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Rückenwind für die Religion

Mit seinem Konzept einer positiven Laizität stellt der französische Präsident Nicolas Sarkozy die strikte Trennung von Staat und Religion in Frage. Sarkozys Kritiker werfen dem Präsidenten vor, er wolle christlich-jüdische Werte festschreiben und betonen, um den Islam, insbesondere den Bau von Moscheen und die Ausbildung der Imame, besser kontrollieren zu können. Ein Beitrag von Burkhard Birke.

    Ein Geschworenenprozess wird angeblich wegen des islamischen Fastenmonats Ramadan verschoben. Ein Gericht annulliert eine Ehe, weil die Braut ihrem muslimischen Gatten die Jungfräulichkeit vorgespielt und damit einen schwerwiegenden Tatbestand verschwiegen hatte. Auf solche Nachrichten reagiert Frankreichs Öffentlichkeit empfindlich. Denn dass die Religion stillschweigend Einzug in die weltlichen Gefilde hält, ist einem strikt laizistischen Staat undenkbar.

    "Das Auftauchen einer neuen Religion, in diesem Fall des Islam, ruft etwas zweideutige Reaktionen hervor. Die Laizität wird verteidigt, aber in einem islamfeindlichen Sinn,"

    interpretiert der Journalist von "Le Monde diplomatique", Alain Gresh, die aktuelle Diskussion. Losgetreten hatte sie freilich kein geringer als der Präsident höchstpersönlich.

    Während seines Besuches beim Vatikan, in Latran, Ende letzten Jahres hatte Nicolas Sarkozy einer positiven Laizität das Wort geredet.

    "Eine Laizität, die über die Freiheit der Gedanken, des Glaubens oder Nicht-Glaubens wacht, aber die gleichzeitig die Religionen nicht als Gefahr, sondern als Zugewinn betrachtet."

    Beim Erlernen der Werte, der Unterscheidung zwischen gut und böse könne der Lehrer niemals den Pfarrer oder Pastor ersetzen, fügte der Präsident hinzu, der wenige Wochen später beim Besuch im saudischen RIAD noch vom transzendenten Gott sprach:

    "Der in den Gedanken und im Herzen eines jeden Menschen sei."

    Die Reaktionen ließen nicht auf sich warten. Die Diskussion ist voll entbrannt und gewinnen vor der Papstvisite an Dynamik! Kritiker werfen dem Präsidenten vor, er wolle christlich-jüdische Werte festschreiben und betonen, um den Islam, insbesondere den Bau von Moscheen und die Ausbildung der Imame, besser kontrollieren zu können.

    Der sozialistische Senator Jean Luc Melanchon erkennt darin eine gezielte Strategie, die im Gesetz von 1905 verankerte Trennung von Kirche und Staat auszuhebeln. Melanchon hat sogar ein Buch als Gegenthese zu Sarkozys positiver Laizität veröffentlicht.

    "Sarkozy bezieht klar ideologisch Position. Das birgt Risiken. Denn was machen wir denn mit unseren muslimischen Mitbürgern, wenn es wirklich zu einer Konfrontation zwischen Westen und dem Islam kommt? Auf welche Seite des Zauns stellen wir die denn dann? Die Worte klingen zunächst einfach und unschuldig, aber Sarkozys Aussagen sind sehr schwerwiegend!"

    Die katholische Kirche - zwei Drittel aller Franzosen sind offiziell katholisch - hat die Äußerungen des Staatspräsidenten zwar als positiv zur Kenntnis genommen. Deshalb müsse aber das Gesetz zur Laizität nicht verändert werden, meinte der Vorsitzende der französischen Bischofskonferenz, der Pariser Kardinal André Vingt Trois

    "Die Franzosen müssen sich daran gewöhnen, dass es Realitäten gibt, die nicht im Gesetz stehe,n und dass das Gesetz nicht alles regelt."

    Kardinal Vingt Trois hat die Zeichen der Zeit erkannt! Selbst viele Katholiken halten Sarkozy für übermissionarisch. 145 Organisationen und rund 150.000 Personen, darunter viele Intellektuelle, von denen einige den Papst treffen werden, haben zudem Appelle zum Erhalt der strikten Trennung von Kirche und Staat unterzeichnet. Dabei ist diese Trennung ohnehin nicht perfekt: In Elsass Lothringen finanziert der Staat die Kirchen und bestimmt über Ämter mit: ein Relikt aus der deutschen Zeit!

    Müsste nicht deshalb und wegen der zunehmenden Zahl an Muslimen, circa vier Millionen, davon die Hälfte praktizierende, die Laizität neu gefasst werden?
    "Anders als behauptet wird, lässt sich der Islam vollkommen mit der Laizität in Einklang bringen. Wenn man davon ausgeht, dass die Religion im öffentlichen Bereich nichts zu suchen hat, Privatangelegenheit ist, gibt es keine Probleme."

    Will die bekennende Moslem Najat Vallaud Belkacem, Sozialistin und stellvertretende Bürgermeisterin von Lyon, vor allem den Blick für ein positives Miteinander ohne positive Laizität in die Zukunft richten!