Freitag, 19. April 2024

Archiv

Rückkehr der Zugvögel
"Es hat einen richtigen Zugstau gegeben"

Zugvögel, die aus dem Süden zurückkehren, nutzen normalerweise warme Südwestströmungen, um Energie zu sparen, sagte Andreas von Lineiner vom Landesbund für Vogelschutz in Bayern im Dlf. Aktuell hätten die Tiere jedoch mit einer Kaltfront zu kämpfen. Hinzu kämen aber weitere Probleme, die den Vögeln das Überleben erschwerten.

Andreas von Lindeiner im Gespräch mit Britta Fecke | 29.03.2018
    Ein Waldrapp aus der Unterfamilie der Ibisse (Geronticus eremita) fliegt über der Toskana in Italien. Zugvögel können beim Flug in V-Formation in ungeahnter Perfektion Energie sparen. Das habe die Analyse des Fluges von 14 Waldrappen ergeben.
    Waldrapp aus der Unterfamilie der Ibisse (Geronticus eremita) fliegt über Europa (picture alliance / dpa / Markus Unsöld)
    Britta Fecke: Sehnsüchtig erwarten wir Daheimgebliebenen die Rückkehr der Zugvögel – hoffen wir doch, dass sie den Frühling mitbringen. Nun macht eine Schwalbe noch keinen Sommer oder Frühling, aber in Bayern sind nun ziemlich viele Rauch- und Mehlschwalben aus ihren Winterquartieren zurückgekehrt. Das wollen wir zum Anlass nehmen, um einmal über den Bestand von Sing- und Zugvögeln zu sprechen und über die Gründe für ihren Rückgang. Ich bin verbunden mit Dr. Andreas von Lindeiner. Er ist Artenschutzreferent beim Landesbund für Vogelschutz in Bayern. Herr Lindeiner, sind die Schwalben in diesem Jahr später dran?
    Andreas von Lindeiner: Schönen guten Morgen, Frau Fecke. – Nein, die Schwalben sind im Grundsatz rechtzeitig da. Allerdings sie können nicht so viel weiterziehen, wie sie es wollten. Die Kaltfronten, die wir zuletzt hatten, haben einfach einen Weiterzug verhindert. Die Rauchschwalben haben sich tatsächlich nicht unbedingt davon abhalten lassen, sind teilweise schon bis an die Ostseeküste in Schleswig-Holstein vorgedrungen, haben allerdings jetzt im Süden schon einige Bereiche erreicht und halten sich überwiegend bei solchen Zeiten dann an Gewässern auf, an größeren Flüssen, an Seen, wo auch Wasserinsekten schlüpfen und knapp über der Wasseroberfläche erreichbar sind, wo sie dann auch Nahrung finden können.
    Fecke: Sie beobachten ja die Rückkehr der Schwalben schon seit sehr vielen Jahren. Sind dieses Jahr genauso viele zurückgekehrt wie sonst?
    von Lindeiner: Das kann man so noch nicht sagen. Wir können das ja nicht genau mit einem Monitoring feststellen, weil es ja überwiegend alles noch Zugvögel sind, die durchziehen. Aber die Rauchschwalben waren so früh dran wie sonst auch, haben natürlich dann Schwierigkeiten weiterzuziehen.
    Farbfoto einer Rauchschwalbe sitzt auf einem Zweig mit Nestmaterial im Schnabel
    Die Rauchschwalbe hat bei ihrer Rückkehr aus dem Süden in diesem Jahr besonders mit dem kalten Ostwind hierzulande zu kämpfen (Imago/Blickwinkel)
    Bei der Mehlschwalbe sind es wirklich ganz, ganz vereinzelte, die jetzt gerade im Bereich Oberrhein und Bodensee aufgetaucht sind, einzelne auch schon im Binnenland. Aber ansonsten müssen wir sagen, es hat tatsächlich einen richtigen Zugstau gegeben durch diese Kaltfront, die insbesondere ja mit Ostwinden verbunden war. Normalerweise nutzen Zugvögel, die von Spanien oder Frankreich kommen, warme Südwestströmungen, um auch Energie zu sparen, um in ihre Brutgebiete weiterzuziehen.
    Fecke: Wir hoffen ja alle auf etwas wärmeren Wind und nicht mehr diesen kalten Ostwind. Wenn sie jetzt an ihrem Quartier oder ihrem Standort in Deutschland angekommen sind, finden sie relativ gute Bedingungen vor, oder was erwartet die Mehlschwalbe da?
    von Lindeiner: Die Mehlschwalbe erwartet leider häufig, dass ihre Nester nicht mehr da sind, denn viele Hausbesitzer haben einfach Probleme damit, dass Schwalben nun auch mal ein bisschen Dreck produzieren. Das ist ja häufig der Fall. Man kann dem aber leicht abhelfen, indem man zum Beispiel ein Kotbrett unter die Nester setzt und damit die Fassade sauber hält.
    Vielfach haben sich die Hausbesitzer allerdings noch gar keine Gedanken dazu gemacht. Wir kriegen ganz, ganz oft mit, dass sogar während der Brutzeit Sanierungsmaßnahmen an der Fassade geplant sind. Wenn die Tiere schon auf ihren Eiern sitzen, oder wenn Junge im Nest sind, werden Nester abgeschlagen. Das ist nicht erlaubt. Man muss dann seine Maßnahmen entsprechend planen. Das ist ein größeres Problem und das zweite Problem ist – das war ja in den Medien auch sehr stark jetzt diskutiert worden -, dass die Insektenwelt stark gelitten hat in den letzten Jahren und dass wir insbesondere was die Biomasse angeht, die ja auch für die Schwalben ganz bedeutsam ist, einen riesen Rückgang zu verzeichnen haben. Damit haben die Schwalben tatsächlich auch zu kämpfen.
    "Jungen von Insektenfressern brauchen auch viel Eiweiß"
    Fecke: Jetzt sind ja nicht nur Schwalben, sondern auch andere Singvögel auf Insekten angewiesen. Sie brauchen die auch tatsächlich. Zur Brut helfen keine Nüsse, da müssen Insekten her.
    Junge Schwalben verlangen nach Futter – und werden von einem Elternteil versorgt.
    Nüsse reichen nicht aus, um Jungvögel über den Winter zu retten (picture alliance / dpa/Rainer Jensen)
    von Lindeiner: Tatsächlich. Insektenfresser fressen überwiegend Insekten und zum Teil natürlich auch mal Früchte. Aber für die Jungenaufzucht ist weiche Nahrung wichtig. Gerade insbesondere die Jungen von Insektenfressern brauchen auch viel Eiweiß, um groß zu werden, und die Eltern, die immer weiter fliegen müssen, um Nahrung zu finden, oder immer größere Reviere in Anspruch nehmen müssen, um genügend Nahrung zu finden, haben natürlich dann auch Schwierigkeiten, ihre Jungen tatsächlich groß zu bekommen.
    Fecke: Welche Singvogelarten sind denn nachweislich in Deutschland schon zurückgegangen?
    von Lindeiner: Das ist eine größere Zahl. Insbesondere die Vögel des offenen Landes sind hier zu nennen. Das sind Vogelarten wie zum Beispiel die Feldlärche oder die Grauammer. Es sind aber auch Arten wie das Braunkehlchen und tatsächlich unsere Schwalben. Wir haben mittlerweile bundesweit leider beide, Rauch- und Mehlschwalbe, in der Roten Liste mit Gefährdungskategorie III gefährdet. In der letzten Liste von 2007 waren sie noch in der Vorwarnliste. Da zeigt sich einfach auch anhand der langjährigen Trends, die wir mit den Kollegen vom DDA auch immer wieder zusammenstellen, dass da ein rückläufiger Trend ist bei diesen beiden sehr häufigen Arten. Aber sie mussten deswegen auch in der Roten Liste hochgestuft werden.
    Fecke: Der Rückgang der Insekten und auch der fehlenden Habitate hier in Deutschland ist ein Grund, aber nicht der einzige, oder?
    von Lindeiner: Das ist genau das Problem. Wir können nicht eins zu eins sagen, der Rückgang der Insekten hat sich auch auf die Insektenfresser-Population in gleichem Maße ausgewirkt. In der Tat ist es so, dass die langjährigen Monitorings gezeigt haben, dass der Rückgang bei den Insektenfresserarten bei der Hälfte der Arten sehr ausgeprägt ist. Aber diese Arten sind häufig auch Fernstreckenzieher, die südlich der Sahara überwintern, und hier dürften sich zwei Effekte überlagern, Probleme auf dem Zug und im Wintergebiet und dann der Insektenmangel im Brutgebiet.
    "In Nordwestafrika hat ein Landschaftswandel stattgefunden"
    Fecke: Können Sie mir die Probleme mal beschreiben, die sich dort im Winterquartier abspielen?
    von Lindeiner: Das Problem ist ja zunächst erst mal: Die Vögel ziehen ja im Regelfall bei uns Richtung Südwesten ab, dann über Gibraltar nach Nordwestafrika, und auch dort hat sich schon herausgestellt, dass die wichtigen Tankstellen, um das mal so zu nennen, in den Rastgebieten immer weniger werden. Auch in Nordwestafrika hat ein Landschaftswandel stattgefunden. Zum Beispiel gibt es immer mehr Gemüseanbau unter Folie und diese Flächen fehlen natürlich zur Jagd nach Insekten. Diese Tankstellen sind aber insbesondere wichtig, um auch diese weite Strecke über die Sahara zu schaffen.
    Star (Sturnus vulgaris), Schwarm landet auf einem Feld, Deutschland, Rheinland-Pfalz
    Zugvögel finden in ihren Brutgebieten immer weniger Nahrung - vor allem das Insektensterben macht ihnen zu schaffen (imago / blickwinkel)
    Fecke: Die tanken Nahrung? So nennen Sie das?
    von Lindeiner: Ja, die tanken Nahrung. Sie nehmen Nahrung, Insekten auf, um genügend Energie zu haben, genügend Fettpolster und Depots anzusetzen, um dann diesen weiten Flug über die Sahara zu schaffen, um dann in den Sahel zu kommen. Und im Sahel-Gürtel, wo sie überwintern wollen, findet ein ganz starker Landschaftswandel statt. Die Landwirtschaft wird dort auch intensiviert. Es gibt immer mehr Tierherden, Nutztierherden, und damit verändert sich die Landschaft dort ganz erheblich, so dass immer weniger Nahrung auch dort zur Verfügung steht, und das dürfte ein Effekt sein, den wir noch gar nicht so genau quantifizieren können. Aber wir müssen versuchen, hier auch anzusetzen und mit diesen Ländern zu kooperieren, damit letztendlich der gesamte Zugweg und das Überwinterungsgebiet durchaus auch für die Vögel noch nutzbar bleibt.
    Fecke: Wenn Sie mir noch kurz das Beispiel der Grasmücke erklären, das Sie mir schon im Vorgespräch nahegebracht haben?
    von Lindeiner: Ja, mache ich gerne. Es gibt zwei relativ ähnlich eingenischte Grasmückenarten: Die Mönchsgrasmücke, die viele vielleicht kennen – das ist ein grauer kleiner Vogel mit einer schwarzen Kappe bei den Männchen -, und die Gartengrasmücke. Die Mönchsgrasmücke zieht in der Regel nur bis ins Mittelmeer-Gebiet, nimmt deutlich zu und hat einen positiven Trend, während die sich vergleichbar ernährende Gartengrasmücke während der Brutzeit zumindest ein Fernstreckenziel nach Westafrika hat, und der geht es sehr schlecht. Der Trend ist deutlich rückläufig. Und da zeigt sich ja, dass unter Umständen nicht nur hier der Insektenmangel im Brutgebiet, sondern auch das Zuggeschehen eine ganz wichtige Rolle für die Bestandsentwicklung spielen.
    Fecke: Die Gründe für die Probleme unserer Sing- und Zugvögel sind vielfältig – vielen Dank für diese Erklärung. Dr. Andreas von Lindeiner war das. Er ist Artenschutzreferent beim Landesbund für Vogelschutz in Bayern.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.