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Rücktritt der Verbandspräsidentin
Das Schweigen der Eisschnellläufer in Inzell

Nach dem überraschenden Rücktritt von Verbandspräsidentin Stefanie Teeuwen diskutieren die deutschen Eisschnellläufer über die Zukunft. Bei der deutschen Meisterschaft in Inzell waren auch die Ambitionen des Lebensgefährten von Claudia Pechstein, Matthias Große, ein Thema.

Von Tobias Krone | 09.11.2019
Schlittschuhe eines Eisschnellläufers beim Start
Wie geht es weiter im deutschen Eisschnelllauf nach dem Rücktritt von DESG-Präsidentin Stefanie Teeuwen ( imago/Kosecki )
Es ist ein Heimspiel für ihn. Joel Dufter aus Inzell gewinnt am Freitag den Spurt gegen den Titelverteidiger Nico Ihle aus Chemnitz auf der 500-Meter Sprintdistanz im Eisschnelllauf. Es sollte um Sport gehen dieses Wochenende in der Max-Aicher-Arena in Inzell. Doch dann kam am Vorabend die Nachricht vom Rücktritt der Verbandspräsidentin Stefanie Teeuwen. Dazu der 24 Jahre alte Deutsche Meister Joel Dufter:
"Gestern wurde nix kommuniziert, ich habe das bloß heute selber gelesen in den Medien und war auch überrascht."
Jeder, den man am Freitagabend fragt, gibt sich überrascht bis schockiert von der Entscheidung der Präsidentin. Auch bei den verbliebenen Funktionären im Verband Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft, kurz DESG, herrscht nach außen hin Ratlosigkeit. Schatzmeister Dieter Wallisch:
"Da müssten Sie, warum es dazu kam, die Frau Teeuwen selber fragen, warum sie den Rücktritt gewählt hat. Ich kann es Ihnen nicht sagen und will auch keine Spekulationen aufstellen. Ich kann es wirklich nicht sagen, ich weiß es nicht."
"Sicherlich ein Haifischbecken"
Stefanie Teeuwen will sich auf Anfrage des Deutschlandfunks nicht äußern. Nach Informationen der ARD-Sportschau hätte sich Teeuwen wegen der Finanzprobleme des Verbandes zurückgezogen. Der dpa gegenüber räumte Wallisch ein, man stehe nicht vor der Pleite, benötige aber 400.000 Euro. Auch intern soll es Streit um die Macht zwischen einzelnen Landesverbänden geben. Der Sportdirektor Matthias Kulik drückt es so aus:
"Klar ist so ein Präsidentenamt in so einem Spitzenverband sehr schwierig, weil man hat verschiedene Interessenlager. Man ist da nicht auf Rosen gebettet, wie vielleicht in einem kleinen Heimatverein, der seinen Präsidenten hochhält. Das ist auf dem Niveau schon auch schwierig, kein einfaches Becken, das ist auch sicherlich ein Haifischbecken."
Laut Kulik habe die Präsidentin - seit 2016 im Amt - einen guten Job gemacht.
"Sie hat den Verband in einer ganz schwierigen Zeit übernommen. Wir waren ja doch ein sehr, sehr, sehr erfolgreicher Verband über viele Jahre. Mit dem Übergang dann auch zu Stefanie Teeuwen hat sie sich dann der Sache gestellt, wo viele andere nicht Verantwortung übernehmen wollten. Sie hat in dem Moment Verantwortung übernommen. Hat den Verband in sehr schwierigen Jahren geführt – und aus meiner Sicht auch sehr gut geführt, mit viel Herzblut…"
"Ich kann das nicht zu 100 Prozent ernst nehmen"
In der Tat steht der Deutsche Eisschnelllauf vor einem Neuanfang. Bei der Weltmeisterschaft im vergangenen Winter in Inzell holte der Verband keine einzige Medaille, ebenso wie bei den Olympischen Spielen 2014 und 2018. Der Neustart verlaufe nun sportlich gut, versichern die Athleten, im Sommer habe man sich angemessen vorbereiten können. Doch die Suche nach einem Präsidenten oder einer Präsidentin dürfte schwer werden, sagen Beobachter. Einen Bewerber brachte nun schon einmal die mit 47 Jahren immer noch aktive mehrfache Olympiasiegerin Claudia Pechstein ins Spiel: es ist ihr Lebensgefährte Matthias Große, ein Berliner Immobilien-Unternehmer, der seine Ambition inzwischen auch selbst öffentlich gemacht hat. Claudia Pechstein trainiert derzeit mit der polnischen Nationalmannschaft, der neue Bundestrainer der Deutschen, Erik Bouwmann hatte die Zusammenarbeit mit ihr im Winter beendet. Darüber, dass nun ihr Lebenspartner seinen Hut in den Ring werfe, lächelt Bouwmann.
"Ja… ich kann das nicht zu 100 Prozent ernst nehmen, natürlich, aber wir werden sehen."
Der vielfache Deutsche Meister und diesjährige Vizemeister Nico Ihle zeigt sich für Großes Kandidatur prinzipiell offen.
"Am Ende können wir nur froh sein, dass wir überhaupt jemanden haben, der sich dafür bereit erklärt, das Ganze in die Hand zu nehmen. Da soll von mir aus jeder kommen, der das Ding wirklich anpacken will und uns nach vorne bringt." "Auch ein Herr Große." "Wenn das dann so ist, dann soll’s so sein. Auf jeden Fall, ja."