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Roter Schnee und grünes Eis

Biologie. - Bei Algen fällt der Gedanke schnell auf Meer, Aquarium oder den Gartentümpel. Allerdings gibt es unter den Photosynthese treibenden Mikroorganismen auch echte Spezialisten mit dem Hang zu Extremen. Diese so genannten Extremophilen leben in kargen Umgebungen wie etwa Eis und Schnee. Eine Expedition des Fraunhofer Instituts für Biomedizinische Technik untersuchte die Überlebenskünstler vor Spitzbergen an der Ostküste Norwegens.

    "Unsere Suche nach extremophilen Algen vor Spitzbergen war sehr erfolgreich. Das überrascht aber auch nicht, denn wir betreiben die Forschung an Schneealgen bereits seit zehn Jahren und wissen, wo sie wachsen", berichtet Professor Günter Fuhr vom Fraunhofer Institut für Biomedizinische Technik IBMT in Sankt Ingbert. Erst am vergangenen Sonntag war die Expedition nach zweiwöchiger Fahrt zurückgekehrt. Der Zeitpunkt der Forschungsfahrt war offenbar günstig, denn in diesem Jahr sei die Schneealgenblüte besonders reichhaltig ausgefallen. Dies sei offenbar Folge einer größeren Schmelze, wodurch die Schneefelder eine größere Feuchte als üblich aufwiesen und damit den Organismen optimale Bedingungen bereiteten.

    "Bei Schneealgen handelt es sich um Süßwasser-Mikroalgen, die selbst nur im Mikroskop zu sehen sind. Aber aus größerer Entfernung färben sie Schneefelder vor allem rot, teilweise auch grünlich ein. Solche Flächen können Ausmaße von bis zu einem Quadratkilometer erreichen", so der Expeditionsleiter. Die auffallende Färbung rühre von besonderen Formen der Schneealgen her, die die charakteristischen Farbstoffe erzeugen und einlagern. "Ziel der Unternehmung ist es, die verschiedenen Arten in eine Laborkultur sowie in eine Biosammlung zu überführen. Erst damit wird die exakte Untersuchung der Organismen letztlich möglich." Die Kälte liebenden Algen besitzen vegetative sowie geschlechtliche Verehrungszyklen, wobei jeder 20 oder sogar mehr Formen ausbilde. Durch Einzelzellklonierung und genetische Charakterisierung sollen jetzt die vorgefundenen gemischten Populationen aus verschiedenen Algenarten detailliert analysiert werden. "Diese Systematik ist die Grundlagenforschung in unserem Projekt und bei weitem noch nicht vollständig. Der zweite Part widmet sich auf dem Gebiet der Biotechnologie den Anpassungen der Mikroorganismen an das Überleben in der Kälte."

    Um der widrigen Umwelt zu widerstehen, entwickelten Schneealgen in ihrer Evolution beispielsweise eigene enzymatische Systeme, erlernten, Farbstoffe zu akkumulieren, und können ein Einfrieren in Flüssigkeiten auch ohne besondere Kälteschutzmittel überleben. "Die rote Färbung, die den Algen im Mittelalter den Namen Blutschnee eintrug, rührt von akkumuliertem Öl und Carotinoiden her. Diese antioxidativ wirkenden Carotinoide sind beispielsweise als Schutz vor ultravioletter Strahlung für die Kosmetikindustrie interessant", erklärt Günter Fuhr. Ein anderer Inhaltsstoff, das Astaxanthin, wird zur Färbung von Lachsfleisch verwendet. Bislang, so Professor Fuhr, gebe es keine synthetische Alternative zu dem Naturstoff. Ganz besonders aber haben es die Enzyme der Schneealgen den Wissenschaftlern vom IBMT angetan. "Enzyme, die bei tiefen Temperaturen arbeiten, bringen Vorteile, wenn Sie Reaktionen in kalten Lösungen durchführen wollen. So gibt es biotechnologische Prozeduren wie etwa die Polymerase-Kettenreaktion, bei denen Temperaturintervalle eingehalten werden sollen. Hier könnten Enzyme der Schneealgen eine interessante Hilfe darstellen."

    [Quelle: Arndt Reuning]