Dienstag, 16. April 2024

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RTL cancelt Nina Queer
"Wenig Mitleid mit C-Promis"

Der Sender kündigt vor dem Dschungelcamp-Start den Auftritt der provokanten Berliner Dragqueen Nina Queer. Kurz zuvor wurde Schlagersänger Michael Wendler aus der Castingshow "DSDS" herausgeschnitten. Der Krawallsender liege ausnahmsweise einmal richtig, findet Medienjournalist Michael G. Meyer.

Zwischenruf von Michael G. Meyer | 12.01.2021
Die Berliner Dragqueen Nina Queer: mit wallender, schwarzer Perücke, dickem Make-up und einem langen, geblümten Kleid
Die Berliner Dragqueen Nina Queer (imago images / eventfoto54)
Das Privatfernsehen lebt von der Provokation. Und nicht nur RTL und Co., auch die "Bild"-Zeitung und viele andere Publikationen offline und online wissen: Ein Skandal bringt Quote, Geld und Aufmerksamkeit. Schon vor knapp dreißig Jahren outete Regisseur Rosa von Praunheim auf dem "Heißen Stuhl" von RTL Prominente. Oder es schwitzte der Alt-Filmstar Helmut Berger einschaltquotentauglich im australischen Dschungel, nur um schon nach zwei Tagen - gesundheitlich angeschlagen - zurück nach Österreich zu fliegen. Der Skandal ist gewissermaßen schon eingepreist.

Kalkulierte Provokationen?

Es wundert also schon ein wenig, wenn der Krawallsender RTL nun sein Gewissen entdeckt und C- und D-Promis wie Schlagerstar Michael Wendler nach seinem Gerede vom "KZ-Deutschland" aus "DSDS" wegretuschiert oder die Trash-Dragqueen Nina Queer aus dem Dschungelcamp auslädt. Der Dragqueen hatten Bemerkungen, sie sei eine "Hitler-Transe", und ihre doch recht oberflächliche Analyse migrantischer Gewalt gegen queere Menschen heftige Kritik eingebracht. Inwieweit das kalkulierte Provokationen sind, ist schwer zu beurteilen.
Ob bei Wendler, oder dem anderen geschassten "DSDS"-Juror Xavier Naidoo, der schon vor seinem Aus beim RTL mehrfach durch antisemitische und rassistische Aussagen aufgefallen war, oder jetzt bei Nina Queer: Erst spät zog der Sender die Reißleine, der vorher gut von den Skandalen profitiert hatte.

Keine Beispiele für enger werdenden Meinungskorridor

Man mag zwar RTL "Cancel Culture" und zu wenig Mut attestieren – aber beide Absagen erzeugen bei mir wenig Mitleid. Immerhin haben wir in Deutschland schon genügend Leute, die schnell mal mit Hitler- Vergleichen um sich werfen, wenig bis gar keine historischen Kenntnisse haben und auch ansonsten jede Gelegenheit nutzen, um in die "Bild"-Zeitung zu kommen. Provokateurin Nina Queer schrieb dort sogar eine Kolumne.
Nein, Wendler und Queer sind keine Beispiele für einen Meinungskorridor, der angeblich immer enger wird. Es geht eher darum, dass, wer mit Verschwörungsthesen und menschenverachtenden Aussagen um sich schmeißt, nicht auch noch mit Geld und einem Millionenpublikum belohnt werden sollte. Von daher liegt RTL mit seinen Entscheidungen da ausnahmsweise einmal richtig.