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Rückkehr der Pinguine

Informationstechnologie. - In Berlin treffen sich jedes Jahr die Anhänger der Open Source-Software. Die Szene schien im vergangenen Jahr einen Hänger zu haben, doch jetzt scheint es attraktive Ziele zu geben, denen sich die Entwickler widmen können. Der Wissenschaftsjournalist berichtet im Gespräch mit Ralf Krauter aus Berlin.

11.06.2010
    Krauter: Diesmal, Herr Kloiber, herrscht in den Berliner Messehallen offenbar wieder Aufbruchstimmung. Wie kommt es, dass die Open Source-Freunde wieder Morgenluft wittern?

    Kloiber: Ich glaube, sie haben eine Nische gefunden, oder sogar mehrere Nischen, die sehr interessant sind, wo es viel zu tun gibt, wo man prima entwickeln kann, wo man als technisch orientierter Mensch eben halt grübeln kann und sich einbringen kann. Und das ist ja..., das macht die Open Source-Gemeinde aus. Konkret geht es darum die Trendthemen eigentlich der IT-Welt. Da ist zum einen der Mobilfunkmarkt. Google hat ja das Betriebssystem Android vor gut einem Jahr auf den Markt gebracht. Das ist eine Linux-Variante, und hier sind weltweit schon über 180.000 Entwickler aktiv, die permanent neue Entwicklungen schreiben für Smartphones und mobile Endgeräte. Und jeden Tag werden ungefähr 100.000 Handys mit diesem System auf den Markt gebracht. Auch Nokia hat mit Intel zusammen ein eigenes Smartphone mit Betriebssystem auf Linux Basis in der Mache. Hier gibt es wirklich jede Menge zu tun. In diesem Zusammenhang war heute auch ein wichtiger Termin hier. Die Vorstellung des neuen We-Tab, das ist ein Tablet PC, ähnlich dem I-Pad, das heute funktionstüchtig erstmals gezeigt wurde. Die vom I-Phone schon bekannten Apps, die applications, oder die Anwendungen eben, die gibt es für dieses We-Tab in ziemlichen Variationsmöglichkeiten für ganz viele Linux Varianten. Das We-Tab, das kommt übrigens auch hier aus Berlin, aus der Hauptstadt. Und viele sehen darin wirklich eine ernst zu nehmende Konkurrenz gegen Apple, auch wenn da noch viele Details zu entwickeln sind. Aber das ist halt etwas, wo die Linux Gemeinde mitmachen will.

    Krauter: Tragbare Computer und der Mobilfunkmarkt also fest im Visier der Linux Anhänger. Gibt es denn auch noch andere Geschäftsfelder, auf die die Open Source-Fans auch ein Auge geworfen haben?

    Kloiber: Ja, immer stärker rückt da der so genannte Embedded-Bereich in den Fokus, das sind so genannte Spezialcomputer für die Steuerung von Anlagen und Maschinen. Und das korrespondiert dann auch wieder ganz stark mit dem Thema Linux für die Mobilfunkmarkt. Denn die ganze industrielle Entwicklung von diesen Spezialcomputern, die geht heute immer einher mit drahtloser Kommunikation. Übertragen gesagt: Maschinen telefonieren immer mehr mit Maschinen. Und auf diesem Feld sind die Linux-Entwickler schwer aktiv, genauso wie im Bereich Internettelefonie.

    Krauter: Open Source das steht von der Idee her ja für offenen Austausch unter Programmierern und Entwicklern, weil die Programmcode eben frei ausgetauscht und offen gelegt werden. Spielt dieses Credo des Freien Austauschs denn in der Linux Gemeinde überhaupt noch eine Rolle, oder hat sich die Debatte jetzt ganz auf neue und bessere Betriebssysteme reduziert?

    Kloiber: Nein, das spielt noch eine große Rolle, Herr Krauter. Hier wurde viel zum Beispiel über Alternativen zu den sozialen Netzwerken wie Facebook oder Twitter diskutiert. Denn die Idee der offenen Kommunikation und Vernetzung ist ja das ureigene Feld der Community. Auf der anderen Seite gefällt ihnen aber die Kommerzialisierung und der mangelnde Datenschutz der kommerziellen Angebote ganz und gar nicht. Deshalb gibt es hier eine ganz, ganz zarte Gegenbewegung, die ich aber ziemlich interessant finde. Man versucht, solche Plattformen durch eigene, verteilte, entwickelte und betriebene Netze zu ersetzen. Da tritt zum Beispiel Diaspora gegen Facebook an, oder Statusnet gegen Twitter. Allen Projekten gemein ist, dass sie von vielen unterschiedlichen Entwicklern im offenen Dialog kreiert werden. Also transparent ist, was dann passiert, auch mit den eigenen Daten. Und sie sollen dann in einer Art genossenschaftlichem Modell gemeinschaftlich von den Benutzern selbst betrieben werden. Da wird dann etwa daran gedacht, dass die Nutzer, die ihren Computer gerade nicht benötigen, ihn trotzdem laufen lassen, damit der dann in dieser ungenutzten Zeit zum Beispiel als Server für so ein soziales Netzwerk im Internet dient. Das sind also erste Ideen dazu, Alternativen zu kommerziellen Diensten zu bieten, sie zeigen aber, dass die Open Source-Szene wirklich lebt, das sind technisch versierte Leute, die gerne etwas mit anderen und für andere tun wollen, sie haben Spaß und kommen zu Lösungen, und sie wollen vor allem die beste Lösung für den Anwender, auch in Sachen Datenschutz.