Vorhang auf zur neuen Spielzeit! Regisseur Jan Bosse nimmt das ganz wörtlich und lässt zu Beginn kasperltheatermäßig am großen Vorhang herumzupfen - denn es geht bei Ludwig Tieck ja (auch) um die Mechanismen des Theaters, um eine missglückende Theatervorstellung, die immer wieder unterbrochen wird zu Kommentaren und Streitereien der Schauspieler und Zwischenbemerkungen des Publikums. Bosse hat klugerweise darauf verzichtet, Mitspieler im Publikum zu verstecken; er zeigt einfach, wie eine Theatertruppe versucht, ein Stück zu spielen - mit allen Regisseurs-Klischees ("Sollen wir hier abbrechen?") und Eifersüchteleien.
Bosses größte Stärke ist seine Unbefangenheit - und seine sowieso stets vorhandene Neigung, kindisches Spaßtheater umschlagen zu lassen in den nackten Ernst, verträgt sich sehr gut mit den romantischen Herzensanliegen wie Satire und Geheimnis, mit Unsinn und Sinnsuche. Der gestiefelte Kater persönlich teilt mit, das Werk "Der gestiefelte Kater" werde nicht gespielt, der Regisseur habe sich kurzfristig für ein anderes Stück entschieden, für ein "Projekt".
Und das, was an diesem Abend dann entsteht, ist in der Tat eine Art Neo-Romantik, eine Reise ins Nichts und in das Unbewusste gebrochen mit Ironie, eine Suche nach dem Glück, ein langer Marsch durch Prüfungen und schlimme Waldeseinsamkeit zurück zu den Menschen. Bosse lässt mehrere Tieck-Episoden anspielen, vor allem "Der blonde Eckbert" und "Der Runenberg". Und der schönste Trick ist es, dass diese Märchen eben auch von einer Märchentante vorgelesen werden, der berühmten Trudi Gerster, breit und geheimnisvoll, auf Schwyzerdütsch. Wie die Schauspieler das dann in Theater verwandeln, also: der blonde Ritter, das einsame Mädchen, die böse Alte, der komische Kauz, ist eine Mischung aus Kinderfunk, Medien-Persiflage und dann doch: Konfrontation mit der Angst und Sehnsucht nach der besseren Welt.
Bosse begreift die Frühromantik als Reaktion auf die kalte, auf die fühllose Seite der Aufklärung: hier werden das Sentiment, das Wunderbare und damit aber auch der Nonsense eingeklagt gegen eine Welt der Verwertungsinteressen - und das in Zürich, der Stadt der Banken! Zum zweiten legt Bosse die Tieck-Episoden als Traumerzählungen an, als Reise ins Vorbewusst-Bedrohliche, und setzt gleich den Traumdeuter mit auf die Bühne, den Herrn Professor C.G.Jung. Der Kater, der geschwänzte und gestiefelte, ist eine sexualisierte Figur, und Rettung naht, indem sich am Ende alle in gute Tiere verwandeln, eine glückliche Degeneration, inszenatorisch eine Mischung aus Monstershow und Sesamstraße.
Auch in der zweiten Züricher Eröffnungspremiere spielen Tiere eine Hauptrolle: Der Regisseur Niklaus Helbling will herausfinden, ob zeitgenössische bildende Künstler das Theater befruchten. Zumindest für diesen Abend kann man das getrost verneinen: In drei Episoden kreist man ganz unbescheiden um das Überleben der Menschheit, und immer wieder schleicht sich das Animalische in die trüben Wege der Zivilisation. Die Tänzerin Erna Ómarsdóttir zittert sich zwar eindrucksvoll Gotthelfs "Schwarze Spinne" zurecht, aber das Bedrohliche dieser Allegorie des Bösen bleibt irgendwie in den herzigen Heuhaufen stecken, die die isländische Künstlerin Gabríela Fridriksdóttir aufgestellt hat.
Sibylle Berg schickt Mittelmaß-Menschen in die Vorhölle, wo die seltsamen Tiere des Plastikers Jon Pylypchuk lauern, na und? Einzig die von dem Journalisten Erwin Koch (offenbar in der Psychiatrie) recherchierte Biographie einer Mörderin hat dramaturgische Qualität: Koch seziert die subtilen Unterdrückungsmuster, die sich gerade im ländlichen Raum gegen Frauen richten. Dass dann die Künstlerin Mathilde ter Heijne die matriarchal organisierte chinesische Ethnie der Mosuo als Alternative ins Spiel bringt und ein Mosuo-Haus als Ready-Made aufstellt, wirkt ein wenig platt. Übrigens sieht dieses Haus einer Schweizer Berghütte gar nicht so unähnlich. Wahrscheinlich gären auch in der Schweiz matriarchale Tendenzen, die demnächst mit Macht hervorbrechen werden.
Bosses größte Stärke ist seine Unbefangenheit - und seine sowieso stets vorhandene Neigung, kindisches Spaßtheater umschlagen zu lassen in den nackten Ernst, verträgt sich sehr gut mit den romantischen Herzensanliegen wie Satire und Geheimnis, mit Unsinn und Sinnsuche. Der gestiefelte Kater persönlich teilt mit, das Werk "Der gestiefelte Kater" werde nicht gespielt, der Regisseur habe sich kurzfristig für ein anderes Stück entschieden, für ein "Projekt".
Und das, was an diesem Abend dann entsteht, ist in der Tat eine Art Neo-Romantik, eine Reise ins Nichts und in das Unbewusste gebrochen mit Ironie, eine Suche nach dem Glück, ein langer Marsch durch Prüfungen und schlimme Waldeseinsamkeit zurück zu den Menschen. Bosse lässt mehrere Tieck-Episoden anspielen, vor allem "Der blonde Eckbert" und "Der Runenberg". Und der schönste Trick ist es, dass diese Märchen eben auch von einer Märchentante vorgelesen werden, der berühmten Trudi Gerster, breit und geheimnisvoll, auf Schwyzerdütsch. Wie die Schauspieler das dann in Theater verwandeln, also: der blonde Ritter, das einsame Mädchen, die böse Alte, der komische Kauz, ist eine Mischung aus Kinderfunk, Medien-Persiflage und dann doch: Konfrontation mit der Angst und Sehnsucht nach der besseren Welt.
Bosse begreift die Frühromantik als Reaktion auf die kalte, auf die fühllose Seite der Aufklärung: hier werden das Sentiment, das Wunderbare und damit aber auch der Nonsense eingeklagt gegen eine Welt der Verwertungsinteressen - und das in Zürich, der Stadt der Banken! Zum zweiten legt Bosse die Tieck-Episoden als Traumerzählungen an, als Reise ins Vorbewusst-Bedrohliche, und setzt gleich den Traumdeuter mit auf die Bühne, den Herrn Professor C.G.Jung. Der Kater, der geschwänzte und gestiefelte, ist eine sexualisierte Figur, und Rettung naht, indem sich am Ende alle in gute Tiere verwandeln, eine glückliche Degeneration, inszenatorisch eine Mischung aus Monstershow und Sesamstraße.
Auch in der zweiten Züricher Eröffnungspremiere spielen Tiere eine Hauptrolle: Der Regisseur Niklaus Helbling will herausfinden, ob zeitgenössische bildende Künstler das Theater befruchten. Zumindest für diesen Abend kann man das getrost verneinen: In drei Episoden kreist man ganz unbescheiden um das Überleben der Menschheit, und immer wieder schleicht sich das Animalische in die trüben Wege der Zivilisation. Die Tänzerin Erna Ómarsdóttir zittert sich zwar eindrucksvoll Gotthelfs "Schwarze Spinne" zurecht, aber das Bedrohliche dieser Allegorie des Bösen bleibt irgendwie in den herzigen Heuhaufen stecken, die die isländische Künstlerin Gabríela Fridriksdóttir aufgestellt hat.
Sibylle Berg schickt Mittelmaß-Menschen in die Vorhölle, wo die seltsamen Tiere des Plastikers Jon Pylypchuk lauern, na und? Einzig die von dem Journalisten Erwin Koch (offenbar in der Psychiatrie) recherchierte Biographie einer Mörderin hat dramaturgische Qualität: Koch seziert die subtilen Unterdrückungsmuster, die sich gerade im ländlichen Raum gegen Frauen richten. Dass dann die Künstlerin Mathilde ter Heijne die matriarchal organisierte chinesische Ethnie der Mosuo als Alternative ins Spiel bringt und ein Mosuo-Haus als Ready-Made aufstellt, wirkt ein wenig platt. Übrigens sieht dieses Haus einer Schweizer Berghütte gar nicht so unähnlich. Wahrscheinlich gären auch in der Schweiz matriarchale Tendenzen, die demnächst mit Macht hervorbrechen werden.