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Rückkehr in die fremde Heimat

Im Schnitt verlassen jedes Jahr 40.000 türkische Staatbürger Deutschland und kehren in ihre Heimat zurück. Die Gründe sind unterschiedlich: weil der Arbeitsmarkt in der Türkei besser ist, weil dort öfter die Sonne scheint oder weil Istanbul so eine schöne Stadt ist. Einmal im Monat treffen sich die Deutsch-Türken in Istanbul zum Rückkehrer-Stammtisch. Susanne Balthasar hat sie dort getroffen.

Von Susanne Balthasar | 13.07.2006
    Ein Restaurant im Istanbuler Stadtteil Karaköy. 8. Stock, Panoramafenster, davor eine große Terrasse. Es ist sieben Uhr. Pünktlich treffen die ersten Gäste ein. Cigdem Akkaya hat zusammen mit zwei deutsch-türkischen Freundinnen zum Rückkehrer-Stammtisch eingeladen. In Istanbul organisiert sie Kongresse und Reisen für internationale Firmen – vor allem für deutsche:

    "Wie geht es dir? Alles gut? Dem Sohn, dem Vater?"

    Küsschen rechts, Küsschen links. Zwei Mitarbeiterinnen einer deutschen Bank und die türkische CNN-Korrespondentin aus Deutschland stellen sich vor.

    "Hallo, ich bin Xenia."

    Endlich wieder Deutsch sprechen. Cigdem Akkaya, die früher beim Essener Zentrum für Türkeiforschung gearbeitet hat, schaut auf die reservierten Tischreihen - Platz für 40 Personen. Beim ersten Stammtisch, sagt sie waren sie zu zehnt, und dann kamen immer mehr.

    "Das sind vereinzelte Beobachtungen, die man macht. Es gibt weder Statistiken noch etwas. Aber die Forschung besagt, dass der Rückkehrwunsch vor allem bei jungen Leuten erheblich größer geworden ist. Ob sie das aber in die Realität umsetzen, das wissen wir nicht."

    Im Schnitt verlassen jedes Jahr 40.000 türkische Staatbürger Deutschland und kehren in ihre Heimat zurück. Junge Menschen wie Yasmin tauchen allerdings in dieser Statistik nicht auf. Die Mitzwanzigerin besitzt einen deutschen Pass. Deshalb musste sich die Bremerin nirgendwo abmelden, als sie im Schwelleland Türkei Arbeit in einer Event-Agentur fand:

    "Ich bin von der Uni abgegangen, war motiviert , wollte eine Arbeit finden, und habe diese Möglichkeit nicht bekommen. Ich war hier nur im Urlaub und habe gemerkt: Hier werde ich gebraucht, hier habe ich was gefunden- In meinem Freundeskreis stelle ich das auch fest, sie wollen arbeiten und finden nichts. Mittlerweile ist die Türkei eine Alternative."

    Mark Landau, der Geschäftsführer der Deutsch-Türkischen Handelskammer in Istanbul, kann das bestätigen. Er bekommt mehr und mehr Anfragen aus Deutschland. Überwiegend aus den Branchen Industriedienstleistung und Bankwesen, aber auch von Handwerkern:

    "Es sind überwiegend gut ausgebildete Leute, die sich für eine Tätigkeit hier interessieren, wohl wissend, dass sie anfangs weniger verdienen als in Deutschland."

    Wer außerdem die deutsche Kultur kennt, hat gute Chancen. Schließlich ist Deutschland der wichtigste Handelspartner der Türkei.

    Ohne gute Ausbildung rät Mark Landau vom Umzug jedoch ab. Die offizielle Arbeitslosenquote liegt bei zehn Prozent. Nach Schätzungen ist sie allerdings doppelt so hoch. Auch wer einen Job findet und die türkische Kultur gut kennt, muss sich umstellen.

    Die Berliner Soziologin Alev Karatas, jetzt Einkäuferin in der boomenden türkischen Textilbranche, erinnert sich an ihre Anfangszeit:

    "Ich hatte mir das einfacher vorgestellt. Ich habe in der ersten Zeit fast 70 Stunden die Woche gearbeitet, und je mehr ich gearbeitet habe, desto mehr hat man mir aufgeladen. Schon in der ersten Woche auf der neuen Arbeitsstelle sind ganz viele Leute sofort gegangen. Die sind entlassen worden. Ich saß da wie auf einem Schleuderstuhl, dachte, jeden Moment stehe ich auf der Straße und habe nichts. Das war das überragendste Gefühl in der ersten Zeit."

    Inzwischen arbeitet Alev bereits schon seit drei Jahren in Istanbul und hat sich an das Leben und Arbeiten hier gewöhnt. Hier ist sie eine Deutschländerin, aber das, sagt sie, ist besser als eine "Türkin" in Deutschland zu sein.

    "Das ist sicher kein unwichtiger Gedanke, dass man es satt hat, immer zum Thema, zum Problem gemacht zu werden. Das muss man hier sich nicht anhören. Hier wurde ich am Anfang milde belächelt: Mein Gott, du kommst aus Deutschland in die Türkei, aber sonst ausgeschlossen deshalb? Nein."