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Rote Sumpfkrebse
"Berliner Hummer" als Delikatesse

Der ursprünglich aus den USA stammende rote Sumpfkrebs bedroht in Berlin zunehmend heimische Arten. Um seine rasante Vermehrung einzudämmen, haben die Behörden nun grünes Licht dafür gegeben, dass die Tiere gefangen und verkauft werden dürfen - an Restaurants und Fischhändler.

Von Anja Nehls | 14.05.2018
    Ein Fahrradfahrer beobachtet im Tiergarten in Berlin einen roten amerikanischen Sumpfkrebs (Procambarus clarkii) auf einem Weg.
    2017 wurden in Berlin 4.000 amerikanische Sumpfkrebse gefangen (picture alliance / Gregor Fischer/dpa)
    Bis zur Brust in wasserdichten Gummihosen stehen zwei Fischer dicht am Ufer im Neuen See im Berliner Tiergarten und wuchten eine lange Reuse aus dem Wasser.
    "In drei Reusen haben wir 1.100 Krebse mal gefangen."
    Soviel ist es diesmal nicht, aber Fischer Malte Ferichs ist trotzdem zufrieden. In den rund gespannten Netzen krabbeln circa drei Dutzend rot-schwarze Krebse. Weil die sich in den vergangenen Jahren so stark in Berliner Gewässern vermehrt haben, dürfen sie jetzt professionell gefangen werden. Zur Begeisterung der Parkbesucher. Die stehen dabei und machen Fotos. Als einer der Krebse gemächlich über den Parkweg krabbelt pfeift dieser Spaziergänger allerdings lieber seinen Hund zurück:
    "Die sind nämlich auch sehr aggressiv – Balou – wenn man zu nahe kommt, die gehen sofort in Angriffsstellung, stellen sich hoch, stellen sich auf die Hinterbeine und gehen richtig mit den Scheren so in Abwehrstellung."
    Das nützt den Gefangenen in den Reusen allerdings nichts mehr. Regelmäßig gehen ab jetzt zwei professionelle Fischer aus Spandau auf Krebsjagd:
    Grünes Licht für den Sumpfkrebsfang
    "Einmal um den Bestand zu reduzieren und natürlich will man den essen. Fische oder Tiere rauszufangen, um sie nicht zu verwerten, ist schwachsinnig. Es geht darum, es ist ein gutes Nahrungsmittel, ein leckeres Nahrungsmittel, deshalb, rausfangen, essen."
    Dafür haben die Behörden jetzt grünes Licht gegeben. In Supermärkten sind solche Krebse der Hauptlieferant für das sogenannte Louisiana Flusskrebsfleisch. Denn von dort, aus dem Süden der USA und Mexiko stammt der rote amerikanische Sumpfkrebs ursprünglich – wie der Name schon sagt.
    Seit einigen Jahren ist er nun auch in Berlin heimisch und hat sich rasant vermehrt, nicht nur im Tiergarten, sondern auch zum Beispiel am Tegeler See im Berliner Norden und im Britzer Garten im Süden, erklärt Derk Ehlert. Mitarbeiter in der Berliner Umweltverwaltung:
    "Das sind sogenannte invasive Arten, das heißt, hier eingeschleppt, machen sie sich breit und vermutlich sind sie eingebracht worden von Zoohändlern und sogenannten Tierfreunden, die vielleicht aus falsch verstandener Tierliebe das Tier mal rausgesetzt haben, weil sie es nicht essen wollten, weil es im Terrarium keinen Platz mehr gehabt hat.
    Man darf sie ja rechtmäßig auch innerhalb der Gebäude halten, aber nicht nach draußen bringen. Das Ausbringen von wilden Tieren ist nicht gestattet. Was den amerikanischen Sumpfkrebs allerdings wenig stört. Er fühlt sich ganz wohl in Berlin – und das liegt wohl auch am Klimawandel und den vergangenen warmen Wintern. Dreimal im Jahr kann er 40 bis 50 Eier legen und theoretisch über zehn Jahre alt werden. Die Zunahme der Population sehen Umweltschützer aber durchaus auch kritisch, meint Ulrike Kielhorn vom NABU:
    "Das Problem ist, dass er unsere heimischen Arten verdrängt, dass er auch Krebspest überträgt. Krebspest ist eine Infektionskrankheit, ein Pilz, der die heimischen Arten dann tötet. Der rote amerikanische Sumpfkrebs selbst ist immun dagegen."
    Vermarktungsideen gibt es viele
    Also muss er nun raus. Bereits im vergangenen Jahr wurden im Tiergarten über 4.000 Krebse gefangen. Damals mussten sie allerdings noch vernichtet werden. Jetzt dürfen sie auf den Teller. Vielleicht unter dem Namen "Berliner Hummer", meint der Gastronom Matthias Engels:
    "Produkt für jedermann, aber auch für die Berliner Spitzengastronomie. Am einfachsten ist, wir kochen ihn in Salzwasser, wir können ihn aber auch total gerne grillen und dann schauen wir mal, was für Produkte wir daraus noch entwickeln können."
    Die Tiere werden lebend an Restaurantbetriebe vermarktet oder tot über Berliner Fischhändler an den Endverbraucher. Der Fischer selber will an seinem Fischstand in Berlin Spandau demnächst Krebsbrötchen anbieten.