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Rückgang von Fusionen
Der Übernahme-Hype hat nachgelassen

Nullzinsen, Ankauf von Anleihen: In den vergangenen Jahren haben Banken massiv versucht, die Kreditvergabe anzuregen, um so die Konjunktur in Gang zu halten. Dadurch sind die Volumen von Firmenkäufen und Fusionen bis 2018 von einem Rekord zum nächsten geklettert. Dieses Jahr gab es einen Rückgang.

Von Mischa Ehrhardt | 21.06.2019
Die Hochhäuser und Bankentürme bilden die Skyline von Frankfurt am Main.
Rückgänge von Firmenfusionen haben grundsätzlich negative Folgen für Banken, da sie oft durch Beratertätigkeiten mitverdienen (picture alliance / dpa / Arne Dedert)
Um fast 70 Prozent sind die Fusionen und Übernahmen in Deutschland in der ersten Jahreshälfte eingebrochen. Das haben Berechnungen der Analysten von Refinity ergeben, einem Finanzdatenanbieter, an dem Thomson Reuters knapp zur Hälfte beteiligt ist. Auch weltweit hat sich das Geschäft mit Firmenübernahmen abgekühlt – global gingen die Volumen der angekündigten Transaktionen um rund 17 Prozent zurück.
"Wir haben eine dramatische Unsicherheit, wohin steuert diese Weltwirtschaft? Warum soll man ein Unternehmen übernehmen, wenn man nicht weiß, ob man noch im Land X investieren darf? Da hält man sein Geld zusammen. Das ist das Problem: Wir ersaufen im billigen Geld und können damit nichts machen, warum? Weil einfach gewisse Herren im Weißen Haus oder sonst wo in der Welt machen, was sie machen wollen".
Viele Fusionen haben sich zuletzt nicht ausgezahlt
Sagt Robert Halver, Aktienstratege der Baader Bank. Fusionen und Übernahmen hängen aber auch von den Finanzierungsbedingungen ab. Also der Frage, wie einfach Unternehmen an Kredite oder auf anderem Weg an Geld kommen, um eine Übernahme stemmen zu können. Hier hatten die Notenbanken durch Nullzinsen und den Ankauf von Anleihen in den vergangenen Jahren massiv versucht, die Kreditvergabe von Banken anzuregen, um so die Konjunktur in Gang zu halten. Deswegen waren die Volumen von Firmenkäufen und Fusionen bis ins vergangene Jahr 2018 von einem Rekord zum nächsten geklettert. Oliver Roth vom Wertpapierhandelshaus Oddo Seydler:
"Im Rahmen der Niedrigzinsphase gab es zunächst einmal, bei einfachen Finanzierungsstrukturen, einen Hype auf Übernahmen. Das hat mittlerweile stark nachgelassen, sicherlich auch, zum einen, weil die Zinsen in Amerika ein Stück weit angezogen haben, also der US-Dollar teurer geworden ist. Aber zum anderen sicherlich auch, weil sich nachhaltig gezeigt hat, dass viele dieser Firmen Zusammengänge sich nicht wirklich ausgezahlt haben. Und wenn man derzeit sich gerade die großen Fusionen anschaut, wie Monsanto und Bayer: Da braucht man ja nicht viel zu kommentieren, dass das natürlich alles andere als eine glückliche Übereinkunft gewesen ist".
Diese teuerste Auslandsübernahme eines Unternehmens in der deutschen Wirtschaftsgeschichte relativiert übrigens auch den Einbruch in diesem ersten Halbjahr – 2018 war durch die Mega-Übernahme ein Ausreißer nach oben. Vergleicht man nämlich mit 2017, liegt das Übernahmevolumen auch in diesem ersten Halbjahr um noch stolze neun Prozent darüber.
Rückgang ist Problem für die Banken
Für Banken jedenfalls haben drastische Rückgänge von Firmenfusionen grundsätzlich negative Folgen. Denn die Beratertätigkeit für Fusionen, Übernahmen oder Börsengänge ist ein lukrativer Teil des Investmentbankings der Finanzinstitute. In dieser Sparte hatte zu Jahresbeginn die Deutsche Bank Gegenwind und einen Verlust vermelden müssen. Robert Halver:
"Wir erleben das ja hier an der Frankfurter Börse. Wir haben ja hier sehr wenig Börsenneueinführungen oder -übernahmen. Aber auch in anderen Teilen der Welt. Selbst in Amerika ist das deutlich schwächer geworden, weil einfach die Unsicherheit so dramatisch ist. Und da muss man Angst vor haben, denn wenn das Geld so billig ist, müssten die Übernahmen sprudeln wie noch nie – und wir haben genau das Gegenteil."
Die Deutsche Bank jedenfalls ist in der Rangfolge der Berater vom zweiten auf den elften Platz abgerutscht, die ersten drei Plätze der erfolgreichsten Investmentbanken in Deutschland belegen nun amerikanische Finanzinstitute. Allerdings ist das Geldhaus zuversichtlich, dass sich sein Rang im zweiten Halbjahr wieder verbessern wird. Denn da stecken noch einige Deals in der Pipeline. Dazu gehört unter anderem der Börsengang von Traton, also der Nutzfahrzeugtochter von Volkswagen. Und auch große Übernahmen werden noch kommen. So die bislang teuerste in diesem Jahr, die geplante Übernahme von Cypress Semiconductor in den USA durch den bayerischen Chiphersteller Infineon, Volumen: rund 10 Milliarden Dollar.