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Rosige Zukunft für Kassenwarte?

Technik. - Maut in Deutschland ist mit den Namen Toll-Collect verbunden - und der steht für Desaster. Doch langsam scheinen die Techniker die Probleme mit den On Bord Units - den Zähl- und Abrechnungsgeräten in den LKW - zu lösen. Verkehrsforscher denken jedoch einen Schritt weiter: In Europa wird es künftig fast in jedem Land ein Mautsystem geben. Das Problem ist nur: Wenn 25 Europäische Staaten 25 Mautsysteme einführen, könnte für den LKW-Fahrer die ... Situation entstehen, 25 verschiedene Geräte auf dem Armaturenbrett platzieren zu müssen. Die EU will daher die Mautsysteme in Europa vereinheitlichen. Die Frage ist nur, welche Technik dafür in Frage kommt.

Von Sönke Gäthke |
    Das beste wäre natürlich ein Maut-System, das ganz ohne Geräte im LKW auskommt. Vorbild dafür könnte das kameragestützte Mautsystem in London sein. Doch obwohl es erfolgreich ist, hat es eine ungewisse Zukunft, erklärt Karl Heinz Stappert, Verkehrsforscher der TÜV Intertraffic in Köln.

    In London ist festzustellen, dass das System seine Ziele erfüllt, dass heißt, beabsichtigt war ja eine Verringerung des Verkehrs in dem betroffenen Innenstadtgebiet, das ist auch eingetreten,

    ...weil die Erfassung und Abrechnung der Daten nicht vollautomatisch erfolgen kann. Herz des Systems ist eine computergesteuerte Kennzeichenerfassung: An den Strassen, die in die Innenstadt Londons führen, stehen viele Kameras. Diese zeichnen die Nummernschilder aller in die Stadt fahrenden Wagen, Busse oder LKW auf. Ein Computer "liest" von diesen Bildern die Kennzeichen ab und vergleicht sie mit einer Liste all der Fahrer, die vor Einfahrt in die Stadt bezahlt haben. Das Problem ist allerdings:

    So eine automatische Erfassung von Kennzeichen hat auch heute noch ihre Grenzen und man kommt einfach nicht Drumherum, auch heute noch nicht, dass man die Bilder, die von den Kennzeichen aufgenommen werden, manuell nachbearbeitet, also im Prinzip durch Personen feststellt, ob die Aufnahmen richtig waren, ob das lesbar war. Ob das, was die Automatik praktisch festgestellt hat, auch der Wahrheit, so wie sie eine Person auffasst, entspricht.

    So Karl Heinz Stappert. Diese Nachbearbeitung kostet deutlich mehr Geld als ursprünglich veranschlagt wurde. Die Betreiber des Londoner Maut-Systems denken daher darüber nach, das kameragestützte System durch ein anderes zu ersetzen. Die EU-Kommission muss sich daher zwischen zwei anderen Systemen entscheiden. Stappert:

    Im Prinzip stehen eben die Techniken zur Auswahl, die eben heute auch schon existieren, also die Systeme, die eine Nahbereichskommunikation verwenden über Mikrowelle oder Infrarot.

    Bei Mautsystemen mit dieser sogenannten Nahbereichskommunikation - wie dem Schweizer - aktivieren Sender am Straßenrand die On-Board Units, kurz OBU. Diese messen die gefahrenen Kilometer anhand des Fahrtenschreibers und weiterer Sender und speichern die Daten auf einer kleinen Smart-Card, die der Fahrer an das Maut-Unternehmen zu Abrechnung schicken muss. Stappert:

    oder der andere große Bereich sind die Systeme, die auf Satellitenkommunikation und Mobilfunk zurückgreifen.

    Nach diesem Prinzip arbeitet Toll-Collect in Deutschland. Die On-Bord Units ermitteln mit Hilfe des Navigationssystems GPS, einem Kreiselkompass und einprogrammierten Karten sowie zusätzlichen Sendern am Strassrand, wo sich der LKW befindet. Per Mobilfunk meldet sich das Gerät bei der Zentrale, gibt die Daten durch, und diese ermittelt, ob der Fahrer für den Straßenabschnitt Geld zahlen muss und wie viel. Stappert:

    Es ist sichtbar, dass die Kommission eine Technik empfiehlt, oder langfristig favorisiert, die ähnlich der Technik ist wie wir die in Deutschland haben werden. Das heißt also, gestützt auf Satellitennavigation und mit Mobilfunk.

    Deutschland hätte mit der Entscheidung für dieses Mautsystems also tatsächlich klug gewählt, wenn Toll-Collect den Start im kommenden Jahr meistert. Wenn da nicht Länder wie Frankreich, Italien, die Schweiz und Österreich wären, die inzwischen bereits unterschiedliche Mautsysteme eingeführt haben. Diese durch ein europaweit einheitliches zu ersetzen, ist für lange Zeit unwahrscheinlich. Stappert:

    Da stecken enorme Investitionen drin, und man darf also nicht erwarten, dass in diesen Ländern die bestehenden Systeme so schnell abgeschafft werden. Das ist es auch, was den Einigungsprozess auf Europäischer Ebene so verlängert.