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Rotstift regiert

''Wir sparen intelligent und verbessern die Struktur'', das sagt der niedersächsische Wissenschaftsminister Lutz Stratmann (CDU) zu dem neuen Universitäts- Sparpaket. Bei seiner Haushaltsklausurtagung auf Burg Warberg hat das niedersächsische CDU/FDP-Kabinett unter Ministerpräsident Christian Wulff 40,65 Millionen Euro an Kürzungen für die Unis und Fachhochschulen beschlossen. Mit einer deutschlandweit geschalteten Zeitungsannonce haben sich Nobelpreisträger und renommierte deutsche Wissenschaftler gegen Wulffs Sparpläne ausgesprochen. Dabei hatten sie besonders die Universität Göttingen vor Augen.

    Wir können gar keine Geräte mehr kaufen, wir können keine Exkursionen machen, wir können keine Feldmessungen, keine Projekte mehr laufen lassen, wir können keine Zeitschriften mehr kaufen, können mal gerade noch telefonieren, und wenn wir noch eine PC kaufen wollen, dann haben wir schon Schwierigkeiten mit unseren 15.000 Euros im Jahr.

    Professor Gode Gravenhorst leitet ein kleines Institut an der Universität Göttingen, das Institut für Bioklimatologie. Wie kommt es zur Klimaerwärmung? Was kann man gegen die Vernichtung des tropischen Regenwaldes tun? Diese Fragen beschäftigen ihn und seine 16 Mitarbeiter täglich. Den Gürtel haben sie schon lange eng geschnallt.

    Wir werden schon immer gekürzt, weil die Haushalte der Institute werden von Jahr zu Jahr gar nicht erhöht. Mein Haushalt zum Beispiel ist seit 15 Jahren nicht erhöht worden, wir haben seit 15 Jahren 15. 000 Euro. Das ist eine Abwertung um mehr als die Hälfte. Eine zusätzliche Kürzung um 40 Millionen ist ein schwerer Schlag. Das konterkariert unsere ganzen Bemühungen um Innovation, um Dynamik, um Anpassung an den weltweiten Wandel, an Globalisierung.

    Globalisierung, Dynamik, weltweiten Wandel, all das haben sie in ihrem Sparpaket berücksichtigt, so der Göttinger CDU Landtagsabgeordnete Dr. Harald Noack. Da aber die Schuldenmenge des Landes zur Zeit das Doppelte der Einnahmen ausmacht, müssen sie sparen, um verfassungskonform zu handeln, so Noack. Immerhin sind statt der geplanten 43 Millionen Euro, auf der Burg Warberg nur 40,65 Millionen Euro Kürzungen beschlossen worden.

    Derzeit ist das Verhandlungsangebot Gießkannenprinzip, bedeutet also gleichmäßige lineare Kürzungen. Aber der Minister hat das Angebot gemacht, das wir getreu dem Motto: ''Stärken stärken, Schwächen ausbügeln'', unsere Starken im Land Niedersachen weniger von den Kürzungen betroffen sein lassen, als sagen wir mal den Durchschnitt. Da die Universität Göttingen eine hervorragende, aufstrebende, international renommierte Uni ist, werde ich alles daran setzen, das die Kürzungen nicht linear die Uni Göttingen treffen. Das wird natürlich erheblichen Widerstand in den anderen Regionen mit ihren Universitäten, Fachhochschulen und Forschungseinrichtungen geben.

    Die Brisanz der Kürzungen für die Universität Göttingen haben auch rund 40 renommierter Forscherpersönlichkeiten Deutschlands klargemacht. Mit einem Aufruf in großen Tagungszeitungen. Dieser hängt unter anderem im Aufzug des Instituts für Tropischen Pflanzenbau von Professor Holm Tiessen. Neu an die Universität Göttingen berufen, erinnert Holm Tiessen dieser Aufruf an seine 20-jährige Tätigkeit in Kanada, an der Universität Saskatchewan in Saskatoon. Er weiß, wie Sparmaßnahmen sich auf die Forschungsqualität, aber auch auf die Lehre auswirken. Für ihn fängt in Deutschland jetzt das an, was er bei seinem ehemaligen Arbeitgeber schmerzlich nur verkraften konnte: keine Haushaltserhöhung, keinen Inflationsausgleich, knallharte Einschränkung des Budgets. Das Allheilmittel in Kanada lautete dann immer: Erhöhung der Studiengebühren.

    Es belief sich dabei um Summen um die 5000 bis 8000 kanadische Dollar pro Jahr, das sind umgerechnet 3000 bis 5000 Euro, die an Studiengebühren aufgebracht werden mussten zuletzt.

    Insgesamt erhalten die Göttinger Forscher 18 Prozent ihrer Gelder aus Drittmitteln, das heißt nicht vom Land Niedersachsen, sondern beispielsweise von der Europäischen Union, von der deutschen Forschungsgemeinschaft oder von der Industrie. Besonders die Werbung für diese Drittmittel sieht Professor Tiessen in Gefahr. Sind diese doch oftmals an Eigenleistungen der Universitäten gebunden.

    Das ist in Kanada ein großes Problem gewesen und wird hier auch zum großen Problem, weil viele der Drittmittelgeber voraussetzen, das man Eigenleistungen erbringt. Wenn das sich einbürgert und gleichzeitig noch das Zentralbudget gekürzt wird, dann kann man da gar nicht mehr mitspielen, disqualifiziert sich auf dem Drittmittelfeld und verliert noch mehr, als man eigentlich durch die Budgetkürzungen verlieren würde.

    Die Kürzungen an den niedersächsischen Universitäten sind kontraproduktiv, so Thiessen, er weiß aus seiner langjähriger Erfahrung an der Universität Saskatchewan in Saskatoon in Kanada, das die Bereitschaft zur Umstrukturierung damit erheblich geschwächt und gestört wird.

    Ich glaube, die deutsche Universität könnte sparen, die deutsche Universität wird reformiert, die Studiengänge werden umgestellt, es gibt Bestrebungen Institute zusammenzulegen, das ist auch sehr sinnvoll. Aber ein solcher Prozess braucht hauptsächlich Vertrauen, und wenn zur gleichen Zeit irgendwo ein Damoklesschwert hängt, dann ist dieses Vertrauen weg. Dann wird dieser Prozess nicht mehr laufen. Dann kommt man nämlich dazu, das Leute nur noch ihre Institute verteidigen, ihre Jobs zu verteidigen. Ein erstes Wort, was ich hier in Deutschland zu meinem Vokabular dazugelernt habe war der Begriff ''Platzhirsch''. Auf die Art und Weise schafft man es selten, intelligente Entscheidungen zu treffen.

    [Autorin: Carolin Hoffrogge]