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Rückkehr zur Hexenjagd à la McCarthy?

Patriot Act, die Stigmatisierung von Künstlern, die sich gegen den Irakkrieg aussprechen, Selbstzensur in den großen Medien und eine neue Welle patriotischer Streifen im US-Kino – all das lässt vielfältige historische Assoziationen aufkommen. Der Historiker und Politikwissenschaftler Frank Niess zeichnet in seinem Buch "Schatten über Hollywood – McCarthy, Bush jr. und die Folgen" die Ära der amerikanischen Kommunistenhatz nach und unternimmt auch den Versuch, Parallelen zu ziehen.

Von Marcus Heumann |
    "Der einzelne Amerikaner kann nur sehr wenig tun, um kommunistische Spione in unserer Regierung zu entlarven. Sie müssen ganz auf die unter uns setzen, die als Wachtürme für die Nation dienen. Was die Amerikaner jedoch tun können, ist, Tag und Nacht wachsam zu sein und sicherzustellen, dass keine Kommunisten Lehrer für die Söhne und Töchter Amerikas sind."

    So Senator Joseph McCarthy, jener Mann, der zum Inbegriff jenes antikommunistischen Gesinnungsterrors wurde, der die Vereinigten Staaten ab den späten 40er Jahren überrollte. Ausgehend von einer informativen Einführung in die Geschichte der amerikanischen Linken schildert Frank Niess die erste Verfolgungswelle, die in den USA bereits kurz nach der russischen Oktoberrevolution einsetzte: Ab Herbst 1919 ließ Justizminister Palmer binnen Jahresfrist rund 4500 des Kommunismus und des Anarchismus Verdächtigte verhaften, internieren und – so es sich um Ausländer handelte – abschieben. Als "special assistant" diente ihm dabei ein junger Mann, unter dessen Ägide die politische Verfolgung ein Vierteljahrhundert später ihren Höhepunkt erreichen sollte: John Edgar Hoover, von 1924 bis zu seinem Tode 1972 Chef des FBI. Während Hoover das Treiben der Mafia geflissentlich ignorierte, legte der notorische Kommunistenhasser gleichzeitig eine riesige Kartei über Radikale, Anarchisten, Kommunisten, und linke Gewerkschafter an; am Ende von Hoovers Amtszeit waren sechseinhalb Millionen Amerikaner in den Dossiers erfasst. Dass die US-Kommunisten zu keiner Zeit eine politisch relevante Kraft darstellten, war dem paranoiden Hoover dabei gleichgültig, zumal er sich bei seinen Praktiken der Deckung durch US-amerikanische Gesetze bedienen konnte. Niess schreibt:

    "1919, im Zeichen des "Red Scare" entschied der oberste Gerichtshof, dass der Schutz der Redefreiheit laut erstem Zusatzartikel zur amerikanischen Verfassung nicht immer galt. Er war demnach nicht anwendbar, wenn die eindeutige und gegenwärtige Gefahr bestand, dass "substantielle Übel", die der Kongress zu verhüten hat, die Folge dieser Redefreiheit sind. Zu diesem Richterspruch kam 1940 das Smith-Gesetz hinzu, das es verbot, zum Sturz der Regierung, der Bundesregierung in Washington wie auch der einzelstaatlichen Regierungen aufzurufen."

    "Are You or have you ever been a member of the communist Party?” war die zentrale Frage, vor der ab 1947 jeder Schriftsteller, Drehbuchautor, Schauspieler oder Wissenschaftler zittern musste, der vor einen der diversen Untersuchungssausschüsse wegen des Verdachts auf "unamerikanische Tätigkeit" zitiert wurde. Oder auch von Hoovers FBI-Agenten zuhause besucht, verhört und eingeschüchtert wurde.

    "Die "Hexenjäger" hatten Idealtypen von potentiellen Staatsfeinden vor Augen. Suspekt waren ihnen linke Arbeiterführer, Bürgerrechtler und all jene, die einen Obulus für die Republikaner im Spanischen Bürgerkrieg entrichtet, vor einem Atomkrieg gewarnt oder an Aktionen der CPUSA teilgenommen hatten."

    1947 standen die "Hollywood Ten" im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses: Drehbuchautoren, Produzenten und Regisseure, die sich einer Befragung durch den Untersuchungsausschuss für unamerikanische Umtriebe verweigerten und dafür wegen Aussageverweigerung und – unbewiesener – kommunistischer Tätigkeit im Gefängnis landeten. Selbst lächelnde Russen in einem Hollywood-Streifen galten in der allgemeinen Hysterie des heraufziehenden Kalten Krieges als Indiz. Ebenfalls 1947 wurden aufgrund einer vom US-Präsidenten erlassenen "Loyality Order" drei Millionen Bundesangestellte überprüft und rund 3000 entlassen. Das Denunziantentum blühte. Frank Niess' Buch ist voller ebenso absurder wie tragischer Fälle: So fand sich etwa ein Angestellter von General Electric vor dem Komitee für unamerikanische Tätigkeit wieder…

    "…weil sein Vorarbeiter dem FBI gemeldet hatte, er läse ein Buch aus der Bibliothek über Sibirien."

    Wochenschau:
    "Departement of justice officials have promised further arrests as the crackdown on suspective subversives gathers momentum."

    Selbst US-Präsident Truman wurde der Spuk langsam unheimlich. Die New York Times zitierte ihn am 29.Juli 1951 mit folgenden Worten:

    "112 Personen wurden gebeten, eine Petition zu unterschreiben, die nichts anderes enthielt als Zitate aus der Unabhängigkeitserklärung und der Bill Of Rights. 111 Personen weigerten sich, dieses Papier zu unterschreiben, viele von ihnen, weil sie Angst hatten, dass es irgendeine Art subversives Dokument sei und dass sie ihren Job verlieren oder als Kommunisten bezeichnet würden."

    Frank Niess räumt mit dem weit verbreiteten Irrtum auf, Senator Joseph McCarthy sei der Erfinder oder der Großinquisitor der antikommunistischen Hearings gewesen. Tatsächlich tauchte McCarthy erst 1950 auf der Bildfläche auf. Dass die Hexenjagd dieser Jahre vor allem mit seinem Namen verbunden wird, ist der besonderen Ruppigkeit des karrieregeilen Senators aus Wisconsin geschuldet, mit der er sich 1954 letztlich sein eigenes politisches Grab schaufelte. Bei einer Anhörung zu angeblichen kommunistischen Umtrieben in der US-Armee platzte dem Rechtsberater des Heeres der Kragen angesichts McCarthys rüpelhaften Benehmens:

    Ob er denn gar keinen Sinn für menschliche Würde habe, musste sich McCarthy fragen lassen. Und am 2. Dezember 1954 erteilte der Senat ihm eine Standesrüge: Er habe die Mitglieder des Senats missbraucht und das Vertrauen der Amerikaner in ihre Regierung unterminiert. Der geschasste McCarthy starb 1957 mit 49 Jahren an den Folgen chronischen Alkoholmissbrauchs. Die Schwarzen Listen jedoch nahm er nicht mit ins Grab, und diejenigen, die auf ihnen standen, blieben noch Jahre und Jahrzehnte Geächtete innerhalb der US-Gesellschaft – oft bis zu ihrem Tod. Da die Kommunistenhatz in den USA nicht das Werk einer einzigen zentralen Behörde war und die Methoden der Repression vielfältig, ist es dem Autor nicht vorzuwerfen, dass seine Schilderung in zahlreiche Einzelfälle zerfasert und auch chronologisch nicht stringent ist. Gerade deshalb aber wäre ein Personenregister im Anhang besonders erfreulich gewesen, ebenso wie eine klarere Kapitelgliederung. Der Untertitel des Buches, "McCarthy, Bush jr. und die Folgen" ist eher Verpackungsschwindel. Dafür sind die Vergleiche, die Niess zwischen den finsteren Zeiten des McCarthyismus und der Amtszeit Bushs zieht, zu sporadisch und unsystematisch.

    "Nicht wenige sehen ein Revival des McCarthyismus kommen. Dass es ein elektronisch aufgerüsteter, ein Cyber-McCarthyismus sein wird, vermag niemand zu beruhigen. (…) Es bleiben starke Indizien dafür, dass die Tradition, wonach sich der libertäre Zug der amerikanischen Gesellschaft in Krisenzeiten zu Lasten von Minderheiten aller Art verflüchtigt, ungebrochen ist,"

    schreibt Niess gleich im ersten Kapitel, konstatiert jedoch zugleich, die kommunistische Bedrohung der USA in den 40er und 50er Jahren sei eine komplette Erfindung gewesen, der 11. September hingegen höchst real. Damit beugt er dankenswerterweise zu simplen Gleichsetzungen vor: Geschichte wiederholt sich eben nicht.

    Frank Niess: Schatten auf Hollywood. McCarthy, Bush jr. und die Folgen
    Papyrossa Verlag, Köln
    218 Seiten, 16,90 Euro