Rühe: Aus meiner Sicht ja. Es ist historisch richtig, denn es ist jetzt der Beginn der Verhandlungen, weil die politischen Teile der Kopenhagener Kriterien erfüllt sind und jetzt wird es einen Verhandlungsprozess von zehn bis 15 Jahren geben und die Türkei muss ihre Reformen, die sie erst seit zwei Jahren betreibt, während dieser Jahre weiter voran treiben. Das ist eine gewaltige Aufgabe, aber dann hat sie die Chance, am Ende auch die Verhandlungen erfolgreich abzuschließen, wenn sie die Kopenhagener Kriterien insgesamt erfüllt.
Koczian: Verstehen Sie das gegenwärtige Zögern Erdogans wegen Zypern?
Rühe: Ja, ich bin auch überrascht muss ich sagen. Ich weiß nicht, ob es da Verhandlungsfehler gegeben hat. Offensichtlich war er überrascht davon, dass er jetzt schon eine Paraphe unter diesen Text setzten soll. So was muss ja normalerweise vorher abgeklärt werden. Die Niederlande, die für die EU sprechen, die müssen das doch vorher besprochen haben und ich bin auch der Meinung, es ist klar, wenn die Verhandlungen beginnen am 3. Oktober nächsten Jahres, dann muss es ein Anerkennung Zyperns gegeben haben. Aber richtig ist auch: Es muss auch weiterhin Druck geben, dass es zu einer Wiedervereinigung Zyperns kommt und die ist wie hier zu Recht gesagt wurde, eben leider an den Griechen gescheitert. Deswegen verstehe ich nicht, warum offensichtlich überraschend die Forderung gekommen ist für die Türkei, heute schon eine Paraphe unter diesen Text zu setzen.
Koczian: Bedarf es nicht einer gewissen Vergangenheitssicht auch dahingehend, dass die Türkei mit der Invasion der Insel möglicherweise falsch reagiert hat, sie aber doch durch die Enosis provoziert worden ist?
Rühe: Ja gut, man kann in der Geschichte immer weiter zurückgehen. Das war aber die Türkei der Militärdiktatur damals. Tatsache ist, dass die Türkei jetzt bei den Verhandlungen im Laufe dieses Jahres das erste Mal, sozusagen den positiven Part gespielt hat, was die Wiedervereinigung angeht. Das hat sich grundsätzlich von der Vergangenheit unterschieden. Aber wie auch immer, wenn die Türkei heute Nacht überraschend konfrontiert wurde mit der Forderung, jetzt schon zu paraphieren, halte ich das für einen Fehler der niederländischen Verhandlungsführer. Das muss man noch mal aufklären. Ich hoffe, dass man jetzt einen Weg findet, denn insgesamt sind ja die Dinge, die monatelang diskutiert wurden, sehr befriedigend geregelt worden. Dass es jetzt Verhandlungen gibt ab nächstem Jahr im Oktober, dass es Verhandlungen über eine Mitgliedschaft sind, das haben viele nicht für möglich gehalten. Und das Konzept der privilegierten Partnerschaft, was ein anderes Wort ist für Nichtmitgliedschaft, das ist ja gescheitert, wie ich das vorausgesagt habe, auch gescheitert auf dem EVP-Kongress. Insgesamt ist es bisher ein erfolgreicher Gipfel und ich hoffe, dass diese Zypernfrage auch noch gelöst werden kann.
Koczian: Und dieser Wandel, den Sie geschildert haben, hat der auch noch einen anderen Aspekt? Man hat ja Griechenland und die Türkei fast als Erbfeinde betrachtet seit den Zwangsumsiedlungen der Zwanzigerjahre, als beispielsweise aus Smyrna Izmir wurde, jetzt aber steht Griechenland an der Seite der Türkei, ist da das Zögern anderer noch recht nachvollziehbar?
Rühe: Ja, ohne diese wirklich fundamentale, historische Veränderung im griechisch-türkischen Verhältnis wäre es gar nicht möglich gewesen, mit der Türkei Verhandlungen zu beginnen. Da haben Sie völlig Recht und das war auch in den vergangenen Monaten immer ein wichtiger Hinweis von mir: Wenn die Griechen begriffen haben, wie wichtig die Europäisierung der Türkei ist, dann sollten wir das eigentlich auch in Deutschland begriffen haben und in Frankreich und in anderen Ländern. Das ist ein wirklich historischer Schritt, der zeigt, dass die Griechen verstanden haben, dass eine Türkei auf dem Wege nach Europa im griechischen Interesse ist, aber eben auch im europäischen, im deutschen Interesse. Das ist alles jetzt sehr gut gelaufen. Das ändert nichts daran, dass die Verhandlungen schwierig werden. Welche Regierung schafft es schon, zehn oder 15 Jahre Reformen durchzuhalten. Und es kann ja auch wieder Regierungswechsel in der Türkei geben. Aber dafür sind Sicherheiten eingebaut. Aber mir ist unerklärlich, warum jetzt diese Zypernfrage, von der wir alle wussten, dass sie in irgend einer Form gelöst werden muss, jetzt plötzlich da wie ein Felsbrocken noch im Wege steht.
Koczian: Nun sprachen wir von den Regierungen. Jacques Chirac lässt die französische Bevölkerung über einen Türkeibeitritt abstimmen. Liegt darin der größte Unsicherheitsfaktor?
Rühe: Nein, das glaube ich nicht. Das wird ja dann erst sein, wenn die Verhandlungen beendet sind. Wenn die Verhandlungen erfolgreich beendet sind, dann wird es bis dahin eine modernisierte, weiter reformierte Türkei geben und dann kann man das auch der Türkei vermitteln. Das gilt natürlich auch für die deutsche Bevölkerung, auch wenn es bei uns kein Referendum gibt. Wenn die Türkei nicht die Reformen schafft, die notwendig sind, um alle Kopenhagener Kriterien zu erfüllen für den Beitritt, dann steht ein Referendum nicht zur Debatte. Ich glaube, diese Verhandlungsphase, die wird entweder die Bevölkerung überzeugen, dass die Türkei sich endgültig auf den Weg nach Europa gemacht hat und dann auch angekommen ist in Europa in zehn oder 15 Jahren, oder es wird nicht passieren. Aber klar ist, man kann nicht von einem Land wie der Türkei verlangen, 80.000 Seiten bisheriger Vereinbarungen der Europäischen Union umzusetzen im Lande und gleichzeitig immer noch offen zu lassen, ob man über Mitgliedschaft oder Nichtmitgliedschaft verhandelt. Aber hier hat es jetzt, Gott sei Dank, Klarheit gegeben, auf diesem Gipfel.
Koczian: Verstehen Sie das gegenwärtige Zögern Erdogans wegen Zypern?
Rühe: Ja, ich bin auch überrascht muss ich sagen. Ich weiß nicht, ob es da Verhandlungsfehler gegeben hat. Offensichtlich war er überrascht davon, dass er jetzt schon eine Paraphe unter diesen Text setzten soll. So was muss ja normalerweise vorher abgeklärt werden. Die Niederlande, die für die EU sprechen, die müssen das doch vorher besprochen haben und ich bin auch der Meinung, es ist klar, wenn die Verhandlungen beginnen am 3. Oktober nächsten Jahres, dann muss es ein Anerkennung Zyperns gegeben haben. Aber richtig ist auch: Es muss auch weiterhin Druck geben, dass es zu einer Wiedervereinigung Zyperns kommt und die ist wie hier zu Recht gesagt wurde, eben leider an den Griechen gescheitert. Deswegen verstehe ich nicht, warum offensichtlich überraschend die Forderung gekommen ist für die Türkei, heute schon eine Paraphe unter diesen Text zu setzen.
Koczian: Bedarf es nicht einer gewissen Vergangenheitssicht auch dahingehend, dass die Türkei mit der Invasion der Insel möglicherweise falsch reagiert hat, sie aber doch durch die Enosis provoziert worden ist?
Rühe: Ja gut, man kann in der Geschichte immer weiter zurückgehen. Das war aber die Türkei der Militärdiktatur damals. Tatsache ist, dass die Türkei jetzt bei den Verhandlungen im Laufe dieses Jahres das erste Mal, sozusagen den positiven Part gespielt hat, was die Wiedervereinigung angeht. Das hat sich grundsätzlich von der Vergangenheit unterschieden. Aber wie auch immer, wenn die Türkei heute Nacht überraschend konfrontiert wurde mit der Forderung, jetzt schon zu paraphieren, halte ich das für einen Fehler der niederländischen Verhandlungsführer. Das muss man noch mal aufklären. Ich hoffe, dass man jetzt einen Weg findet, denn insgesamt sind ja die Dinge, die monatelang diskutiert wurden, sehr befriedigend geregelt worden. Dass es jetzt Verhandlungen gibt ab nächstem Jahr im Oktober, dass es Verhandlungen über eine Mitgliedschaft sind, das haben viele nicht für möglich gehalten. Und das Konzept der privilegierten Partnerschaft, was ein anderes Wort ist für Nichtmitgliedschaft, das ist ja gescheitert, wie ich das vorausgesagt habe, auch gescheitert auf dem EVP-Kongress. Insgesamt ist es bisher ein erfolgreicher Gipfel und ich hoffe, dass diese Zypernfrage auch noch gelöst werden kann.
Koczian: Und dieser Wandel, den Sie geschildert haben, hat der auch noch einen anderen Aspekt? Man hat ja Griechenland und die Türkei fast als Erbfeinde betrachtet seit den Zwangsumsiedlungen der Zwanzigerjahre, als beispielsweise aus Smyrna Izmir wurde, jetzt aber steht Griechenland an der Seite der Türkei, ist da das Zögern anderer noch recht nachvollziehbar?
Rühe: Ja, ohne diese wirklich fundamentale, historische Veränderung im griechisch-türkischen Verhältnis wäre es gar nicht möglich gewesen, mit der Türkei Verhandlungen zu beginnen. Da haben Sie völlig Recht und das war auch in den vergangenen Monaten immer ein wichtiger Hinweis von mir: Wenn die Griechen begriffen haben, wie wichtig die Europäisierung der Türkei ist, dann sollten wir das eigentlich auch in Deutschland begriffen haben und in Frankreich und in anderen Ländern. Das ist ein wirklich historischer Schritt, der zeigt, dass die Griechen verstanden haben, dass eine Türkei auf dem Wege nach Europa im griechischen Interesse ist, aber eben auch im europäischen, im deutschen Interesse. Das ist alles jetzt sehr gut gelaufen. Das ändert nichts daran, dass die Verhandlungen schwierig werden. Welche Regierung schafft es schon, zehn oder 15 Jahre Reformen durchzuhalten. Und es kann ja auch wieder Regierungswechsel in der Türkei geben. Aber dafür sind Sicherheiten eingebaut. Aber mir ist unerklärlich, warum jetzt diese Zypernfrage, von der wir alle wussten, dass sie in irgend einer Form gelöst werden muss, jetzt plötzlich da wie ein Felsbrocken noch im Wege steht.
Koczian: Nun sprachen wir von den Regierungen. Jacques Chirac lässt die französische Bevölkerung über einen Türkeibeitritt abstimmen. Liegt darin der größte Unsicherheitsfaktor?
Rühe: Nein, das glaube ich nicht. Das wird ja dann erst sein, wenn die Verhandlungen beendet sind. Wenn die Verhandlungen erfolgreich beendet sind, dann wird es bis dahin eine modernisierte, weiter reformierte Türkei geben und dann kann man das auch der Türkei vermitteln. Das gilt natürlich auch für die deutsche Bevölkerung, auch wenn es bei uns kein Referendum gibt. Wenn die Türkei nicht die Reformen schafft, die notwendig sind, um alle Kopenhagener Kriterien zu erfüllen für den Beitritt, dann steht ein Referendum nicht zur Debatte. Ich glaube, diese Verhandlungsphase, die wird entweder die Bevölkerung überzeugen, dass die Türkei sich endgültig auf den Weg nach Europa gemacht hat und dann auch angekommen ist in Europa in zehn oder 15 Jahren, oder es wird nicht passieren. Aber klar ist, man kann nicht von einem Land wie der Türkei verlangen, 80.000 Seiten bisheriger Vereinbarungen der Europäischen Union umzusetzen im Lande und gleichzeitig immer noch offen zu lassen, ob man über Mitgliedschaft oder Nichtmitgliedschaft verhandelt. Aber hier hat es jetzt, Gott sei Dank, Klarheit gegeben, auf diesem Gipfel.
