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Rotes Tuch

Peer Steinbrück gilt den Jungsozialisten als nicht links genug, nicht sozial genug. Zudem hielt der designierte Kanzlerkandidat der SPD gut bezahlte Reden bei Banken und Unternehmen. Doch das Eis taut zwischen den Jusos und Steinbrück.

Von Ludger Fittkau |
    Die Infostände und Kaffeetheken im Foyer der Mainzer Rheingoldhalle sind gut besucht. Drinnen in der Halle läuft der Landesparteitag der rheinland-pfälzischen SPD. In einer Ecke des Foyers versammelt sich der Landesvorstand der Jusos, um noch letzte Absprachen zu treffen. Wer geht zu welchem Thema raus – nach vorne zum Rednerpult. Bundespolitik - etwa die Rente - soll angesprochen werden. Peer Steinbrück wird kein Thema sein. Die Jusos hatten sich ihn zwar nicht als Kanzlerkandidaten gewünscht. Steinbrück – er ist ihnen nicht links genug, nicht sozial genug. Doch jetzt arrangieren sich die Jungsozialisten mit ihm und werden ihn wohl kommenden Samstag bei ihrem Bundeskongress in Magdeburg freundlich begrüßen. Sie verzeihen ihm sogar die hohen Honorare als Redner bei Banken und öffentlichen Unternehmen. Der Juso-Landesvorsitzende Andro Scholl:

    "Ich finde, er hat alles offengelegt erstmal, das müssen erstmal die Abgeordneten von Schwarz-Gelb nachmachen. Es gab ja einen Gesetzesentwurf, der eingebracht worden ist, da hat Schwarz-Gelb abgelehnt. Also, ich finde es kommt am Ende immer noch drauf an, ob man ernst macht und auch in Gesetzestexte gießt, diese völlige Transparenz. Nur reden und einfordern und diese Scharmützel jetzt in den Medien bringen, glaube ich, nicht weiter. Sondern man muss dann jetzt auch Taten folgen lassen."

    Am Tisch der Parteitagsdelegierten des Unterbezirks Mainz blättert der Juso Marc-Andre Klöckner in einer Tageszeitung. Mit Schulterzucken registriert er einen Artikel, in dem es um die schlechten Umfragewerte geht, die Peer Steinbrück vor allem bei Frauen hat. Die Überschrift lautet:

    "'Wie Peer Steinbrück die Frauen hofiert.' Bin ich gespannt. Aber ich denke, Peer Steinbrück ist ein guter Kandidat. Und er sollte – egal, ob man männlicher oder weiblicher Genosse ist, unterstützt werden.""

    "Tatsache ist, dass ich ihn auf den ersten Blick auch nicht als einen großen Sympathieträger empfinde. Wenn man das auf einer emotionalen Ebene sieht- das hat überhaupt nichts mit fachlichen Dingen oder so zu tun. Damit unterstellt man natürlich auch Frauen, dass sie für so etwas besonders empfänglich sind, was eigentlich ja auch nicht in Ordnung ist."

    Sagt eine junge Frau, die hinter dem Infostand der rheinland-pfälzischen "Falken" steht, einer SPD-nahen sozialistischen Jugendorganisation. Ihren Namen will die Falken-Frau nicht nennen. Ihr fehlen noch markante Inhalte, für die Peer Steinbrück steht:

    "Wird sich noch zeigen müssen. Wenn das allerdings jetzt noch nicht angekommen ist, wofür er inhaltlich steht, dann wird er in der nächsten Zeit noch ein großes Problem bekommen, weil, das wird er so schnell nicht aufholen können."

    Nur wenige Meter weiter – Stehtische vor einem großen Flachbildschirm. Das Parteitagsgeschehen aus dem Saal wird ins Foyer übertragen. Die 29 Jahre alte Anna Gros nippt am Kaffeebecher, während sie konzentriert auf den Monitor schaut. Die Rechtsreferendarin verteidigt Steinbrück:

    "Mir selber sind sehr viele Frauen bekannt, die sehr viel von ihm halten, die seine klare Art schätzen. Seine klaren Aussagen, die er trifft. Ich denke, er hat mit seinen klaren Aussagen zum Betreuungsgeld jetzt noch mal einen wichtigen Punkt angesprochen, der auch für viele junge Frauen von Bedeutung ist. Von daher bin ich, was den Punkt angeht, doch sehr, sehr optimistisch."

    Klar ist – auch für die Jusos beginnt der Bundestagswahlkampf, auch deshalb verstummt wohl die öffentliche Kritik am Kanzlerkandidaten. Der Jungsozialist Marc-Andre Klöckner glaubt jedoch, dass der Finanzexperte Steinbrück nicht nur mit dem Thema "Eurokrise" Wahlkampf machen sollte, "Gerecht – jetzt oder nie" – lautet schließlich das Motto des Juso-Bundeskongresses in dieser Woche:

    "Gut, ganz so einfach wird es nicht, dass es nur ein zentrales Thema gibt, das im Vordergrund steht. Natürlich stehen auch die sozialen Aspekte bei uns in der SPD ganz vorne mit dabei."

    Soziale Aspekte – für Anna Gros aus Trier heißt das konkret: die Kita-Plätze, die in der gesamten Republik fehlen. Wenn es nach ihr ginge, sollte Steinbrück das Thema ganz nach vorne schieben:

    "Das ist ein sehr wichtiges Thema, das gerade konkret Frauen in einem Alter zwischen 20 und 40 Jahren betrifft. Und ich finde einfach skandalös, dass die Union da eine sehr rückschrittliche Politik macht. Ich finde das ist ein Thema, das die SPD sehr gut fahren kann."

    Die "Falken" haben noch einen anderen Wunsch an Peer Steinbrück: Er soll sich dafür einsetzen, dass Jugendliche in Deutschland schon ab 16 Jahren wählen dürfen – auch bei Bundestagswahlen.

    "Das ist bei uns auf jeden Fall ein wichtiger Punkt. Das wollen wir so haben und wir halten das auch für wichtig. Weil man sich dann auch mit den jungen Menschen beschäftigen muss. Man muss denen auch beibringen, was ist Politik, und wie kann Politik Spaß machen. Wenn man weiß, die dürfen eh nicht wählen, dann muss man sich auch nicht mit denen beschäftigen."

    Der rheinland-pfälzische Juso-Landesvorsitzende Andro Scholl hat noch ein paar andere Thementipps für Peer Steinbrück parat:

    "Ja, Mindestlohn, mir wäre auch ganz wichtig, die Selbstbestimmung der Frau, er hat ja auch jetzt eine Rede dazu im Bundestag gehalten. Das wäre eine ganz wichtige Position. Dass 'Equal pay' – gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit auch bei Frauen - noch mal stärker in die Medien kommt."

    Letztlich jedoch, vermutet der Mainzer Juso Marc-Andre Klöckner, sei nicht sicher, welche Rolle die Wahlkampf-Themen bei den – bisher noch schlechten - Umfragewerten für Steinbrück wirklich spielen:

    "Ich weiß nicht, ob es an den Themen liegt. Ich denke eher, es liegt an seiner Persönlichkeit. Aber wenn er einen guten PR-Manager bekommt, dann kann er es bestimmt ändern."