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Romantischer Kostümfilm

Das wahre Leben und auch der Sex stehen nur im Weg, wenn es um die einzige wahre romantische Liebe geht. Die Liebe ist ewig. Der realistische Ertrag dagegen gering. Für dieses Thema ist das Kino quasi automatisch zuständig als Spielfeld für die ganz großen Gefühle. Diese wurden im prüden 19. Jahrhundert eher über Bande gespielt.

Von Josef Schnelle |
    Keinerlei wahrhafte Fleischeslust beschwerte die Gedichte von Byron, Shelley und Keats, deren romantische Poesie die Welt veränderte. John Keats war aber ganz diesseitig verliebt mit 23 Jahren in die 18-jährige Näherin Fanny Brawne verliebt, der er sein berühmtestes Gedicht "Bright Star" gewidmet hat.

    Kaum zwei Jahre währte diese schwärmerische Jugendliebe, bevor Keats von der Tuberkulose, der Seuche die auch seine Zeitgenossen dezimierte, 1821 im Domizil seines Dichterfreundes Percy Bysshe Shelley in Rom dahingerafft wurde. Große Liebe ist in der romantischen Literatur immer Entbehrung, Verzicht und Leid. Fanny beklagt es.

    Die neuseeländische Regisseurin Jane Campion, die mit einer anderen romantischen Liebesgeschichte mit "Das Piano" 1993 als erste Frau die goldene Palme von Cannes gewann und auch bei den Oscars prämiert wurde, knüpft mit dieser Geschichte auch wieder an ihr Frühwerk mit den Porträts ungewöhnlicher Frauen an. Fanny hat die gleichen Probleme wie die Frauenfiguren in den Romanen von Jane Austen, die - immer wieder verfilmt - ja auch vortreffliches Futter für Kinoerfolge geworden sind, in die die Frauen ihre Männer eher mitschleifen, weil sie ihnen weder Action noch Attraktionen bieten können. Campion verlässt sich auf keine der erprobten Literaturvorlagen. Trotzdem ist das Liebesleben ihrer Figuren schwierig und eingezwängt in Konventionen und Regeln wie in den Romanen des 19. Jahrhunderts. Die Liebenden müssen sich darüber haushoch erheben oder die Regeln gar ganz direkt brechen, um zueinander zu kommen. Aber worum geht es überhaupt? Das romantische Liebeskonzept ist radikal. Es gibt in ihm keinen Alltag und keine Kompromisse. Jane Campion orchestriert die Beziehung zwischen Fanny und Keats selbst wie ein Gedicht, in dem es keine realen Lebensumstände, kein Gestern und kein Morgen gibt.

    Romantisch ist alles an diesem Film: die Wiesen, die schönen Worte, die offiziellen Begegnungen beim Tee, die ins Unendliche wachsenden Gefühle, die anders als bei Austen oder Bronté auf keine nennenswerten gesellschaftlichen Schranken stoßen. Nur die Schicksalsmacht Tuberkulose kann ihr Einhalt gebieten. Campion spielt mit den Glanzabziehbildchen der romantischen Fantasie, schränkt ihre Charaktere aber kein bisschen ein. Die können einander zur Tea-Time tief in die Augen schauen, wohl wissend, dass sie keine Zukunft haben und es ist einer der interessantesten Gedanken des Films, der seine Bilder virtuos zu kontrollieren versteht, dass Fanny der Lyrik nur hold sein kann, weil sie selbst eine Virtuosin der Nähkunst ist. Schöne Kleider, schöne Bilder, das Naturschöne auch. Jane Campion schwelgt visuell in sämtlichen Dimensionen der Liebe zur Schönheit, und wenn man nicht so sicher wüsste, dass "Bright Star" einer der schönsten Filme des Jahres ist, könnte man denken, der Verleih habe ihn auf dem unspektakulären Weihnachtsstarttermin glatt versteckt. Immerhin versteht man gemeinsam mit Fanny hinterher besser das Abenteuer, das in der Poesie steckt. Ein besserer Weihnachtsfilm ist also kaum vorstellbar.