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Rotierende Naturschützer

Heute diskutiert das rot-grüne Kabinett in Mainz neue Rahmenbedingungen für den Ausbau der Windenergie. Erstmals in der Geschichte von Rheinland-Pfalz meldeten sich im Vorfeld alle zehn anerkannten Naturschutzverbände gemeinsam zu Wort – mit massiver Kritik.

Von Ludger Fittkau | 25.09.2012
    Die Naturschutzverbände kritisieren, dass die rot-grüne Landesregierung in Rheinland-Pfalz auf nahezu 90 Prozent der Fläche von europaweit bedeutsamen Schutzgebieten künftig Windenergienutzung zulassen will. Die Entscheidung, wo ein Windrad gebaut werde, treffen nach den Plänen der Mainzer Landesregierung künftig nahezu ausschließlich die Kommunen. Damit werde eine "ungesteuerte Entwicklung" in Gang gesetzt, die eine flächenhaft industriell überformte Landschaft zum Ergebnis habe, so Andreas Grauer von der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald. Denn viele Gemeinden wollen mit den Einnahmen aus der Windkraftnutzung schlichtweg andere kommunale Aufgaben querfinanzieren. Belange etwa des Artenschutzes gerieten damit ins Hintertreffen, so Grauer:

    "Wenn die Entscheidungen, wo Windräder hingestellt werden, einem Bürgermeister übergeben werden, verlieren überregionale Aspekte einfach die Bedeutung, weil der Kindergarten links neben dran in seiner Finanzierung wichtiger ist, als jetzt beispielsweise ein alter Waldbestand, wo wir Fledermäuse drin haben."

    Fledermäuse, aber auch seltene Vogelarten wie der Schwarzstorch oder der Rotmilan seien besonders häufig Schlagopfer von Windrad-Rotorblättern. Gerade für den Rotmilan trage Rheinland-Pfalz aber eine besonders hohe Verantwortung, weil drei Prozent des Weltbestandes dieses Greifvogels hier leben, so die Umweltverbände. Sie fordern deshalb von der rheinland-pfälzischen Landesregierung dem Beispiel des benachbarten Nordrhein- Westfalen zu folgen und die sogenannten "Natura 2000"-Flächen von der Windenergienutzung auszunehmen. Das sind Flächen, die von der EU als besonders schutzwürdig erachtet werden. Auch Vogelflugrouten dürften nicht von Windkraftanlagen zugestellt werden, so beispielsweise die Route für den Kranichflug, der jetzt beginnt. Dr. Peter Keller, Vorsitzender der Gesellschaft für Naturschutz und Ornithologie Rheinland-Pfalz:

    "Die Route geht quer über Deutschland, Hauptzugrichtung ist der Hunsrück. Diese Zugrouten würden gestört werden, wenn dort massive Anlagen gebaut würden."

    Doch gerade der Soonwald im Hunsrück, der bis vor Kurzem noch als erster Nationalpark in Rheinland-Pfalz im Gespräch war, werde zurzeit massiv mit Windkraftanlagen bebaut, kritisieren die Umweltverbände. Sie fordern die Landesregierung auf, den Wildwuchs umgehend zu stoppen. Siegfried Schuch, Vorsitzender des NABU Rheinland-Pfalz:

    "Große noch windkraftfreie Wälder wie das Biosphärenreservat Pfälzer Wald, die Vulkaneifel und der Giebelwald sollten nach unserer Ansicht ebenso frei bleiben wie die genannten Vogelzugkorridore und Naturpark-Kernzonen."

    Windräder im Kerngebiet des Biosphärenreservates Pfälzer Wald könnten die UNESCO veranlassen, den Biosphären-Status in Frage zu stellen, glaubt Schuch. Das UNESCO-Programm "Man and the Biosphere" – kurz MAB überwacht die weitweit rund 600 Biosphärenreservate. Das zuständige UNESCO-Komitee habe sich unlängst klar gegen Windkraftanlagen in den Kernzonen der Biosphärenreservate ausgesprochen:

    "Nach der eindeutigen Positionierung des MAB- Komitees glaube ich schon, wenn in der Pflege – und in der Kernzone Windenergieanlagen errichtet würden, dass da schon eine Gefährdung in greifbarer Nähe ist, letztlich wird aber dieses MAB- Komitee dieses entscheiden müssen."

    Die Grünen, die in der rheinland-pfälzischen Landesregierung für die Energiewende verantwortlich sind, wehren sich gegen die massive Kritik der Umweltverbände. Daniel Köbler, Fraktionschef der Partei im rheinland-pfälzischen Landtag, hält die Sorgen der Verbände für weitgehend unbegründet, es werde künftig einen Wildwuchs bei der Windkraft in Rheinland-Pfalz geben.

    "Ja, die Landesregierung überarbeitet ja deswegen auch den Landesentwicklungsplan. Wir brauchen klare Vorgaben, um die Energiewende zu steuern. Deswegen ist auch nur begrenzt nachvollziehbar, warum die Kritik jetzt in aller Schärfe kommt. Wir haben ja jetzt den Zustand, dass die Energiewende einigermaßen ungeregelt verläuft. Das wird durch die Maßnahmen der Landesregierung ja gerade besser. Ich würde mir wünschen, dass der eine oder andere Verband das auch mal sieht. Zum Beispiel die Windhöffigkeit, also die Wirtschaftlichkeit der Windkraft wird als Kriterium in Rheinland-Pfalz das erste Mal festgeschrieben. Das ist ein wichtiges Signal, auch für den Umwelt- und Naturschutz."