bildes, das keine Erlösung mehr bringt, sondern die letzten Fragen offen lässt - das könnte man, als Arbeitshypothese, durchaus als eine inhaltliche Klammer zwischen dem frühen 19. und der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stehen lassen. Der historische Unterschied besteht neben der Wahl der Medien vor allem im Verweis auf das tröstliche Jenseits. Caspar David Friedrichs Gemälde sind durchleuchtet von transzendenter Erwartung im Naturschönen - bei Bas Jan Ader ist nur ein ephemerer, immer wiederholter Moment zu sehen, nichts als das unerklärte große Gefühl, ohne Ursprung, Ausblick und persönliche Einordnung, als genüge es sich selbst als vieldeutiges Zeichen der Zerbrechlichkeit und "verlorener Hoffnung".
Zweites Referenzwerk der Ausstellung ist Andy Warhols Film "Kiss" von 1964, in dem er als serielle Montage küssende Paare in Langzeiteinstellungen zeigt, dabei aber in den monumental verschlungenen Gesichtslandschaften tatsächlich erhabene wirkende Bilder "großer Leidenschaften" erzeugt, die in ihrer prallen Sinnlichkeit scheinbar wenig mit lakonischen Serien von Filmstars, Autounfällen oder Campbell-Dosen zu tun haben - oder doch eigentlich sehr viel?
Wirklich klar wird man sich darüber in dieser Ausstellung nicht, was nicht zuletzt an der schwammigen Natur der Begriffe liegt. Konzept und Romantik bieten noch Interpretationsspielräume - und Jörg Heiser versteht seine Ausstellung auch weniger als akademischen Aufwasch eines Begriffsproblems, vielmehr als ein listiges Manöver gegen den genuinen Machismo der stets ach so coolen Konzept-Artisten, die sich gern als Verfechter der reinen Lehre gerieren. Paradebeispiel dafür ist Susan Hillers formal strenge, kulturanthropologische Untersuchung aus den siebziger Jahren von historischen Postkartenmotiven, die sich um die Naturgewalt des Meeres drehen, riesige Wogen, die an Küstenlandschaften schwappen, klassisch romantisch, könnte man sagen. Hiller umgibt die Bildchen mit Schautafeln und analytischen Tabellen und Auswertungen, so dass der Eindruck einer akademischen Forschungsarbeit entsteht. Trotzdem musste sie sich in Debatten mit der Künstlergruppe Art&Language in den siebziger Jahren Vorwürfe anhören, derart romantische Motive überhaupt zu verwenden. So handelt die Nürnberger Ausstellung in mehreren Räumen neben Postkartenromantik auch die Stereotypen der Natur, des Exotischen, des Sexuellen und Erhabenen ab - durchaus mit Ironie und unterhaltsamem Erkenntniswert.