"Ein Topergebnis in den neuen Bundesländern, aber auch ein sehr gutes Ergebnis in den alten Bundesländern; noch vor wenigen Jahren völlig unvorstellbar. Wir haben die ganze Gesellschaft durcheinandergebracht und das wurde auch höchste Zeit, dass die Leute aneinandergeraten." (Applaus)
Wenn der wortgewaltige Gregor Gysi überschwänglich in den Applaus der bunt gemischten Anhängerschar seiner stolzen Linken hineinruft, so kommt Begeisterung zurück - nicht nur am Wahlabend.
"Seit 1949 hat es in der Bundesrepublik noch nie ein zweistelliges Wahlergebnis für eine politische Kraft links von der Sozialdemokratie bei einer Bundestagswahl gegeben, das ist wirklich eine gravierende Veränderung, weil es vor allen Dingen in den alten Bundesländern doch erhebliche Schwierigkeiten im Umgang mit einer Partei links von der Sozialdemokratie gab und wahrscheinlich auch zum Teil noch gibt, trotzdem ist dort eine Akzeptanz erreicht worden, die erstaunlich ist."
Und doch muss sich die Linke, die am vergangenen Sonntag bundesweit fast zwölf Prozent der Stimmen auf sich vereinen konnte, nun Gedanken über die langfristige Akzeptanz und Strategie machen. Wer aus Protest die Linke gewählt hat - mehr als eine Million Wähler kamen von der SPD - könnte aus Protest auch wieder einer anderen Partei seine Stimme geben - oder zur SPD zurückkehren, wenn diese Gysis Ratschlag folgt und sich re-sozialdemokratisiert.
"Wenn jetzt beide Parteien in der Opposition sind, spricht es dafür, dass sich das eine oder andere lockert, nur: Die Auseinandersetzungen finden doch nicht bei uns statt, sondern in der SPD. Die muss doch wissen, welchen Kurs sie geht, und das wird sie schon eine Weile lang aufhalten."
Erst einmal wird sich eine Opposition im Bundestag formieren, bei der die dunkelroten Bundestagsabgeordneten nicht mehr nur neben den Grünen, sondern auch im Schatten der SPD Platz nehmen - "zwangsvereinigt in der Opposition", wie das "Neue Deutschland" titelte.
"Im Bundestag selbst werden wir weiterhin eine Oppositionsrolle spielen und werden weiterhin von den anderen als Störenfried wahrgenommen werden. Das ist auch alles gar nicht so tragisch; wir müssen uns ja nicht so umstellen, wie sich die SPD umstellen muss; trotzdem kann auch unsere Rolle nicht die gleiche bleiben, denn wir sind deutlich gestärkt. Im Übrigen ist unsere Fraktion so zusammengesetzt, weil sie den Pluralismus unserer Partei hervorragend widerspiegelt."
Gysi wird neben Oskar Lafontaine weiter als einer der beiden Fraktionsvorsitzenden der Linken seine rhetorischen Feuerwerke im Bundestag zünden und eine nun 76 Parlamentarier zählende Fraktion zusammenhalten - keine leichte Aufgabe, so unterschiedlich die politische Sozialisierung der Genossen: Da gibt es einen radikal-antikapitalistischen Flügel aus westdeutschen Alt-Linken sowie pragmatische Reformer aus den ostdeutschen Ländern. Zu ihnen zählt Gesine Lötzsch. Sie ist seit 2005 stellvertretende Fraktionsvorsitzende, hat ihren Wahlkreis Berlin-Lichtenberg mit Bravour und 47 Prozent geholt und will davon, dass die SPD in der Opposition vielleicht noch weniger mit der Linken zu tun haben will als ohnehin schon, nichts wissen
"Wichtig ist für alle in der Partei, dass wir konkrete Veränderungen, soziale Verbesserungen erreichen und man wird unterschiedlicher Meinung sein, wie man die erreichen kann. Es ist jetzt auch nicht unsere Aufgabe, zu allererst auf die SPD zuzugehen, es ist ja auch intensiver Wahlkampf gegen uns als Linke gemacht worden, und wir werden uns auch intensiv verbünden müssen mit Gewerkschaften, mit Bewegungen, mit Vereinen, mit außerparlamentarischen Gremien und ich glaube, dass gerade in Zeiten von Schwarz-Gelb die kämpferische Rolle von Gewerkschaften wieder stärker wird."
Dass sich die Linke im Westen mehrheitlich aus enttäuschten Gewerkschaftern speist, dafür steht der neu ins Parlament gewählte Abgeordnete Michael Schlecht.
"Wenn wir am Ende wieder eine SPD hätten, die re-sozialdemokratisiert wäre, dann wäre das ja absolut positiv für unser Land. Wenn unser Handlungsspielraum als Linke dadurch ein Stück eingeengt wäre, würde ich das immer billigend in Kauf nehmen. Es geht ja nicht primär um die Partei. Die Partei ist kein Selbstzweck. Es geht darum, die Verhältnisse in Deutschland anders zu organisieren. Dass ich überhaupt WASG mit gegründet habe, tue ich ja eigentlich ein Stück weit aus Not."
Der gelernte Drucker und - so wörtlich - Chefvolkswirt der Arbeitnehmervertretung Verdi trat im Jahr 2005 aus der SPD aus, zählt zu den Mitgründern der Wahlalternative Soziale Gerechtigkeit und ist nun über die Liste Baden-Württemberg in den Bundestag eingezogen. Langfristig sieht er einen Platz links neben der SPD:
"Es geht zum Beispiel um die Frage Wirtschaftsdemokratie; inwieweit zum Beispiel Wirtschaftsdemokratie mit Konzepten dergestalt eben Hebel einsetzen kann, um kapitalistische Produktionsverhältnisse zu überwinden. Das ist ja der Unterschied zwischen Sozialdemokratie. Die Sozialdemokratie will im Grundsatz innerhalb dieser Gesellschaftsverhältnisse bleiben; sie ist der Auffassung, dass Kapitalismus oder ein marktwirtschaftlicher Kapitalismus, dass das im Grunde genommen das Ende der Menschheitsgeschichte ist. Wir sind der Auffassung, dass das nicht das Ende der Menschheitsgeschichte ist."
Wen immer man heute in der Linken nach der Perspektive einer Annäherung zwischen SPD und Linken fragt - die Antwort beginnt stets mit dem Hinweis auf die SPD, die sich ja so weit von ihrer eigentlichen Klientel entfernt habe. Horst Kahrs - in der Parteizentrale für strategische Fragen verantwortlich, warnt die Genossen davor, sich allein über die Defizite der SPD zu definieren:
"Sich über die Schwächen eines anderen zu definieren, ist bei Parteien wie im täglichen Leben: Man vergisst, die eigenen Stärken zu entwickeln. Man bekommt nur dann ein Problem, wenn der andere seine Schwächen erkannt hat und sie versucht, in Stärken zu verwandeln."
Vielmehr müsse die Linke endlich eigene klare Positionen - über Wahlkampfslogans hinaus formulieren - und sich ein Programm geben. Doch der dafür zuständige Parteichef Lothar Bisky scheint weiterhin keine Eile zu haben
"Die Zeit der festen Programme, das war das 20. Jahrhundert; jetzt muss man sich dynamisch auch gegenüber programmatischen Fragen verhalten. Die Gesellschaft verändert sich und die programmatischen Fragen werden auch nicht auf ewig da sein, aber wir arbeiten hart daran."
Und so bleibt die Partei, die am Wahlabend auf Bundesebene den größten Zuwachs für sich verbuchen konnte, auf der Suche nach Koalitionspartner und sich selbst.
Wenn der wortgewaltige Gregor Gysi überschwänglich in den Applaus der bunt gemischten Anhängerschar seiner stolzen Linken hineinruft, so kommt Begeisterung zurück - nicht nur am Wahlabend.
"Seit 1949 hat es in der Bundesrepublik noch nie ein zweistelliges Wahlergebnis für eine politische Kraft links von der Sozialdemokratie bei einer Bundestagswahl gegeben, das ist wirklich eine gravierende Veränderung, weil es vor allen Dingen in den alten Bundesländern doch erhebliche Schwierigkeiten im Umgang mit einer Partei links von der Sozialdemokratie gab und wahrscheinlich auch zum Teil noch gibt, trotzdem ist dort eine Akzeptanz erreicht worden, die erstaunlich ist."
Und doch muss sich die Linke, die am vergangenen Sonntag bundesweit fast zwölf Prozent der Stimmen auf sich vereinen konnte, nun Gedanken über die langfristige Akzeptanz und Strategie machen. Wer aus Protest die Linke gewählt hat - mehr als eine Million Wähler kamen von der SPD - könnte aus Protest auch wieder einer anderen Partei seine Stimme geben - oder zur SPD zurückkehren, wenn diese Gysis Ratschlag folgt und sich re-sozialdemokratisiert.
"Wenn jetzt beide Parteien in der Opposition sind, spricht es dafür, dass sich das eine oder andere lockert, nur: Die Auseinandersetzungen finden doch nicht bei uns statt, sondern in der SPD. Die muss doch wissen, welchen Kurs sie geht, und das wird sie schon eine Weile lang aufhalten."
Erst einmal wird sich eine Opposition im Bundestag formieren, bei der die dunkelroten Bundestagsabgeordneten nicht mehr nur neben den Grünen, sondern auch im Schatten der SPD Platz nehmen - "zwangsvereinigt in der Opposition", wie das "Neue Deutschland" titelte.
"Im Bundestag selbst werden wir weiterhin eine Oppositionsrolle spielen und werden weiterhin von den anderen als Störenfried wahrgenommen werden. Das ist auch alles gar nicht so tragisch; wir müssen uns ja nicht so umstellen, wie sich die SPD umstellen muss; trotzdem kann auch unsere Rolle nicht die gleiche bleiben, denn wir sind deutlich gestärkt. Im Übrigen ist unsere Fraktion so zusammengesetzt, weil sie den Pluralismus unserer Partei hervorragend widerspiegelt."
Gysi wird neben Oskar Lafontaine weiter als einer der beiden Fraktionsvorsitzenden der Linken seine rhetorischen Feuerwerke im Bundestag zünden und eine nun 76 Parlamentarier zählende Fraktion zusammenhalten - keine leichte Aufgabe, so unterschiedlich die politische Sozialisierung der Genossen: Da gibt es einen radikal-antikapitalistischen Flügel aus westdeutschen Alt-Linken sowie pragmatische Reformer aus den ostdeutschen Ländern. Zu ihnen zählt Gesine Lötzsch. Sie ist seit 2005 stellvertretende Fraktionsvorsitzende, hat ihren Wahlkreis Berlin-Lichtenberg mit Bravour und 47 Prozent geholt und will davon, dass die SPD in der Opposition vielleicht noch weniger mit der Linken zu tun haben will als ohnehin schon, nichts wissen
"Wichtig ist für alle in der Partei, dass wir konkrete Veränderungen, soziale Verbesserungen erreichen und man wird unterschiedlicher Meinung sein, wie man die erreichen kann. Es ist jetzt auch nicht unsere Aufgabe, zu allererst auf die SPD zuzugehen, es ist ja auch intensiver Wahlkampf gegen uns als Linke gemacht worden, und wir werden uns auch intensiv verbünden müssen mit Gewerkschaften, mit Bewegungen, mit Vereinen, mit außerparlamentarischen Gremien und ich glaube, dass gerade in Zeiten von Schwarz-Gelb die kämpferische Rolle von Gewerkschaften wieder stärker wird."
Dass sich die Linke im Westen mehrheitlich aus enttäuschten Gewerkschaftern speist, dafür steht der neu ins Parlament gewählte Abgeordnete Michael Schlecht.
"Wenn wir am Ende wieder eine SPD hätten, die re-sozialdemokratisiert wäre, dann wäre das ja absolut positiv für unser Land. Wenn unser Handlungsspielraum als Linke dadurch ein Stück eingeengt wäre, würde ich das immer billigend in Kauf nehmen. Es geht ja nicht primär um die Partei. Die Partei ist kein Selbstzweck. Es geht darum, die Verhältnisse in Deutschland anders zu organisieren. Dass ich überhaupt WASG mit gegründet habe, tue ich ja eigentlich ein Stück weit aus Not."
Der gelernte Drucker und - so wörtlich - Chefvolkswirt der Arbeitnehmervertretung Verdi trat im Jahr 2005 aus der SPD aus, zählt zu den Mitgründern der Wahlalternative Soziale Gerechtigkeit und ist nun über die Liste Baden-Württemberg in den Bundestag eingezogen. Langfristig sieht er einen Platz links neben der SPD:
"Es geht zum Beispiel um die Frage Wirtschaftsdemokratie; inwieweit zum Beispiel Wirtschaftsdemokratie mit Konzepten dergestalt eben Hebel einsetzen kann, um kapitalistische Produktionsverhältnisse zu überwinden. Das ist ja der Unterschied zwischen Sozialdemokratie. Die Sozialdemokratie will im Grundsatz innerhalb dieser Gesellschaftsverhältnisse bleiben; sie ist der Auffassung, dass Kapitalismus oder ein marktwirtschaftlicher Kapitalismus, dass das im Grunde genommen das Ende der Menschheitsgeschichte ist. Wir sind der Auffassung, dass das nicht das Ende der Menschheitsgeschichte ist."
Wen immer man heute in der Linken nach der Perspektive einer Annäherung zwischen SPD und Linken fragt - die Antwort beginnt stets mit dem Hinweis auf die SPD, die sich ja so weit von ihrer eigentlichen Klientel entfernt habe. Horst Kahrs - in der Parteizentrale für strategische Fragen verantwortlich, warnt die Genossen davor, sich allein über die Defizite der SPD zu definieren:
"Sich über die Schwächen eines anderen zu definieren, ist bei Parteien wie im täglichen Leben: Man vergisst, die eigenen Stärken zu entwickeln. Man bekommt nur dann ein Problem, wenn der andere seine Schwächen erkannt hat und sie versucht, in Stärken zu verwandeln."
Vielmehr müsse die Linke endlich eigene klare Positionen - über Wahlkampfslogans hinaus formulieren - und sich ein Programm geben. Doch der dafür zuständige Parteichef Lothar Bisky scheint weiterhin keine Eile zu haben
"Die Zeit der festen Programme, das war das 20. Jahrhundert; jetzt muss man sich dynamisch auch gegenüber programmatischen Fragen verhalten. Die Gesellschaft verändert sich und die programmatischen Fragen werden auch nicht auf ewig da sein, aber wir arbeiten hart daran."
Und so bleibt die Partei, die am Wahlabend auf Bundesebene den größten Zuwachs für sich verbuchen konnte, auf der Suche nach Koalitionspartner und sich selbst.