Donnerstag, 18. April 2024

Archiv

Rosetta-Mission
Wie eine Kometenatmosphäre entsteht

Je näher er der Sonne kommt, umso spannender entwickeln sich die Vorgänge auf der Oberfläche von Komet 67P/Tschurjumow-Gerasimenko. Sonnenwinde pfeifen über die Oberfläche, Eis schmilzt, Gasfontänen schleudern Kometenstaub ins All - und Raumsonde Rosetta beobachtet das Spektakel aus nächster Nähe.

Von Karl Urban | 23.01.2015
    Mosaik aus vier Rosetta-Bildern, die kombiniert den Kometen Tschuri aus 28.4 km Entfernung zeigen.
    Mosaik aus vier Rosetta-Bildern, die kombiniert den Kometen Tschuri aus 28.4 km Entfernung zeigen. (ESA/Rosetta/NAVCAM - CC BY-SA IGO 3.0)
    Als Rosetta im August 2014 bei 67P Tschurjumow-Gerasimenko ankam, richteten sich alle Augen auf die frisch übermittelten Fotos von dem Kometen. An Bord der ESA-Raumsonde begannen aber gleichzeitig zehn andere Instrumente, Daten zu sammeln, zum Beispiel über die dünne Atmosphäre des Brockens aus Eis und Staub. Hans Nilsson:
    "Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Atmosphäre des Kometen bereits durch den Sonnenwind beeinflusst wird."
    Hans Nilsson vom Schwedischen Institut für Weltraumphysik in Kiruna betreut mit mehreren Kollegen das Plasmainstrument an Bord von Rosetta. Denn Kometen wie 67P bilden eine dünne Atmosphäre aus, wenn sie der Sonne näher kommen. Aus dem Kometenschweif schießen nämlich ständig Wasserdampf und Kohlendioxid hervor. Treffen die geladenen Teilchen des Sonnenwindes auf das Gas des Kometen, wird das teilweise abgebremst und schließlich wird sogar der Kometenschweifs umgelenkt. Eine Atmosphäre aus geladenen Teilchen entsteht, eine Magnetosphäre. Hans Nilsson:
    "Forscher wissen schon ziemlich lange, dass aktive Kometen eine dünne Atmosphäre besitzen müssen. Denn es fiel ihnen schon bald auf, dass irgendetwas den Schweif der Kometen verformt - und das mussten wohl Teilchen von der Sonne sein, die dagegen drücken."
    Sonnennähe lässt Atmosphäre wachsen
    Tschurjumow-Gerasimenko hat bislang nur eine schwache Magnetosphäre ausgebildet. Die dürfte aber in den nächsten Monaten dichter werden, wenn der Komet der Sonne immer näher kommt. Ein Glücksfall: Denn Forscher wissen bis heute nicht, was dabei im Detail passiert.
    Der Prozess ist aber durchaus relevant für die Planetenforschung: Immerhin bildeten schon die Planetesimale, also die felsigen Vorläufer der heutigen Planeten, vor vielen Jahrmilliarden ganz vergleichbare dünne Atmosphären wie die Kometen von heute. Und die blieben bei manchen Planeten wie Erde und Venus erhalten, während etwa der Mars einen Großteil davon wieder verlor, sagt Nilsson
    "Als die Sonne noch jünger war, wirkte sie wohl mit einem stärkeren Sonnenwind auf die Planeten ein als heute. Und auch der Sonnenwind anderer Sterne reicht oft deutlich näher an die Atmosphären ihrer Planeten heran - und kann diese dabei sogar erodieren."
    Gasfontänen am Kometenhals
    Andere Forscher untersuchen derweil ein weiteres Rätsel von Tschurjumow-Gerasimenko: mit einem Mikrowellensensor, der die Temperatur knapp unter der Oberfläche und den Wassergehalt der Fontänen ermitteln kann. Den Messdaten zufolge erscheint die Halsregion des entenförmigen Kometen am kühlsten. Ausgerechnet hier am Hals haben Rosettas Kameras allerdings Gasfontänen entdeckt, wo unter der Oberfläche Wassereis zu Dampf wird.
    Dieser Widerspruch könnte irgendwie mit der extrem harten Kruste zusammenhängen: Sie besteht aus einer Mischung aus Silikatpartikeln mit organischen Verbindungen. Diese Schicht ist tiefschwarz wie Ruß - isoliert aber die darunter vermuteten Eisschichten relativ gut. Wie genau diese brettharte Oberfläche mit den brodelnden Gasen darunter zusammenspielt, könnten vielleicht die Landschaftsaufnahmen von Rosettas Kameras verraten.
    Programmhinweis
    "Forschung aktuell" sendet heute außerdem ein Interview mit dem ESA-Forscher Holger Sierks, dem "Kameramann" der Rosetta-Mission.