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Rückkehr der Störe in Deutsche Gewässer

Der Europäische Stör ist vom Aussterben bedroht. Der Mensch hat die Bestände dieser Fische, die über vier Meter lang werden können, fast vollständig vernichtet. Die letzte freilebende Population ist an der französischen Atlantikküste heimisch. In deutschen Gewässern gibt es schon seit Jahrzehnten keine Störe mehr. Das soll sich ändern. Forscher des Berliner Berliner Leibnitz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei wollen den Stör wieder in der Nord- und Ostsee und ihren Zuflüssen ansiedeln.

von:: Henning Steiner | 18.02.2003
    Der Europäische Stör ist vom Aussterben bedroht. Der Mensch hat die Bestände dieser Fische, die über vier Meter lang werden können, fast vollständig vernichtet. Die letzte freilebende Population ist an der französischen Atlantikküste heimisch. In deutschen Gewässern gibt es schon seit Jahrzehnten keine Störe mehr. Das soll sich ändern. Forscher des Berliner Berliner Leibnitz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei wollen den Stör wieder in der Nord- und Ostsee und ihren Zuflüssen ansiedeln.

    Es plätschert und brummt in dem alten Gewächshaus am Ufer des Berliner Müggelsees. In vier riesigen Aquarien gefüllt mit jeweils mehreren Tonnen Wasser drehen 27 Störe friedlich ihre Runden. 27 ganz seltene Störe, wie Professor Frank Kirschbaum erklärt.

    Diese Störart mit der wir uns hier befassen, ist in Deutschland eigentlich ausgestorben. Und wir haben über eine Kooperation mit einer französischen Arbeitsgruppe in der Nähe von Bordeaux 1996 Fische bekommen, die dort noch vorkommen und die 1995 zum ersten Mal erfolgreich vermehrt und aufgezogen worden sind.

    Dass die Franzosen waren bereit, ihre Fische zu teilen, war für die deutschen Forscher ein Glücksfall. So kamen Nachzuchten der letzten freilebenden Population des Europäischen Störs ans Berliner Leibnitz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei. Hier werden sie unter ständiger Beobachtung aufgezogen. Dazu gehören auch regelmäßige Ausflüge ins Trockene.

    Der wird jetzt abgescannt." "D2 0E." "D2 0E. Ok. Das ist ein mittelgroßer Fisch. Jetzt messen wir die Länge. 91 Zentimeter. Also, er hat einen Zentimeter zugenommen.

    Alle zwei Wochen kontrolliert der Diplom-Biologe Emanuel Hensel den wertvollen Fischbestand. Jeder einzelne der nummerierten Störe wird aus dem Becken gefischt, gemessen, gewogen und dann von allen Seiten begutachtet.

    Keine Abschürfungen, keine Blutergüsse oder Hämatome. Keine Verletzungen an den Knochenschuppen. Des weiteren gibt es keine Haltungsschäden an den Flossen. Auch nicht an den Flossenspitzen. Also, dieser Fisch ist in einem guten Zustand.

    Stör D2 0E erfreut sich bester Gesundheit. Das freut den Fischforscher. Lieber wäre es ihm allerdings, wenn D2 0E ein bisschen schneller wachsen würde. Wie Stör 81 EF zu Beispiel. Der ist schon 1,20 Meter und könnte schon geschlechtsreif werden. Vorausgesetzt er ist ein Männchen. Das aber ist bei Stören äußerlich nicht erkennbar.

    Wir wissen also zum Beispiel nicht, dieser größte Fisch 1,20 Meter, ist das ein Weibchen, ist das ein Männchen? Wenn es ein Männchen wäre, dann könnte man hoffen, dass das schon geschlechtsreif werden könnte, die Weibchen müssen doch schon 1,40 Meter, 1,50 Meter Größe erreichen. So dass das wohl noch einige Jahre dauern wird, und wir werden als eins der nächsten Dinge eben auch versuchen, das Geschlecht dieser Fische zu bestimmen.

    Das ist über eine kleine Operation möglich. Erst danach darf Kirschbaum sicher sein, dass er nicht nur Männchen oder nur Weibchen in seinem Bestand hat. Das wäre fatal. Denn das Ziel der Wissenschaftler ist die Vermehrung der Störe. Die Nachzuchten sollen über die Elbe in die Nordsee entlassen werden, um dort wieder eine natürliche Population aufzubauen, die sich selbst erhält. Wie ein solches Besatzprogramm mit dem Europäischen Störs funktionieren kann, wird aber zunächst mit einer anderen Art erprobt. Ab 2004 sollen in der Ostsee und ihren Zuflüssen weniger seltene amerikanische Störe ansiedelt werden. Denn die hatten sich genetischen Untersuchungen zufolge dort schon einmal verbreitet.

    Aus diesen Untersuchungen ist dann überraschender Weise herausgekommen, dass in der Ostsee eine Störart in den letzten paar hundert Jahren gelebt hat, die eigentlich aus der Ostküste Nordamerikas stammt und die vor vielen Jahrhunderten mal über den Atlantik offenbar geschwommen ist.

    Um sich in der Ostsee anzusiedeln und dort die heimischen Störe zu verdrängen. In der Nordsee hingegen konnten sich die europäischen gegen die amerikanischen Störe behaupten – bis der Mensch beiden Arten ihren Lebensraum nahm. Wehre, Wasserkraftwerke und Schleusen schnitten den Tieren den Weg zu ihren Laichplätzen in den Flussläufen ab. Umweltverschmutzung und Überfischung trugen den Rest dazu bei, dass mit dem Stör ein ganz besonderer Fisch aus deutschen Gewässern verschwand.

    Er ist ungefähr 250 bis 200 Millionen Jahr inzwischen auf der Erde. Und ist ein Übergangs-Fisch, der nicht zu den echten Fischen, den Knochenfischen gehört, sondern zu den Knorpelganoiden. Und das ist auch das Eigentümliche an diesem Fisch, dass er zwar schon Knochensubstanz aufweist, letztlich aber die Wirbelsäule zum Beispiel aus Knorpel ist. Und deswegen der nicht nur wegen seinen Kavias, sondern auch wegen seines wohlschmeckenden Fleisches gerne gegessen wurde. Weil er nämlich keine Gräten hat.