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"Rückfall in Kleinstaaterei ist fatal!

Das Thema Föderalismusreform birgt viele Konflikte. Ulla Burchardt, SPD-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Bildungsausschusses, warnt nachdrücklich vor dem geplanten Kooperations- und Finanzhilfeverbot des Bundes. Auch dass der Hochschulbau zukünftig nicht mehr als Gemeinschaftsaufgabe behandelt werden solle, sei nicht sinnvoll, warnte Burchardt. Die Politikerin forderte deshalb Nachbesserungen.

Moderation: Armin Himmelrath |
    Himmelrath: Am Montag da sah alles noch ganz klar und einfach aus. Die Ministerpräsidenten der Länder hatten verkündet, "die Föderalismusreform ist unter Dach und Fach, es gibt nichts mehr daran zu verhandeln, alles geht seinen Weg." Aber gestern da konnte man dann sehen, dass dieses Thema Föderalismusreform doch noch erhebliches Konfliktpotenzial birgt. Da sind nämlich die drei Oppositionsparteien - FDP, Grüne und Linkspartei - aus dem Bundestagsbildungsausschuss ausgezogen unter Protest, weil sie gesagt haben, da werden unserer Grundrechte verletzt.

    Am Telefon in Berlin begrüße ich jetzt Ulla Burchardt, SPD-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende dieses Bildungsausschusses. Frau Burchardt, was war da los gestern?

    Burchardt: Also im Kern ging es um eine Frage, um die schon seit Wochen jetzt gerungen wird, nämlich um die Frage, gibt es eine Anhörung zum Bereich Bildung und Forschung im Rahmen der Föderalismusreform im Fachausschuss, also im Ausschuss Bildung und Forschung, oder soll es einen eigenständigen Teil im Rahmen der gemeinsamen großen Anhörung geben. Im Kern gibt es eine große Übereinstimmung zwischen Koalition und Opposition, dass es einen Anhörungsteil geben muss zum Bereich Bildung und Forschung, weil die Kritik ist groß, und auch wir in der Koalition, insbesondere in der SPD, sehen Verbesserungsbedarf.

    Himmelrath: Sagen Sie einmal genauer, was da verbessert werden muss. Eigentlich ist ja alles klar: Die Länder sollen die Bildung bekommen, der Bund hat letztlich nichts mehr zu sagen. Es soll sogar ein Verbot geben für Bundesprojekte, die sich auf Länderebene engagieren.

    Burchardt: Ja, das ist nahezu grotesk, dass mit der Föderalismusreform ein Kooperations- und Finanzhilfeverbot des Bundes festgeschrieben werden soll. Also das kann man glaube ich Eltern, Lehrern, Schülern nicht begreiflich machen, warum ein Förderprogramm - wie beispielsweise vier Milliarden für Ganztagsschulen, wo die Kommunen profitieren, wo die Schulen profitieren, wo Schüler, Eltern profitieren, warum das in Zukunft nicht mehr möglich sein soll. Und das hat ja insgesamt verheerende Folgen. Wir haben eine Situation, wo die Leistungsfähigkeit des Bildungswesens in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt nicht ausreichend ist. Und von daher bedarf es noch weiterer Gemeinschaftsanstrengungen, um in diesen Bereichen Probleme zu lösen. Und es ist fatal für den Innovationsstandort Deutschland, wenn es einen Rückfall wirklich in Kleinstaaterei gibt.

    Himmelrath: Ist dasselbe Problem auch bei den Hochschulen zu sehen?

    Burchardt: Bei den Hochschulen soll als alleinige Zuständigkeit beim Bund bleiben die Regelung der Zulassung und der Abschlüsse im Hochschulbereich. Wobei der Pferdefuss dabei ist, dass die Länder abweichen können. Das würde bedeuten, dass in Zukunft in 16 Ländern theoretisch sehr unterschiedliche Zugangvoraussetzungen für Abiturienten sind oder für andere beispielsweise, mit einem qualifizierten Berufsabschluss ein Studium aufnehmen zu können. Im Extremfall könnte man sich vorstellen, dass ein Bundesland auf die Idee kommt, es sei den Hochschulen völlig frei zu überlassen, den Hochschulzugang zu regeln. Und dann kriegt man eine Vorstellung davon, dass das die Mobilität der jungen Leute, die ja immer gefordert wird in der Globalisierung, nicht fördert, sondern dass das ein Hemmnis ist, weil für die jungen Leute ist es jetzt schon sehr schwierig, sich einen Überblick zu verschaffen, was kann man wo unter welchen Bedingungen studieren. Aber mit den Abweichungsmöglichkeiten wäre das dann die totale Unübersichtlichkeit. Das kann man nicht wollen.

    Es gibt im Hochschulbereich ein zweites Problem, was wir sehen. Und zwar hat es bislang ja die Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau gegeben, wo Bund, Länder gemeinsam Investitionen im Hochschulbereich finanziert haben, zum Beispiel die Modernisierung von Bibliotheken, von Fachräumen, von Mensen. Das funktionierte nach dem Prinzip, der Bund gibt Geld für Projekte, die vom Wissenschaftsrat begutachtet worden sind, also dass es auch sinnvolle Projekte waren, wenn die Länder ihren 50-prozentigen Anteil dazu tun. Diese Gemeinschaftsaufgabe soll entfallen. In einer Zeit, wo wir jetzt schon wissen, dass die Hochschulen in einem schlechten Zustand sind, dass die Zahl der Studenten noch dramatisch steigen wird, fragt man sich nach der Sinnhaftigkeit.

    Himmelrath: Jetzt soll aber dieses ganze Föderalismuspaket ja morgen schon in Bundestag und Bundesrat eingebracht werden. Und Sie haben das ja nun letztlich selber auch als SPD-Politikerin mitgetragen. Sie sind in der Regierungsverantwortung. Gibt es denn da jetzt tatsächlich noch politische Spielräume, das zu ändern, gerade im Hinblick auf die Bildung?

    Burchardt: Also zum Einen möchte ich wirklich noch einmal festhalten, weil das tatsächlich sehr missverständlich transportiert worden ist, dass am Montag, als die Fraktionen getagt haben, wir in der SPD-Fraktion ja nicht dem Gesetzentwurf zugestimmt haben in der Fraktion. Sondern wir haben die Zustimmung dafür gegeben, dass das Gesetzgebungsverfahren in Gang gesetzt wird, mit dem Einbringen des Entwurfs in die erste Lesung am Freitag.

    Wir sehen eine Chance, Verbesserungen anzubringen. Es geht nicht darum, die Reform zu kippen. Und es geht nicht darum, alles infrage zu stellen oder mehr Zentralismus einzuführen. Sondern wir wollen durch ein ordentliches Beratungsverfahren, handwerklich sauberes Verfahren natürlich unsere Verbesserungsvorschläge auf den Tisch bringen und möchten dann auch gerne die Auseinandersetzung mit denjenigen führen im Bundestag, im Bundesrat, die das nicht so sehen. Also das muss ein ordentliches handwerkliches Verfahren werden.

    Ich bin insofern ganz hoffnungsvoll, weil Peter Struck, unserer Fraktionsvorsitzender, ja sehr deutlich gemacht hat, erstens es gibt keine Notwendigkeit, das bis zur Sommerpause durchzupeitschen. Das ist eine ganz wichtige Vorbedingung für solides, gesetzgeberisches Handwerk. Und das Zweite ist, ich habe den Eindruck, dass die Argumentation der Fachpolitiker im Bereich Bildung und Forschung mit Verweis auf die Folgen für die Wachstums- und Innovationsfähigkeit der Republik - das berührt ja die ganz zentralen Fragen, ob die Regierung erfolgreich sein wird oder nicht - dass die Argumente als sehr bedenkenswert angesehen werden. Und ich hoffe natürlich, dass unsere Fraktionsspitze sich mit dafür einsetzen wird, dass es noch einmal zu einem vernünftigen Gespräch zwischen allen Beteiligten kommen wird.