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Rückholaktion

Die Linke macht vor allem der SPD das Leben schwer und hat ihr Mitglieder weggenommen. Dem wollen die Sozialdemokraten Einhalt gebieten und im Idealfall den Trend umkehren. In Rheinland-Pfalz scheint das zu funktionieren.

Von Ludger Fittkau |
    Kurt Beck hat Alexander Ulrich noch nicht angerufen:

    "Das läuft auf eine andere Art und Weise, dass es immer mal aus der dritten und vierten Reihe indirekte Angebote gibt, wo man meine Reaktionen abwartet. Das war schon immer so."

    Die SPD bleibt an Ulrich dran. Ulrich bleibt aber immun - noch. Denn der Kaiserlauterer IG-Metall-Sekretär war selbst einst Sozialdemokrat, bundespolitische Themen - vor allem Hartz IV - führten ihn zur Linkspartei. An den Beckschen Genossen hat Ulrich jedoch nach wie vor wenig auszusetzen.

    "Wir haben es hier in Rheinland-Pfalz mit einer SPD zu tun, die um acht bis neun Prozentpunkte besser bewertet wird wie unsere Nachbarländer NRW und Hessen und deutlich besser als im Saarland. Und dass auch diese SPD hier in Rheinland-Pfalz politische Inhalte verkörpert, die an vielen Stellen identisch sind mit uns."

    Dennoch war es der rheinland-pfälzischen Linkspartei gelungen, in den letzten Jahren auch unter Gewerkschaftlern Unterstützer zu finden. Vor allem in den Reihen von Verdi und der IG Metall. Doch nicht nur Alexander Ulrich zeigt sich ernüchtert über den Zustand seiner Landespartei. Heike Raab, Generalsekretärin der rheinland-pfälzischen SPD, registriert wieder wachsende Sympathien für ihre Partei im Gewerkschaftsspektrum:

    "Natürlich gab es auch in der SPD in Rheinland-Pfalz Austritte. Aber wenig, viel weniger als in anderen Landesverbänden. Und es gibt Eintritte. Ein bekannteres Beispiel ist der Betriebsratsvorsitzende der Schott AG, Wolfgang Heinrich, der mal bei der SPD war, kurzfristig bei der Linke war und die offene Tür, die es ja immer gibt, wieder genommen hat."

    Noch ist das Beispiel aus dem Betriebsrat des renommierten Mainzer Glas- und Solartechnikunternehmen Schott ein Einzelfall. Aber viele aktive Gewerkschafter fragen sich zurzeit, ob ein Engagement für die Linkspartei nicht Kurt Beck im Kampf um die Wiederwahl als Ministerpräsident schwächen würde. In ihm haben die Arbeitnehmervertreter seit langem einen zuverlässigen Ansprechpartner.

    Beck gelingt, den Kontakt mit den Gewerkschaften enger zu gestalten als führende Sozialdemokraten anderswo.

    "Unser Ministerpräsident ist, da bin ich, glaube ich, sicher, der einzige in der Bundesrepublik, der regelmäßig über die Jahre hinweg, Personal- und Betriebsrätekonferenzen durchführt. Dort sind regelmäßig auch Betriebsratsvorsitzende, die das Wort ergreifen. Und wir hatten auch auf dem Landesparteitag letzte Woche die Betriebsratsvorsitzende des Klinikums in Idar-Oberstein, 1000 Mitarbeiter, die ist dort spontan auch eingetreten in die SPD."

    Das wird Sigrid Meier wohl nicht machen. Sie ist seit 40 Jahren Gewerkschaftsmitglied, engagiert sich heute bei Verdi. Und in der Linkspartei im pfälzischen Bad Dürkheim. Sie kann den Frust ihres IG-Metall-Kollegen Ulrich über die Entwicklung der Linkspartei in Rheinland-Pfalz nicht ganz verstehen. Aber auch Sigrid Meier spricht von dem "Kurt" - wenn sie vom Ministerpräsidenten redet. Beck ist für sie mehr ein guter Gewerkschaftskollege als ein entrückter Landesvater: Sein Engagement für Gewerkschaftsthemen wie Mindestlöhne nimmt die Linke Kurt Beck ab:

    "Es liegt in der Natur der Sache, dass er sich als Sozialdemokrat und Gewerkschafter, der er auch ist, sich diesen Themen widmet im Wahlkampf. Das ist überhaupt gar nichts Neues. Ich denke, das würde er auch machen, würden wir nicht antreten."

    Doch das macht es der Partei nicht leicht, links von der SPD noch Platz zu finden - gerade im bevorstehenden Landtagswahlkampf. Dazu kommt, dass die rund 2000 Mitglieder sich sehr ungleich über das Land verteilen. Hochburgen hat die Partei in den alten Industriestädten wie Pirmasens, Kaiserslautern und Ludwigshafen. Kaum vertreten ist sie im Norden des Landes, etwa in der Eifel.

    Auch auf der Landesliste sei der Norden des Bundeslandes nicht genug berücksichtigt worden, hatte der zurückgetretene Landesvorsitzende Alexander Ulrich kritisiert. Sigrid Meier von der Bad Dürkheimer Linkspartei hält das zurzeit aber nicht für änderbar:

    "Ja, das liegt an der Mitgliederbasis. Die Wahlmänner und Frauen werden ja errechnet aufgrund der Mitgliederzahlen. Und im Südwesten, Westpfalz, Rheinpfalz, im mittleren Bereich hat die Partei deutlich mehr Mitglieder als im Rest des Landes, also ist die Vertreterversammlung mit den Delegierten demokratisch zusammengesetzt."

    Die Frage ist aber: Können die Linken auf dieser Basis wirklich bei der Landtagswahl im März die Fünf-Prozent-Hürde überwinden und den Einzug ins Mainzer Parlament schaffen? Die Landes-SPD will ausdrücklich keinen Wahlkampf gegen die Linkspartei führen. Doch man will in den nächsten Monaten alles tun, ehemalige Sozialdemokraten, die zu den Linken abgewandert sind, zurückzuholen. Heike Raab, SPD-Generalsekretärin:

    "Wir gehen zu auf Mitglieder, die sich, aus welchen Gründen auch immer, von der SPD abgewendet haben. Wir haben ein System von Mitgliederbeauftragten im SPD-Landesverband. Wenn ein Mitglied austritt, sei es aus persönlichen Gründen, aus finanziellen Gründen aus politischen Gründen, dann geht jemand aus der Leitungsebene vor Ort auf dieses Mitglied zu und wir haben eine sehr gute Rückholquote."

    In ihrem Heimatort Bad Dürkheim ist gerade ein aktives Mitglied der Linkspartei ausgetreten, weil die Linke bei der Wahl des Bundespräsidenten nicht Joachim Gauck unterstützt hat, erzählt Sigrid Meier. Auch sie hat in dieser Frage eine klare Haltung:

    "Hätte ich abstimmen dürfen, ich hätte für Gauck gestimmt."

    Selbst bei diesem Thema hat also die SPD Terrain im links-gewerkschaftlichen Spektrum zurückgewonnen - zumindest in Rheinland-Pfalz.