Montag, 06. Mai 2024

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Rubrik Unirecht: Bachelor, Master und andere Fragen

Kate Maleike: Magister, Diplom und Staatsexamen und dazu noch Bachelor und Master! Für dieses Überangebot an Abschlüssen hat man, wie wir gerade gehört haben, auf der Tagung der europäischen Universitätsvereinigung in Graz nur ganz wenig Verständnis. Die EU-Bildungskommissarin Reding lies sogar durchblicken, wir hätten da noch einiges an Hausaufgaben zu machen. Die Frage geht an Professor Wolfgang Löwer. Er ist Wissenschaftsrechtler an der Universität Bonn und bei uns ja jeden letzten Freitag im Monat zu Gast. Ist die Mahnung, Bachelor und Master noch schneller und breiträumiger umzustellen, Ihrer Ansicht nach angebracht?

30.05.2003
    Wolfgang Löwer: Wenn man das Ziel akzeptiert, dass es nur Einheitsabschlüsse in Europa geben soll, dann ist die Mahnung selbstverständlich in jeder Hinsicht angebracht. Die Frage, die vorausliegt und bereits politisch beantwortet ist, ist letztlich: Soll es solche Einheitsabschlüsse geben? Die Antwort auf diese Frage ist keineswegs so eindeutig wie die Kommissarin tut. Das Problem zu gewährleisten, dass da wo Master drauf steht auch Master drin ist, wächst damit natürlich. Das deutsche Universitätssystem war ja durch eine gewissen Homogenität der Leistungsfähigkeit gekennzeichnet. Das war relativ verlässlich. In anderen Systemen mit sehr viel stärker differenzierter Bildungslandschaft ist diese Verlässlichkeit nicht in gleicher Weise gegeben. Was ein deutscher Diplomingenieur kann und weiß, war weltweit anerkannt. Die Sorge, die sozusagen die Universitäten in Deutschland natürlich haben müssen, ist dass solche Vereinheitlichungen auch eine Regulierung in Niveau nach unten bedeuten könnte. Das mögen wir nicht so sehr.

    Maleike: Befürchten Sie auch zum Beispiel, dass es Probleme mit der Anerkennung der dann alten Abschlüsse geben wird?

    Löwer: Nein, das glaube ich nicht. Das Problem haben wir seit Jahrzehnten bewältigt. Wir hatten immer dieser Abschlüssen, und sie haben nie Schwierigkeiten gemacht. Es wird natürlich schwieriger, wenn man sich auf ein ganz bestimmtes Abschlussniveau regulierend verständigt hat. Dann wird die Ausnahme begründungsbedürftig.

    Maleike: Interessant ist auch, dass nach einer Umfrage des deutschen Industrie- und Handelskammertages in über 800 Unternehmen nur 42 Prozent der Befragten Genaues über die gestuften Studiengänge wie Bachelor und Master wissen. 15 Prozent hatten sogar noch nie davon gehört.

    Löwer: Das ist ein Problem der Verständigung. Das haben wir bei vielen europäischen Themen. Es wäre noch gravierender, wenn keines dieser Unternehmen einen Bachelor einstellen würde, sondern darauf bestehen würde, dass man einen Master erworben hat. Damit sind die Probleme, die sich da abzeichnen, natürlich schon angesprochen.

    Maleike: Neben dieser Abschlussfrage geht Deutschland ja auch noch in anderer Hinsicht so einen etwas anderen Weg. Ich meine damit die Studiengebühren. Die sind ja für das Erststudium bei uns noch durch das Hochschulrahmengesetz verboten. Dagegen gibt es aber jetzt eine Verfassungsklage von sechs unionsgeführten Bundesländern. Glauben Sie, dass diese Klage Erfolg haben wird?

    Löwer: Das ist eine Geschichte, auf die ich mich ungern einlasse. Ob das Erfolg haben wird, ist eine andere Frage. Es gibt zumindest gute Gründe für diese Verfassungsbeschwerde. Es ist auch klar, dass wir in allen Bundesländern Studiengebühren haben werden, wenn das Verbot nicht hält. Dann ist nämlich kein Finanzminister mehr zurückzuhalten, Studiengebühren für sein Bundesland einzuführen.

    Maleike: Wenn das Verbot aber erhalten bliebe, wären wir ja auch wieder eine Ausnahme in Europa, denn die meisten Nachbarländer haben Studiengebühren. Bei denen sind normal.

    Löwer: Ja, das lösen wir auf der Basis der Gegenseitigkeit. Unsere Studenten zahlen in England. Die Engländer zahlen hier nichts. Das ist im Moment ein Vorteil für Absolventen aus den ehemaligen Ostblockstaaten, die dadurch in großer Zahl in Deutschland studieren, was uns sehr lieb und wichtig sein muss.

    Maleike: Vielen Dank, Herr Löwer!

    Maleike: Wir besprechen, wie immer am letzten Freitag im Monat, das Thema Unirecht. Da gibt es ja immer Gelegenheit, Fragen zu stellen, auch telefonisch an unseren Wissenschaftsrechtler, Professor Löwer. Hier haben wir die erste Frage:

    Hallo, mein Name ist Katrin Weigang. Ich bin Studentin an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Mein Ziel ist es, Spanisch und Sozialkunde auf Lehramt für das Gymnasium zu studieren. Bevor ich mich im Wintersemester 2002 eingeschrieben habe, habe ich mich darüber informiert. Damals konnte man Spanisch nur als drittes Erweiterungsfach studieren. Als Hauptfach sollte es aber in diesem Sommersemester eingeführt werden. Dies ist aber nicht der Fall. Es wird vielleicht auch gar nicht eingeführt. Kann ich meine fehlenden Didaktikscheine auch an einer anderen zweiten Universität machen, also an zwei Unis gleichzeitig eingeschrieben sein? Wo würde ich dann mein Staatsexamen insgesamt ablegen müssen. Wie lange wird es ungefähr dauern, bis Spanisch als Hauptfach in Frankfurt eingeführt wird? Der Antrag ist zur Zeit noch in der Rechtsabteilung der Uni Frankfurt. Der muss noch das Kultusministerium und dem Ministerium für Wissenschaft und Kunst passieren.

    Maleike: Herr Löwer, hier haben wir eine Menge Klärungsbedarf. Gehen wir einmal der Reihe nach vor. Kann man an zwei Hochschulen gleichzeitig eingeschrieben sein?

    Löwer: Das geht. Man kann an zwei Hochschulen gleichzeitig eingeschrieben sein. Man kann zwei Studiengänge parallel studieren. Man kann auch an einer anderen Universität studienbegleitende Leistungsnachweise in einem Fach erwerben, das für das Examen an der Universität, an der man eingeschrieben ist, von Bedeutung sein kann. Aber ich kann nicht in Frankfurt für Spanisch immatrikuliert sein, wenn es das Fach gar nicht gibt.

    Maleike: Wo muss Katrin Weigand in Staatsexamen dann ablegen, in Frankfurt?

    Löwer: Man immatrikuliert sich für einen Studiengang. In Frankfurt kann Frau Weigand sich nicht für diesen Studiengang immatrikuliert haben, weil es das dort nicht gibt. Also kann es auch ein solches Examen dort nicht geben.

    Maleike: Aber es war ja noch fraglich, ob es Spanisch auf Lehramt dort geben wird. Sie hat gesagt, es läge ein Antrag vor. Wie lange wird es dauern, bis es eine Lösung gibt? Könnte sie diese auch selber forcieren?

    Löwer: Ob es dieses Fach geben wird, ist ja keine Rechtsfrage, auch wenn der Antrag in der Rechtsabteilung liegt. Das ist eine Frage der personellen Kapazitäten. Es muss geklärt werden, ob für die wissenschaftliche Ausbildung im Fach Spanisch das erforderliche Personal vorhanden ist. Wenn das bisher nicht angeboten worden ist, dann gab es das Personal bisher nicht. Da muss unsere Hörerin auch so optimistisch sein, dass es das Personal in Zukunft geben wird. Ich hätte da eine gewisse Grundskepsis.

    Maleike: Wir haben noch eine Mail von Doktor Sebastian Harnisch bekommen. Er schreibt: Das neue noch zu verabschiedende Hochschulgesetz in Rheinland-Pfalz sieht vor, dass es Juniorprofessoren vorboten sein soll, begonnene, aber noch nicht abgeschlossene Habilitationsverfahren zu beenden. Gibt es vergleichbare Regelungen auch in anderen Bundesländern? Für Thüringen und Schleswig Holstein, schreibt er weiter, scheint dies nicht der Fall zu sein. Aber es wäre für ihn interessant zu wissen, ob die Länder einigermaßen einheitlich regeln.

    Löwer: Das Folgerecht zu fünften Novelle im Hochschulrahmengesetz, mit der der Juniorprofessor eingeführt worden ist, ist von den Ländern ja insgesamt, wenn ich das recht sehe, noch nicht im Gesetzblatt. Ob dieses Folgerecht solche Bestimmungen enthalten wird, hängt natürlich auch davon ab, ob das Verbot der Habilitation in der HRG-Novelle vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben wird. Wenn das keinen Bestand haben wird, es also zur offenen Konkurrenz zwischen dem herkömmlichen Habilitanten und dem Juniorprofessor kommen wird, dann wären die Länder schlecht beraten, für Juniorprofessor ein Habilitationsverbot aufzunehmen. Ich nehmen deshalb nicht an, dass die Frage unseres Hörers definitiv beantwortet werden kann, bevor das Bundesverfassungsgericht sich zur Frage der alternativen Qualifikationswege oder nur des einen Qualifikationsweges zum Juniorprofessor geäußert haben wird.

    Maleike: Herr Hanisch sollte also noch ein bisschen Geduld aufbringen. Ebenfalls in unserem Mailfach gelandet ist eine Frage von Nana-Maria Heida. Sie studiert Zahnmedizin im zweiten Semester an der Universität Hamburg. Sie möchte aber längerfristig im Fach Humanmedizin abschließen. Bis jetzt liefen viele Vorlesungen und Scheine in der Vorklinik bei beiden Studiengängen parallel, so sagt sie, so dass sie später viele Scheine übertragen könnte. Nun aber ändert sich zum kommenden Wintersemester die Approbationsordnung für die Humanmediziner. Sie fragt nun, ob sie denn, wenn sie in fünf Jahren fertig ist, die Scheine, die sie nach altem Recht erworben hat, dann auch noch anwenden kann oder ob sie alles neu machen muss.

    Löwer: Wir müssen noch hinzufügen, dass es sich um einen humanmedizinischen Abschluss in der Kieferorthopädie handelt. Das ist ja nun ein geläufiges Problem, dass diese beiden Studien hintereinander geschaltet werden müssen, so dass die Fakultät mit Sicherheit einen Übergangsvorschrift vorsehen wird, die die jetzt in der Pipeline befindlichen zukünftigen Kieferorthopäden nicht vor einen Scherbenhaufen stellt. Das ist auch sonst aus Vertrauensschutzgesichtspunkten nicht üblich. Es ist also davon auszugehen, dass man die Scheine, die doppelfunktionell verwertet werden können und jetzt absolviert werden, nach der Änderung der Approbationsordnung noch verwenden können wird.

    Maleike: Ist es denn sinnvoll, diese jetzt schon einmal übertragen zu lassen?

    Löwer: Nein, wenn es eine ordentliche Übergangsvorschrift vorhanden ist, gibt es gar kein Bedürfnis, das zu tun. Verwaltungsrechtlich gesprochen, würde man ihr sagen, sie habe kein Sachbescheidungsinteresse, weil ihre Rechtsposition durch die Übergangsvorschrift hinreichende gesichert ist.

    Maleike: Aber ich könnte mir vorstellen, dass dieser Fall auch für viele zutrifft, weil sich ja die Approbationsverordnung überall ändert.

    Löwer: Ja, das ist auch ein leidiges Thema, dass sich das immer wieder und sehr rasch ändert. Umso geübter sollten die Universitäten in angemessen Übergangsvorschriften sein.

    Maleike: Die letzte Anfrage zum Thema Unirecht kommt von Dirk Maletzki. Er studiert an der Uni Siegen und möchte wissen, ob es denn rechtens ist, dass die Unileitung einen zweiten Klausurtermin absetzen kann, weil dieser von Studierenden zu wenig genutzt würde und deshalb ein sehr hoher Verwaltungsaufwand für die Uni entstehen würde. Herr Maletzki sieht darin eine Benachteiligung für sich. Er fragt nun, ob die Uni das so einfach kann. Wenn ja, kann er als Student dagegen auch vorgehen?

    Löwer: Die Uni ist in diesem Fall ein Fachbereich, der normalerweise in der Vergangenheit häufig am Ende des Semesters eine studienbegleitende Klausur und eine Wiederholungsmöglichkeit oder eine Erstversuchsmöglichkeit zu Beginn des folgenden Semesters angeboten hat. Das ist in der Tat aufwendig. Die Verschiebung besteht jetzt darin, dass nur ein Termin angeboten wird. Wer an diesem Termin nicht besteht, kann dann am Ende des darauffolgenden Semesters seine Klausur wiederholen. Das ist also eine Verschiebung des Wiederholungsversuches um circa drei Monate. Das ist das Neue. Aber die Diplomprüfungsordnung des zuständigen Fachbereiches ist autonom, das so zu regeln. Es muss eine Wiederholungsmöglichkeit in einer vernünftigen Zeit vorgesehen sein.

    Maleike: Danke für die Frage von Dirk Maletzki und vielen Dank, Herr Löwer.