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Rückgang der Fischbestände

Fische und Fischer in Europa haben eines gemeinsam: Ihre Zahl geht ständig zurück. Die Fischer fischen mit immer perfekteren Fangschiffen die Meere leer und in der Folge können viele von ihnen selbst nicht mehr von der Fischerei leben. Die Europäische Union hat die Fangflotten bereits stark verkleinert, doch anscheinend reicht das immer noch nicht. Neue Ideen sind gefragt und die waren gestern Thema beim traditionellen "Bremerhavener Fischgipfel".

Von Folkert Lenz |
    Über eins waren sich alle einig: Der Fisch in den Meeren wird immer knapper - viel zu knapp. Doch wer hat Schuld daran? Gerd Hubold von der Hamburger Bundesforschungsanstalt für Fischerei machte es am Beispiel des Kabeljaus in der Nordsee deutlich. Zu viele Jungfische seien in den vergangenen 30 Jahren immer wieder gefangen worden:

    Und das ist deshalb ein ganz interessantes und wichtiges Ergebnis, weil wir ja heute wieder die Diskussion haben, ob nicht das Klima viel wichtiger ist für das Verschwinden der Fischbestände oder die fehlende Düngung der Nordsee durch die Abwässer im Rhein und anderen Flüssen. Aber der Wegfang von jungen, starken Jahrgängen ist aus unserer Sicht tatsächlich - rückwirkend gesehen - der entscheidende Faktor, warum im Fall Kabeljau die Fischerei zusammengebrochen ist.

    Für Hubold ein klassischer Fall von Missmanagement bei den Beständen. Und das, obwohl es schon seit Langem eine gemeinsame Fischereipolitik in der Europäischen Union gibt. Doch auch die konnte das Leerfischen ganzer Seegebiete eben nicht verhindern. Die EU konnte noch nicht einmal die Größe der Fischfangflotte auf ein angemessenes Maß zurückführen, erklärt der Wissenschaftler:

    Wir sind immer noch - europaweit und auch weltweit - bei 30 bis 50 Prozent Überkapazität. Man kann das jetzt nicht auf Bremerhaven oder auf Deutschland beziehen, wo der Abbau sicherlich geleistet wurde. Aber die Flotte und die Fangkraft ist ja europäisch und die Fischbestände sind europäisch. Weil wir die hohe Flottenkapazität haben, haben wir regelmäßig das Problem, dass wir viel mehr fangen, als wir anlanden.

    Hubold spielt auf den Beifang an. Denn häufig landen ganz andere Arten von Meeresbewohnern im Netz, als die Fischer gehofft hatten. Die Fehlfänge werden zurück ins Wasser geworfen. Sie sind zwar so dem natürlichen Kreislauf entzogen; bei der Errechnung der Fangquoten aber fällt der so genannte Discard unter den Tisch. Denn gezählt wird nur, was auch an Land bei den Händlern abgeliefert wird. Thomas Henningsen, Meeresbiologe bei Greenpeace, hat den Beifang eines ganz normalen Kutters unter die Lupe genommen:


    Für zwei Stunden Fangzeit über 11.000 tote Meerestiere als Abfall sind über Bord gegangen. Viele Arten sind dabei, bedrohte Arten, seltene Arten wie Rochen. Jede Menge von Babyfischen: Babyschollen zum Beispiel, die man ja eigentlich - wenn sie groß sind - fangen will. Eine gigantische Menge, eine gigantische Zerstörung, ein gigantischer Abfall von Leben, der wieder über Bord geht. Da funktioniert die EU-Fischereipolitik überhaupt nicht.

    Denn technische Änderungen an den Netzen könnten manchen Beifang verhindern. Doch darüber gibt es zwischen den EU-Ländern keine Einigkeit. Eine mögliche Lösung: Es müsste für die Fischer mit einer Kombination aus Strafe und Anreiz interessanter werden, auch die ungewollten Fänge anzulanden. Das hat Peter Bradhering vom Bundesministerium für Verbraucherschutz auch schon an die EU herangetragen:

    Die Kommission hat - auch auf unser Drängen hin erklärt, dass sie ein solches Discard-Verbot in der Praxis einmal ausprobieren will. Und das ginge in erster Linie bei den Beständen, die eine relativ saubere Fischerei hat und wo es dann zu Beifängen von weiteren Nutzfischen kommt, die auch vermarktet werden können.

    Die Fischer selbst sehen sich von der Europäischen Union viel zu häufig unter Druck gesetzt. So kritisiert Kapitän Klaus Hartmann, Vorsitzender des Hochseefischereiverbandes:

    Es wird vieles vom grünen Tisch her entschieden. Es wird zu bürokratisch und fachlich nicht ausgereift gearbeitet. Und dadurch entstehen viele Situationen, die unausgewogen sind und die von Sicht des einzelnen Fischermannes als ungerecht empfunden werden.

    Um so wichtiger sei es, die Fischer mehr heranzuziehen, wenn es um den Erhalt der Bestände geht, so das Fazit von Gerd Hubold:

    Wenn wir aber die Fischer in diese Verantwortung mit einbinden und sie letztlich stärker in die Verantwortung nehmen, dann können wir hier vorankommen.