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Rot-Schwarz oder Rot-Grün?

Jens Böhrnsen von der SPD wird Regierungschef in Bremen bleiben. Nach der Wahl hat er aber zwei Optionen: entweder dem bisherigen Koalitionspartner CDU die Stange zu halten oder sich auf die Grünen einzulassen, die sensationell zugelegt haben.

Von Karl-Heinz Gehm und Folkert Lenz |
    Guten Abend, meine Damen und Herren! Noch ist nicht klar, wie genau es in Bremen nach der Wahl von gestern weitergeht, welche Regierung, welche Koalition sich dort bildet. Das Einzige, was als sicher gilt: Jens Böhrnsen, SPD wird Regierungschef bleiben. Nun hat er aber gleich zwei Optionen dabei: entweder dem bisherigen Koalitionspartner CDU die Stange zu halten oder sich auf die Grünen einzulassen, die sensationell zugelegt haben. Auch wenn es nur um einen kleinen Stadtstaat ging oder geht, das Ergebnis bietet den Politikinteressierten doch jede Menge Facetten - und den Bremern allemal. Unser Korrespondent in der Hansestadt, Folkert Lenz, über die Situation vor Ort.


    Nein, Katzenjammer herrschte bei der Bremer SPD heute wahrlich nicht. Zwar hatten die Weser-Genossen eigentlich auf ein Wahlergebnis von über 40 Prozent spekuliert. Doch das tat der Freude darüber keinen Abbruch, sich den künftigen Regierungspartner aussuchen zu dürfen. SPD-Landesvorsitzender Uwe Beckmeyer analysiert:

    "Wir sind ja in den letzten 14 Tagen vor der Wahl schon pausenlos als Gewinner der Wahl ausgerufen worden durch die verschiedenen Veröffentlichungen von Meinungsumfragen. Und das hat sicherlich auch den einen oder anderen bewogen, zu sagen: Okay, das ist alles hier schon entschieden. Wir brauchen da eigentlich gar nicht mehr richtig hin zu gehen."

    Vielleicht deswegen musste die SPD selbst in Bremen Federn lassen. Bis Pfingsten will sie nun entscheiden, wen sie zum Regieren mit ins Boot nimmt, ob den bisherigen Juniorpartner CDU, geschwächt durch große Wählerverluste, oder die Grünen, die mit dem besten Ergebnis, das die Ökopartei je in einem Landtag erzielt hat, selbstbewusst in die Sondierungsgespräche gehen. Egal wer das kleinste Bundesland künftig führt, an der Ausgangslage für Bremen hat der Wahltag nichts geändert. Die Hansestadt bleibt das Land mit der höchsten Verschuldung je Einwohner: Über 21.000 Euro sind es pro Kopf. Eine Hypothek auch für die neue Regierung, meint der Wirtschaftswissenschaftler Wolfram Elsner von der Universität Bremen:

    "Künftige Generationen von Abgeordneten haben gar nichts mehr zu entscheiden, wenn man es auf den Punkt bringen will. Und künftige Generationen von Menschen, die heranwachsen, für die ist auch nichts mehr zu entscheiden."

    Auf knapp 14 Milliarden Euro summieren sich mittlerweile Bremens Miese. Jede Sekunde kommen noch einmal 33 Euro drauf. Diese Rechnung hat der Steuerzahlerbund aufgemacht. Mit eigenen Mitteln kann sich das Land nicht aus der Schuldenfalle befreien. In diesem Jahr wollen Bremen und Bremerhaven rund vier Milliarden Euro ausgeben. Doch in die Kasse kommen gerade mal drei Milliarden. Ein Viertel des Etats muss also mit neuen Krediten finanziert werden - ein Teufelskreis! Aus diesem will der Zwei-Städte-Staat nun raus. Beim Sparen allerdings ist das Ende der Fahnenstange längst erreicht. Da sind sich die Haushaltsexperten Bremens einig.

    Beispiel öffentlicher Dienst: Für die Beschäftigten des Landes geht rund ein Viertel des Etats weg. Dabei hat Bremen im vergangenen Jahrzehnt die Anzahl der Stellen schon um über 20 Prozent reduziert. Und die verbleibenden Angestellten mussten finanziell bluten: Das Urlaubsgeld weg! Weihnachtsgeld gekürzt! Und trotzdem: Wenn irgendwo noch gespart werden kann, dann hier, glaubt der stellvertretende Bürgermeister Thomas Röwekamp:

    "Der Haushalt ist weitgehend ausgequetscht, aber trotzdem gibt es an der einen oder anderen Stelle Dinge, über die man jeden Tag kritisch nachdenken muss. Wir müssen natürlich sehen, dass wir bei der Gehaltsentwicklung im öffentlichen Dienst nicht wieder verfallen in die Politik der 70er Jahre, wo wir Masseneinstellungen hatten, sondern wir müssen versuchen, das auf dem Kurs zu halten, den wir haben. Es gibt eine Kultur des Sparens und nicht mehr des Geldverschwendens in den öffentlichen Haushalten."

    Doch mit Sparen allein ist es ohnehin nicht getan, das weiß auch der CDU-Mann. Bremen schielt deshalb auf neue Hilfen durch die anderen Länder. Schon einmal hat das Bundesverfassungsgericht dem notleidenden Weserstaat 8,5 Milliarden Euro zugesprochen, damit Bremen seine Kassen in Ordnung bringt. Am Ende war der Schuldenberg aber höher als zuvor. Denn Bremen sei ein Opfer der unfairen Steuerverteilung, wiederholt die Landesregierung gebetsmühlenartig.

    150.000 Niedersachsen pendeln jeden Tag nach Bremen und Bremerhaven ein, um dort zu arbeiten. Ihre Steuern aber zahlen sie in Niedersachsen. Ein typisches Problem der Stadtstaaten, denen schlicht der reiche Speckgürtel fehlt. Gegen diese Art der Steuerzerlegung wehrt sich das Land nun erneut mit einer Klage in Karlsruhe. Der sozialdemokratische Regierungschef Jens Böhrnsen:

    "Bremen hat leider nicht die Steuereinnahmen, die ihm auf Grund seiner Wirtschaftskraft eigentlich zustehen. Deswegen kämpfen wir beim Bundesverfassungsgericht um eine faire, um eine gerechtere Steuerverteilung zu Gunsten Bremens"

    und um eine Teilentschuldung durch den Bund. Berlin allerdings hat gerade Ähnliches versucht in Karlsruhe. Doch die Hauptstadt legte vor Gericht eine glatte Bauchlandung hin. Nicht einen Cent sprachen die Verfassungshüter im Frühjahr den Berlinern zu. Klamm mag die Stadt ja sein, hieß es damals. Doch eine extreme Haushaltsnotlage liege trotz der angehäuften Miesen nicht vor, so die Argumentation. Und mit einem Seitenblick auf Bremen und das Saarland hieß es, auch diese klagenden Länder könnten die prinzipielle Haltung des Gerichts an diesem Urteil ablesen.

    Dabei schielt das kleinste Bundesland nicht so sehr auf die anderen Habenichtse. Bremen will einen Pakt schmieden mit den Mächtigen, mit den Reichen. Gerade die hätten ein Interesse daran, ein neues Ausgleichssystem zwischen den Ländern zu etablieren, das Leistungen und wirtschaftliche Anstrengungen auch belohnt. Es dürfte ein ordentliches Stück Arbeit sein, den Ministerpräsidenten der wohlhabenden Regionen klar zu machen, dass Bremen zwar dynamisch, kraftvoll und wirtschaftlich potent ist - zugleich aber Geld haben möchte.

    An Jens Böhrnsen ist es nun, das nötige Verhandlungsgeschick zu beweisen. Denn der Präsident des Senats sitzt als Koordinator und Sprecher für die Sozialdemokraten in der Kommission, die über die Föderalismusreform II verhandelt. Ob sich Bremens Position durch das Wahlergebnis und eine möglicherweise neue Regierungskoalition verändert, ist unklar. Die Bremer Union hatte vor der Wahl davor gewarnt, ein rot-grünes Experiment an der Weser zu wagen, während in Berlin eine große Koalition das Sagen hat. Das bekräftigte heute auch noch mal CDU-Fraktionschef Hartmut Perschau. Ihm bereite Sorge,

    "dass bei einer Koalition zwischen SPD und Grünen die Politik sehr weit nach links wegrutscht. Und ich glaube, dass das für die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts ein Riesenproblem werden kann, sicherlich auch die schwierige Verhandlungsposition, die wir haben, im Verhältnis zum Verfassungsgericht, im Verhältnis zur Föderalismuskommission."

    Denn sollte kein neues Geld aus Berlin fließen, dann sieht es finster aus für die Pläne der SPD. Sie hatte mehr Ganztagsschulen versprochen, wollte die Kinderbetreuung auch für die unter Dreijährigen ausbauen. Gleiches gilt für die Grünen: Sie fordern eine zweite Kindergartenkraft in den Horten und wollen Geld loseisen, damit die Universität und die Hochschulen des Landes nicht gar so bluten müssen wie angedacht.


    Fasst man das Wahlergebnis unter dem Strich zusammen, so stellen sich in aller Deutlichkeit zwei Phänomene heraus: einmal die Erosion der Großen SPD und CDU und zum Anderen die überraschende Stärke der so genannten Kleinen. Wir haben dazu Richard Hilmer vom Meinungsforschungsinstitut infratest dimap gefragt, ob das ein neuer Trend ist - nicht nur in Bremen.

    Richard Hilmer: Nun, der Trend der Erosion der Volksparteien ist ein längerfristiger Trend, der sich allerdings in Bremen sicherlich dadurch noch einmal verstärkt hat, dass die beiden großen Parteien in einer Regierung sitzen. Und wenn dann dazu kommt, dass eine Bevölkerungsmehrheit mit dieser Regierung nicht mehr so zufrieden ist, wie das noch die Legislaturperioden zuvor der Fall war, dann drohen eben beide Parteien abgestraft zu werden. Insofern ist dieses Ergebnis sicherlich zum einen eine Fortsetzung eines Trends, der schwer zu stoppen ist für die großen Parteien, der aber auf der anderen Seite sicherlich in dieser Intensität die Besonderheit der Bremer Verhältnisse widerspiegelt.

    Deklinieren wir das jetzt mal im Einzelnen durch: Die SPD, zunächst Bürgermeister Jens Böhrnsen strahlt. Mit den Verlusten scheint er sich gar nicht erst richtig beschäftigen zu wollen. Haben sich die Bremer einen starken SPD-Mann an der Spitze ihre Landes gewünscht?

    Hilmer: Ja ich denke, das war völlig unumstritten. Wir haben ja auch die Personenkomponente in unseren Umfragen sehr stark beleuchtet, und dort ist sehr eindeutig zum Ausdruck gekommen, dass eben die Bremer wieder von einem SPD-Bürgermeister, in dem Fall eben von Böhrnsen, regiert werden wollen. Böhrnsen hat es in relativ kurzer Zeit geschafft, fast ebenso hohe Sympathiewerte zu erhalten, wie das zuvor bei Scherf der Fall war. Allerdings was er eben auch nicht verhindern konnte, war eben die Tatsache, dass zum einen eben die Zufriedenheit mit dem Bremer Senat doch deutlich gegenüber den Vorgängerperioden gesunken ist und infolgedessen auch die SPD letztlich dann Verluste zu erleiden hatte, die in unterschiedliche Richtungen gingen.

    Vor allen Dingen auch in die Richtung der Linken, was hat die SPD an dieser Flanke falsch gemacht?

    Hilmer: Die SPD hat ja schon frühzeitig Leute verloren, gerade eben so die so genannten kleinen Leute, die sich in Großstädten gerade wie Hamburg und Bremen nicht mehr in dem Maße von der SPD vertreten fühlten, wie das noch in früheren Jahren der Fall war, als die SPD eben noch absolute Mehrheiten in diesen Städten einbrachte. Diesmal bot sich zum einen auch die Linkspartei als Auffangbecken für diesen Protest an. Allerdings gab es noch weitere Bevölkerungsgruppen, nämlich insbesondere die gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmerschaft, die in Teilen zumindest in der Linkspartei eine stärkere Vertretung ihrer gewerkschaftlich derzeit ja auch stark dokumentierten Interessen vertreten fühlten und sich in großer Zahl der Linkspartei diesmal zuwandten.

    Auch hier wieder die Frage: Ist das eine Eintagsfliege, der Wahlerfolg der Linken oder folgen jetzt nächstes Jahr nur noch Niedersachsen und Hessen nach und Hamburg vielleicht, wie es Gregor Gysi angekündigt hat? Um Land für Land will er ja kämpfen. Was lassen da Ihre Analysen erwarten?

    Hilmer: Wenn wir uns die Erwartungen ansehen, dieser Wähler an diese Linkspartei, dann sehen wir allerdings, dass die Erwartungen ziemlich bescheiden sind. Die Kompetenzwerte dieser Partei sind selbst eben in der eigenen Wählerschaft nicht allzu ausgeprägt, das beschränkt sich im Wesentlichen auf den Hüter der sozialen Gerechtigkeit. Hier spielt sie sozusagen die Rolle eines Ombudsmannes oder einer Ombudspartei im Parlament. Das ist ihr wesentlicher Auftrag. Gestaltungskraft wird ihr auch von den eigenen Anhängern nur in wenigen Bereichen zugebilligt. Also insofern ist es mit Sicherheit noch keine Verfestigung. Aber es ist eben eine, wenn man so will, Wiederholungstat nach der Bundestagswahl. Also insofern muss sich die SPD natürlich schon verstärkt mit dieser Alternative auseinandersetzen. Das wird eine Alternative sicherlich auch für die nächsten Wahlen sein.

    Wer etwas dumm dasteht, ist Thomas Röwekamp von der CDU, der ja jetzt nur abwarten kann, wie sich die Sozialdemokraten entscheiden. Was will nach Ihren Beobachtungen die Bremer Wählerschaft? Neuerdings Rot-Grün oder weiter Rot-Schwarz, wie in den letzten zwölf Jahren auch?

    Hilmer: Die ältere Bevölkerung ist in der großen Mehrheit nach wie vor für eine Fortsetzung der Großen Koalition, während die junge Bevölkerung sich eher für Rot-Grün ausspricht.

    Sehen Sie in diesem fantastischen Ergebnis der Grünen auch den Beginn einer Renaissance, ja vielleicht nach Joschka Fischer in die Richtung, dass die Bundesbürger nach den Debatten über den Klimawandel zum Beispiel wieder eine kompetente Umweltpartei in Regierungen sehen wollen?

    Hilmer: Wenn wir heute die Profile der Grünen in Bremen auch in anderen Wahlen uns ansehen, dann ist es eben nicht mehr die Partei, die one-issue-Partei, die sich auf ein Themenfeld im Wesentlichen konzentriert, auf die Umweltpolitik. Den Grünen werden gerade von der eigenen Wählerschaft vor allen Dingen auch Kompetenzen im Bereich der Sozialpolitik, im Bereich der Bildungspolitik, im Bereich der Integrationspolitik, das heißt in Politikfeldern zugesprochen, die gerade in großstädtischen Milieus von erheblicher Bedeutung sind. Allerdings gibt es nach wie vor den Vorbehalt, dass die Grünen, zumindest alleine, in Sachen Wirtschaftskompetenz doch noch einiges dazulernen müssen, dass sie diesen Bereich eher etwas vernachlässigen.


    Die Bundeskanzlerin hat am Tag danach in Berlin Stellung bezogen, wie sie den Wahlausgang bewertet. Und siehe da: Angela Merkel kann keinerlei Auswirkungen des Bremer Ergebnisses auf ihre Große Koalition erkennen. Das Arbeitsprogramm von CDU/CSU und SPD in der Hauptstadt werde unbeirrt fortgesetzt. Eine Analyse der Stimmungslage von Karl-Heinz Gehm.

    Die Signale aus Bremen und die Echos in den Berliner Parteizentralen, die aber sind überaus widersprüchlich:

    "Der Wahlerfolg der Sozialdemokraten in Bremen reiht sich ein in die vorherigen Landtagswahlen."

    "Die SPD hat nicht glanzvoll gewonnen, das behaupte ich überhaupt nicht."

    "Wir wissen seit 60 Jahren, dass für die CDU in Bremen die Bäume nicht in den Himmel wachsen."

    Wo Parteigranden gewohnt professionell taktieren, geben sich andere wie etwa der sächsische Ministerpräsident Milbradt weit weniger zurückhaltend:

    "Es ist für die CDU und für die große Koalition enttäuschend, aber ..."

    Andere, wie der der grüne Parteivorsitzende Reinhardt Bütikofer, geben sich nach Bremen fast schon euphorisch:

    "'"Dieser Montag erscheint mir in ganz widersprüchlichem Licht. Wir haben auf der einen Seite das stagnierende Elend der Großen Koalition, aber auf der anderen Seite das klare Signal aus Bremen für einen Aufbruch ins Grüne.""

    Die Linke mit ihrem ersten Einzug in einen westdeutschen Landtag will da nicht nachstehen. Parteichef Bisky:

    "Die Wahlergebnisse in Bremen und in Bremerhaven sind ein sensationeller Erfolg für die Linken."

    Die Große Koalition in Bremen abgestraft, die Kleinen, allen voran die Linkspartei, legen zu, und in Berlin kommen die Koalitionäre ins Grübeln. Und Angela Merkel, Kanzlerin und CDU-Vorsitzende, tarockt Richtung Koalitionspartner noch etwas nach:

    "Für mich zeigt sich damit, dass es sich nicht ausgezahlt hat, in bestimmten Themen, zum Beispiel beim Thema Mindestlohn, in einen Wettlauf mit den links von der SPD stehenden Parteien hineinzugehen. Ich glaube, das ist die falsche Richtung."

    Das Problem der SPD mit der Linkspartei: Die sieht sich durch den Bremischen Erfolg im Aufwind und beflügelt für die im nächsten Jahr anstehenden Landtagswahlen. Gregor Gysi:

    "Wir werden jetzt Land für Land auch in den alten Bundesländern kämpfen landespolitische Kompetenz auszustrahlen, um eben immer mehr eine bundesdeutsche linke Kraft zu werden."

    Die SPD sucht auch nach Bremen noch immer eine klare Linie gegenüber dem auf der Linken heranwachsenden politischen Konkurrenten. Ein Wettbewerb um Populismus werde es nicht geben, so Parteichef Beck. Sein Rezept:

    "Wir reden mit den Menschen, die diese Partei gewählt haben, und wir reden mit denen, die sich das vielleicht überlegen. Das ist unsere Klientel und nicht mit Funktionären."

    Andere Gespräche aber sind viel dringlicher und stehen in den nächsten 14 Tagen auf der Agenda: die Konsultationen darüber, mit wem die Sozialdemokraten in Bremen koalieren werden. In Berlin gibt sich der Parteivorsitzende Beck
    ganz formal:

    "Das ist eine Entscheidung, die Jens Böhrnsen und Uwe Beckmeyer und die Sozialdemokratie in Bremen trifft."

    Andere aus der SPD-Spitze machten heute am Rande der Präsidiumssitzung aus ihrer Präferenz für die künftige Bremer Koalition keinen Hehl, zum Beispiel Andrea Nahles:

    "Ich glaube schon, dass die Bremer durchaus Lust auf andere Farbenspiele haben. Und Rot-Grün ist doch eine schöne Farbe. Die Bremer entscheiden selber, aber wir auf der Bundesebene würden uns über mehrere Optionen sicherlich auch freuen."

    Mag die SPD-Spitze in Berlin zwar noch verbal taktieren hinsichtlich eine rot-grünen Renaissance, für die grüne Parteispitze ist dagegen ein rot-grüner Senat in Bremen geradezu zwangsläufig. Claudia Roth:

    "Dieses Ergebnis ist ein deutliches Signal, ein überdeutliches Signal für den Wechsel. Die SPD muss sich nun wirklich entscheiden, ob sie sich aus dieser Umklammerung der Großen Koalition, die abgewählt worden ist, lösen will."

    Kanzlerin Merkel gibt sich derweil politisch überaus realistisch:

    "Abgesehen von diesen drei wichtigen Stimmen bezüglich der Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundesrat, die ja bei Verfassungsänderungen schon eine Rolle spielen können, erwarte ich keine Auswirkungen für die Bundespolitik. Ich sehe da jetzt kein Stimmungsbarometer für das, was wir uns auf der Bundesebene vorgenommen haben."

    Allerdings: Am Zuge ist die SPD, darauf weist die Kanzlerin ausdrücklich hin:

    "Die CDU ist bereit, Verantwortung zu tragen, aber die SPD muss sich entscheiden."

    Und die hat im Nachklang zu den Bremer Wahlergebnissen, die pünktlich zum ersten Jahrestag der Amtszeit des Parteivorsitzenden Beck im Präsidium erörtert wurden, Entscheidungen vorzubereiten, die wohl größere Auswirkungen auf die Politik der Partei haben werden als die Frage, ob nun in Bremen Rot-Schwarz oder Rot-Grün regiert wird. Kurt Beck nämlich, arg in die öffentliche Kritik geraten, aber innerparteilich durchaus wohlgelitten und geschätzt, müht sich um eine organisatorische Neuaufstellung der SPD. Konkret heißt dies: die Parteispitze muss auf dem Bundesparteitag im Herbst in Hamburg neu strukturiert, die Schlagkraft muss verbessert werden. Statt fünf Stellvertreter soll es künftig nur noch drei geben. Geht es nach Beck, sollen Andrea Nahles, Außenminister Steinmeier und Finanzminister Steinbrück seine Stellvertreter sein. Ein Riesensprung für Steinmeier, der bislang keinerlei Parteiamt innehat.