Man mag es bedauern, dass das New York City Ballett zu seinem ersten Deutschland-Gastspiel seit 32 Jahren nicht verschiedene Programme mitbrachte, eines nach Ludwigshafen ins BASF-unterstützte Theater im Pfalzbau, und ein anderes in das Festspielhaus Baden-Baden, wo die Amerikaner am kommenden Wochenende tanzen. Aber dafür ist dieses eine, an insgesamt fünf Abenden gezeigte Programm lang und einfach fantastisch.
Es bietet Stoff genug zum Staunen, Bewundern und Nachdenken. In drei Stunden mit zwei Pausen ließen sich vier brillante Werke aus drei Jahrzehnten betrachten. Choreografien des bedeutendsten Erneuerers des klassischen Tanzes im 20. Jahrhundert, des nach New York emigrierten Russen George Balanchine und von Jerome Robbins, seines amerikanischen zeitweiligen Stellvertreters am New York City Ballet, demonstrierten ihre unvergänglichen Klassikerqualitäten.
Dabei macht es bei Balanchines Mozart-Divertimento von 1956 einen Teil des Reizes aus, dass die Originalkostüme von Karinska das Werk visuell unverkennbar als in den 50er-Jahren entstanden kennzeichnen. Die puderigen Farben der mit Rüschen unterfütterten Tellertutus und die hübschen Schleifen-Details der Ballerinen verleihen der Choreografie ein ironisches Flair von Rokoko, gespiegelt durch die Eleganz und Weiblichkeit der 50er-Jahre.
Und auch auf der Ebene der Interpretation fällt an "Divertimento No.15" etwas auf, das so vielleicht nur noch an der Pariser Oper existiert: Balanchines Tänzerinnen waren immer Athletinnen, und ihre zeitgenössischen Nachfolgerinnen sind es auch. Ihre Balancen und Drehungen sind von umwerfender Sicherheit, ihr Adagio ein berührendes Ausgreifen nach musikalischer Ewigkeit. Gleichwohl haben sie eine Aura, die Sensibilität und feminine Distanz ausstrahlt.
Auf ein deutsches Publikum, dem in den vergangenen drei Jahrzehnten das Tanztheater weismachen wollte, es habe die Individualität von Tänzern erst erfunden, sie ihnen zurückgeschenkt, müssen die Auftritte des New York City Ballets wie ein ästhetischer Schock wirken. Denn interessanterweise kann man in einem Corps de ballet von 16 Frauen in weißen Trikots, mit dessen Aufstellen in der Diagonale Balanchine Strawinskys "Symphony in Three Movements" beginnen lässt, in einem Corps de ballet also, das unisono brillant tanzt, so enorme Unterschiede im körperlichen Ausdruck beobachten, dass jedem klar wird, Gleichmacherei wäre das Letzte gewesen, was Balanchine in seiner ruhigen, klaren Visualisierung von Strawinsky temperamentvollen 20 Minuten anstrebte.
In der Mozart-Choreografie fällt an Tänzerinnen wie Ashley Bouder oder Sterling Hyltin auf, wie stark die Persönlichkeit das Tanzen prägt, es transparent macht, wahrhaftig und sprechend. Es ist die Weise ihres flüssigen Hindurchgehens durch Balanchines neoklassische Schwierigkeiten, die einen am Ende von "Divertimento No.15" glauben lässt, man kenne die Tänzer.
Ashley Bouder etwa, die vor Intelligenz und Charme sprüht - wie übrigens auch in Jerome Robbins unvergesslicher Stunde mit Chopin, "Dances at a Gathering" - wo Bouder die spöttisch und überlegen am Rande des Reigens verharrende Dame im mintgrünen Chiffon verkörpert. Zu ihr bildet im Mozart-Stück die zartere, ernste, fast schon verschlossen wirkende Sterling Hyltin den anziehendsten Gegensatz.
Robbins bewegende tänzerische Begegnungen kosten Chopins galoppierenden Übermut genauso sanft aus wie seine Melancholie. Die Musik ist eine zärtliche Woge, die alles trägt. Balanchines mathematische Präzision in der Strawinsky-Interpretation hingegen beeindruckt durch abstraktere Ideen. Wenn etwa im Kontrast zu den 16 Frauen des Corps de ballet die kleinere Gruppe von Frauen in schwarzen Trikots eingesetzt wird wie ein einziger Solist.
Die kleine Tarantella, ein Gala-Stück Balanchines, war eine willkommene Unterbrechung zwischen Robbins "Dances at a Gathering" und Balanchines "Symphony in Three Movements" Bei aller Unterschiedlichkeit ihrer Stile ließen doch beider Werke das Publikum wunderbar spüren, was neben dem ästhetischen und intellektuellen Vergnügen an diesen Meisterwerken des 20. Jahrhunderts so besticht: Ihre sinnliche Qualität überträgt sich unmittelbar auf den Betrachter, das viele brillante Rückwärtstanzen in atemberaubender Schnelligkeit etwa macht, dass sich die Härchen auf der eigenen Haut aufstellen.
Vielleicht ist es das, was so rar geworden ist im Tanz nach Balanchine und Robbins - in ihren Choreografien wird so vieles angesprochen, das die Erwachsenenwelt ausmacht - Arbeit, Mut, Ehrgeiz, Liebe, Erinnerung -, und gleichzeitig kribbelt es beim Zuschauen im Nacken so sehr wie zuletzt in der eigenen Kindheit beim wilden Schaukeln in hohen Bäumen.
Es bietet Stoff genug zum Staunen, Bewundern und Nachdenken. In drei Stunden mit zwei Pausen ließen sich vier brillante Werke aus drei Jahrzehnten betrachten. Choreografien des bedeutendsten Erneuerers des klassischen Tanzes im 20. Jahrhundert, des nach New York emigrierten Russen George Balanchine und von Jerome Robbins, seines amerikanischen zeitweiligen Stellvertreters am New York City Ballet, demonstrierten ihre unvergänglichen Klassikerqualitäten.
Dabei macht es bei Balanchines Mozart-Divertimento von 1956 einen Teil des Reizes aus, dass die Originalkostüme von Karinska das Werk visuell unverkennbar als in den 50er-Jahren entstanden kennzeichnen. Die puderigen Farben der mit Rüschen unterfütterten Tellertutus und die hübschen Schleifen-Details der Ballerinen verleihen der Choreografie ein ironisches Flair von Rokoko, gespiegelt durch die Eleganz und Weiblichkeit der 50er-Jahre.
Und auch auf der Ebene der Interpretation fällt an "Divertimento No.15" etwas auf, das so vielleicht nur noch an der Pariser Oper existiert: Balanchines Tänzerinnen waren immer Athletinnen, und ihre zeitgenössischen Nachfolgerinnen sind es auch. Ihre Balancen und Drehungen sind von umwerfender Sicherheit, ihr Adagio ein berührendes Ausgreifen nach musikalischer Ewigkeit. Gleichwohl haben sie eine Aura, die Sensibilität und feminine Distanz ausstrahlt.
Auf ein deutsches Publikum, dem in den vergangenen drei Jahrzehnten das Tanztheater weismachen wollte, es habe die Individualität von Tänzern erst erfunden, sie ihnen zurückgeschenkt, müssen die Auftritte des New York City Ballets wie ein ästhetischer Schock wirken. Denn interessanterweise kann man in einem Corps de ballet von 16 Frauen in weißen Trikots, mit dessen Aufstellen in der Diagonale Balanchine Strawinskys "Symphony in Three Movements" beginnen lässt, in einem Corps de ballet also, das unisono brillant tanzt, so enorme Unterschiede im körperlichen Ausdruck beobachten, dass jedem klar wird, Gleichmacherei wäre das Letzte gewesen, was Balanchine in seiner ruhigen, klaren Visualisierung von Strawinsky temperamentvollen 20 Minuten anstrebte.
In der Mozart-Choreografie fällt an Tänzerinnen wie Ashley Bouder oder Sterling Hyltin auf, wie stark die Persönlichkeit das Tanzen prägt, es transparent macht, wahrhaftig und sprechend. Es ist die Weise ihres flüssigen Hindurchgehens durch Balanchines neoklassische Schwierigkeiten, die einen am Ende von "Divertimento No.15" glauben lässt, man kenne die Tänzer.
Ashley Bouder etwa, die vor Intelligenz und Charme sprüht - wie übrigens auch in Jerome Robbins unvergesslicher Stunde mit Chopin, "Dances at a Gathering" - wo Bouder die spöttisch und überlegen am Rande des Reigens verharrende Dame im mintgrünen Chiffon verkörpert. Zu ihr bildet im Mozart-Stück die zartere, ernste, fast schon verschlossen wirkende Sterling Hyltin den anziehendsten Gegensatz.
Robbins bewegende tänzerische Begegnungen kosten Chopins galoppierenden Übermut genauso sanft aus wie seine Melancholie. Die Musik ist eine zärtliche Woge, die alles trägt. Balanchines mathematische Präzision in der Strawinsky-Interpretation hingegen beeindruckt durch abstraktere Ideen. Wenn etwa im Kontrast zu den 16 Frauen des Corps de ballet die kleinere Gruppe von Frauen in schwarzen Trikots eingesetzt wird wie ein einziger Solist.
Die kleine Tarantella, ein Gala-Stück Balanchines, war eine willkommene Unterbrechung zwischen Robbins "Dances at a Gathering" und Balanchines "Symphony in Three Movements" Bei aller Unterschiedlichkeit ihrer Stile ließen doch beider Werke das Publikum wunderbar spüren, was neben dem ästhetischen und intellektuellen Vergnügen an diesen Meisterwerken des 20. Jahrhunderts so besticht: Ihre sinnliche Qualität überträgt sich unmittelbar auf den Betrachter, das viele brillante Rückwärtstanzen in atemberaubender Schnelligkeit etwa macht, dass sich die Härchen auf der eigenen Haut aufstellen.
Vielleicht ist es das, was so rar geworden ist im Tanz nach Balanchine und Robbins - in ihren Choreografien wird so vieles angesprochen, das die Erwachsenenwelt ausmacht - Arbeit, Mut, Ehrgeiz, Liebe, Erinnerung -, und gleichzeitig kribbelt es beim Zuschauen im Nacken so sehr wie zuletzt in der eigenen Kindheit beim wilden Schaukeln in hohen Bäumen.