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Rückenwind für ungarische Ökobauern

Budapest, Marczibáni-Platz. Hier, in dem exklusiven Budapester Viertel Rosenhügel, ist jeden Mittwoch und Samstag Biomarkt. Es ist der einzige Markt mit biologischen Lebensmitteln in der ungarischen Hauptstadt. Es gibt hauptsächlich Brot, Gemüse, Obst, Fleisch und Wurst, aber auch Fruchtsäfte, Marmeladen und Honig. Fast alle, die hier ihre Waren verkaufen, haben diese auch selbst angebaut oder hergestellt. Dennoch bezahlen Kunden im Schnitt für ein Produkt mehr als doppelt so viel wie für sein nicht-biologisches Äquivalent. Ein Grund für die allermeisten Konsumenten, hier nicht einzukaufen. Rita Vasenszky, eine 24jährige Anglistik-Studentin, und ihr 22jähriger Freund Krisztián Katona, lassen sich von den Preisen jedoch nicht abschrecken:

Von Keno Verseck |
    Die Lebensmittel hier schmecken wirklich nach etwas, sie sind nicht genmanipuliert und vollgepumpt mit Hormonen oder Schadstoffen. Die Mehrausgabe lohnt sich, denn mir ist es nicht egal, wie ich lebe und was ich esse.

    Freilich sind nicht nur die Preise schuld. Die ungarische Ökobranche ist gerade erst dabei, aus ihrer Nischenexistenz hervor zu treten. Mit gut 100.000 Hektar beträgt die Anbaufläche von kontrollierten Ökobauern bislang nur zwei Prozent der gesamten Anbaufläche im Land. Es gibt nur rund 1.500 Unternehmen in der Biobranche, davon etwa 1.400 Produzenten.

    Einer von ihnen ist Antal Gergics. Der 46jährige hat seit 1991 einen Öko-Hof und fünfzehn Hektar Land in Tököl, einem Dorf südwestlich von Budapest. Gergics baut Biogemüse und Bio-Kartoffeln an, hält Schweine, Ziegen und Hühner und ist gerade dabei eine Bio-Bäckerei einzurichten. Er liefert direkt an Haushalte, die bei ihm bestellen. Mit seinen langen grauen Haaren und seinem Vollbart sieht Gergics aus wie ein Missionar. Ein wenig ist er das auch. Seit sechs Jahren betreibt er kontrollierte Ökolandwirtschaft und arbeitet streng nach biodynamisch-anthroposophischen Vorschriften:

    Auf den normalen ungarischen Bauern wirkt das wie heidnisches Brauchtum. Ich spreche darüber in Weiterbildungskursen und sage den Leuten, dass sie vor biodynamischen Methoden keine Angst haben müssen. Mein Großvater wusste nichts von diesen Methoden, aber er hat auch bei Vollmond ausgesät, er hat die Umwelt berücksichtigt, die Natur und die Himmelskörper.

    So wie Gergics sind viele ungarische Ökolandwirte noch Pioniere. Allerdings scheint die Biobranche in Ungarn gegenwärtig zum Sprung nach vorn anzusetzen. In den letzten drei Jahren haben sich Anbaufläche und Zahl der Betriebe mehr als verdoppelt. Der EU-Beitritt Ungarns könnte diese Tendenz noch verstärken, meint Péter Roszík, der Chef des ungarischen Kontroll- und Zertifizierungsverbandes "Biokontroll Hungária":

    Ich glaube, der EU-Beitritt wird der ungarischen Biolandwirtschaft zu einem Aufschwung verhelfen. Jetzt gibt es für Biobauern nur geringe Unterstützung aus dem ungarischen Haushalt. Wir hoffen, dass in Zukunft bedeutend mehr Finanzmittel aus Brüssel dazu kommen, so wie es im Westen ja auch die Praxis ist.

    László Vajda, der Leiter der EU-Abteilung im ungarischen Landwirtschaftsministerium, nennt noch einen anderen Grund für einen möglichen Aufschwung der Biolandwirtschaft - den Export:

    Für biologische Produkte sind die Märkte offen. Es sind strenge Vorschriften, die man erfüllen soll und muss, aber es gibt keine Produktionsquoten und keine Handelsbeschränkungen, also der gesamte Markt von 480 Millionen Konsumenten wird den ungarischen Produzenten eröffnet.

    Antal Gergics ist skeptisch. Er hat nicht vor, in die Exportwirtschaft einzusteigen. Er fürchtet vielmehr, dass es seine heile kleine Bio-Welt schon bald nach dem EU-Beitritt nicht mehr geben wird:

    Sicherlich werden irgendwann die westlichen Unternehmer kommen, die mit kapitalkräftigen Bio-Großhandelsketten alles abräumen und beiseite schieben. Nun ja, wir haben auch bisher gearbeitet und überlebt, und wir werden schon herausfinden, wie wir weiter überleben.