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Hans Lenk - Ein sportlicher Philosoph

Hans Lenk war Bugmann im Ruder-Goldachter bei den Olympischen Spielen 1960 in Rom. 2012 wurde er in die Hall of Fame des deutschen Sports berufen. Doch nicht nur im Sport verdiente er sich höchste Meriten. Am Montag feiert Lenk seinen 80. Geburtstag. Eine Würdigung.

Von Heinz-Peter Kreuzer | 21.03.2015
    "Platon war Ringer bei den Isthmischen Spielen. Platon hieß eigentlich nach seinen Ringerschultern Platon, nämlich breit, und hieß eigentlich Aristokles, das wissen nicht einmal die Philosophen meistens." Diese kleine Anekdote erzählt Hans Lenk immer wieder mit einem Lächeln, wenn er auf die Kombination Olympiasieger und Philosoph angesprochen wird. Der Goldmedaillengewinner von 1960 gehört noch heute zu den führenden Philosophen der Welt. Beim Triumph auf dem Lago Albano war er der Bugmann:
    "Das ist schon ein herausragendes Erlebnis für jeden Athleten, das ist ganz klar. Auch für einen Athleten, der nicht beruflich später vom Sport abhängig gewesen ist, wir waren sozusagen noch reinste Amateure."
    Ein Medizinstudium konnte er sich nicht leisten
    Der Amateurbegriff war damals noch zutreffend. Lenk studierte nach seinem Abitur Mathematik, Philosophie, Soziologie, Sportwissenschaft und Psychologie in Freiburg und Kiel. Arzt wäre er auch gerne geworden, aber ein Medizinstudium, das konnte sich die Halbwaise aus ärmeren Verhältnissen in der damaligen Zeit nicht leisten. So wurde der hochgewachsene Athlet Lehrer und Denker, wie sein Vorbild, Trainer und Ersatzvater Karl Adam. "Karl Adam war der Meinung, wenn man nur sozusagen sportfixiert bleibt, dann bleibt man ein Würstchen, das ginge nicht. Das ist ein Ausdruck, der wörtlich zitiert ist von ihm."
    Parallel zu seinem Studium sammelte Hans Lenk Titel und Medaillen. Nach den Olympischen Spielen in Rom 1960 beendete der Philosophie-Professor seine Karriere als Ruderer. 1961 schrieb er seine Promotion mit dem Titel "Werte - Ziele - Wirklichkeit der Olympischen Spiele".
    Die gemeinsame Trainingsarbeit mit Karl Adam wirkte sich auf sein philosophisches Schaffen aus. Der Begriff mündiger Athlet wurde schon 1965 von ihm geprägt, basierend auf dem sogenannten demokratischen Training unter Karl Adam. Wie Adam legt auch Philosoph Lenk sehr viel Wert auf die Eigenleistung.
    "Wir leben eigentlich nicht in einer echten Leistungsgesellschaft, sondern in einer Erfolgs- und Publicitygesellschaft, die den Schein der Leistung kultiviert, nicht persönlich erbrachte und erarbeitete Leistung. Das war ja auch das Anliegen von Karl Adam, das nicht ein Playboy und Promi sozusagen als Ideal für die Jugend gelten soll, sondern aktive, eigene Leistungsschulung von Jugend auf an erbracht."
    Schon früh Dopingkontrollen gefordert
    Philosoph, Trainer und dann noch Sportfunktionär: Präsident Willi Daume berief ihn als persönliches Mitglied in das Nationale Olympische Komitee Deutschlands. Als Sportfunktionär war Lenk oft ein Stachel im Fleisch der Sportfamilie, denn er beschwor schon früh die Gefahren des Sports. "Ich war 1970, 71, 72 oder sogar noch etwas früher einer der erstem der die überraschenden Dopingkontrollen im Training gefordert hat. Damals wurde ich nicht nur belächelt, sondern zum Teil als Nestbeschmutzer beschimpft."
    Neben der Seuche Doping störte sich Lenk an der Kommerzialisierung, die Sommerspiele in Atlanta und Sydney bezeichnete er als "Teledopiokommerziade" bzw. "Teledopiade". Als der Visionär Willi Daume vom Technokraten Walter Tröger 1992 als NOK-Präsident abgelöst wurde, trat auch Lenk zurück.
    ... weil in manchen Bereichen auch eines deutschen NOKs fast nur noch von Marketingorganisationen und so etwas die Rede war, aber eigentlich gar nicht mehr von den Athleten selber, vom Sport usw." Sein Rücktritt war aber nicht nur der Situation im olympischen Sport geschuldet. Als Philosoph hatte er gerade ebenfalls den Olymp erklommen.
    Auch in der Wissenschaft Weltklasse
    "Ich hab ja kurz danach die Präsidentschaft der deutsche Philosophischen Gesellschaft übernommen, und später dann die Vize-Präsidentschaft der Weltgesellschaft für Philosophie und schließlich dann 2005 bis 2008 die Präsidentschaft der Weltakademie für Philosophie, also das wissenschaftlich höchste Amt der Weltphilosophie."
    Dazu kamen Vorträge in aller Welt und zahlreiche Ehrendoktorwürden. Der emeritierte Professor gibt noch heute Seminare am Institut für Philosophie an der TU Karlsruhe. Zusätzlich publiziert der Olympiasieger fleißig weiter. Und als "reiner Amateur" ist der hochgewachsene Mann immer noch aktiver Radfahrer, Schwimmer und natürlich Ruderer.