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Rückkehr in die Heimat

1933 ging der deutsche Maler George Grosz ins amerikanische Exil. Er kam als Bewunderer einer offenen Gesellschaft. Darum konnte und wollte er die Verhältnisse in Amerika nicht mit dem bissigen Spott verfolgen, mit der er den deutschen Militarismus gegeißelt hatte. Die private Galerie Nolan Judin in Berlin zeigt jetzt zahlreiche Werke aus den Exiljahren des Künstlers.

Von Carsten Probst |
    Es ist bekannt, dass George Grosz in seinem amerikanischen Exil nicht mehr mit dem George Grosz zu vergleichen war, den man aus den Berliner Zeiten kennt. Je länger dieses Exil andauert, desto mehr verliert Grosz' Werk seinen politischen und künstlerischen Biss. Grosz wurde 1938 amerikanischer Staatsbürger und kehrte erst 1959, wenige Wochen vor seinem Tod, nach Berlin zurück.

    Von den 78 Werken, die jetzt in der Berliner Dependance der New Yorker Großgalerie Nolan Judin zu sehen sind, sind gut die Hälfte kaum mehr als künstlerische Fingerübungen. Stillleben und klassische Porträts, einige symbolisch aufgeladene, aber ansonsten realistisch gehaltene Selbstporträts und schwülstige Strandszenen mit erotischen Einsprengseln zeugen geradezu beklemmend vom Verfall seines künstlerischen Selbstbildes während dieser Zeit.

    Er selbst sah sich, paradox genug, erst jetzt als wirklichen Künstler und distanzierte sich von Teilen seines eigenen Werkes aus den früheren Berliner Zeiten. Die Dadaisten, denen er sich in den 20er-Jahren nahe gefühlt hatte, bezeichnete er in seinen amerikanischen Memoiren "A little Yes and a big No" als "Müllkasten-Künstler". Auch zweifelte er seine eigene, proletarische Orientierung aus den Zeiten der Weimarer Republik an. Aus alldem spricht die Verbitterung über die proletarischen Massen, die sich 1933 in Deutschland nicht gegen die Machtergreifung Hitlers gewehrt hätten.

    Nur noch ein schwacher Abglanz seiner politischen Kunst taucht nun in einigen seiner amerikanischen Arbeiten auf. Auf Papier gibt es Illustrationen aus dem Alltag von Krieg und Gefangenenlager, die sich ebenso gut aber auch noch auf Grosz' Erfahrungen des Ersten Weltkrieges beziehen konnten. Spezifische Auseinanderansetzungen mit der neuen technischen Qualität oder auch den Konzentrationslagern fehlen, und womöglich hatte Grosz auch das Gefühl, als Künstler an dieser Dimension des Völkermords zu scheitern. Eine kleine Serie von Karikaturskizzen aus dem Jahr der Machtergreifung zeigt Hitler als Siegfried in der Art eines lächerlichen Muskelprotzes mit Schwert, der das heldenhafte Deutschtum verteidigt. Noch 1937 fertigte er eine Mappe mit Zeichnungen zum Zeitgeschehen, die er "Interregnum" nannte, als Bezeichnung einer Zeit zwischen zwei großen Kriegen. Auch ein bemüht wirkendes Großgemälde von 1944, das Hitler in der Hölle zeigt, kündet vom Vorgefühl für die nahe Zukunft, in diesem Fall der deutschen Niederlage. Zugleich dokumentiert es jedoch auch den endgültigen Verlust des künstlerischen Elans bei George Grosz.

    Die vielleicht eindrucksvollsten Arbeiten dieser Ausstellung sind jene, in denen Grosz sein eigenes Schicksal reflektiert. 1935 entstehen einige Papierarbeiten über Schiffsbrüchige, die hilflos im Meer treiben oder sich mit Mühe an das rettende Ufer geschleppt, dabei jedoch kaum mehr als das eigene Leben gerettet haben. Unschwer lässt sich darin eine Metapher auf Grosz' eigenes Befinden als Exilant erkennen. Zwei Jahre später malt Grosz sich selbst als Gossenreiniger beim aussichtslosen Versuch, eine trübe Gewässerbrühe vom Schlamm zu reinigen.

    Grosz hatte wie die meisten Exil-Künstler nicht viel Geld und verdiente sich seinen Lebensunterhalt unter anderem mit Illustrationen für "Vanity Fair" oder für verschiedene Bücher. Gleichwohl versuchte er die Solidarität für jene aufrecht zu erhalten, denen es im Exil noch schlechter ging, etwa den befreundeten Schriftsteller Walter Mehring, den er auch mehrfach porträtierte.

    Die letzte Berliner Einzelausstellung zu Grosz' Spätwerk fand vor 15 Jahren in der Neuen Nationalgalerie statt. Insofern ist es bemerkenswert, dass die Bilder nun in einer Privatgalerie erscheinen und aus dem offiziellen George-Grosz-Nachlass heraus zumindest teilweise zum Verkauf angeboten werden. Das lässt zumindest vermuten, dass Bemühungen, das Spätwerk von Grosz in die Obhut eines großen Museums zu geben, gescheitert sind.