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Rüstzeug für Altenarbeiter

Mit dem Thema Alter beschäftigen sich in der Wissenschaft ganz unterschiedliche Fachrichtungen. Die Biologen schauen auf die körperlichen Veränderungen, die Mediziner beschäftigen sich mit den altersspezifischen Krankheiten. Aber was ist mit den sozialen Seiten des Älterwerdens? Mit Altenarbeit und Altenpolitik, mit den Problemen von alternden Migranten, mit Freizeitangeboten für Senioren und Qualitätssicherung in Altenheimen? Das ist Thema für Sozialgerontologen. In Dortmund können sich Praktiker aus der Altenarbeit in fünf Semestern neben ihrem Job in dieser Fachrichtung weiterbilden lassen.

Von Andrea Lueg | 16.06.2004
    Viele der Leute, die heute Altenarbeit und Altenpolitik machen, haben Berufe gelernt, die mit der Altenarbeit eigentlich gar nichts zu tun haben. Das sind Sozialarbeiter, Psychologen, Pädagogen, Ökonomen, was auch immer. Nun mag es sein, dass sie in ihrer Ausbildung mal irgendwas vom Alter gehört haben, aber eher die Ausnahme, so und viele sitzen jetzt in solchen Leitungsfunktionen, sind in den Wohlfahrtsverbänden zuständig für die Fort- und Weiterbildung von ehrenamtlichen Mitarbeitern was auch immer, haben aber von der Problematik des Alters überhaupt keine Ahnung.

    Professor Gerhard Naegele ist sozusagen der Vater des Studiengangs Soziale Gerontologie in Dortmund. Seine Weiterbildung zielt darauf, Leute für Leitungsfunktionen in Alteneinrichtungen und Altenheimen zu qualifizieren. Wer sich bei ihm einschreibt, muss jeden Dienstag anwesend sein, außerdem so manches Wochenende für Kompaktseminare opfern und pro Semester 650 Euro zahlen. Für Christa Lietzau, Mutter von drei Kindern, war das Studium daher auch alles andere als ein Spaziergang. Als sie begann, war sie bei der Kommune Kamp-Lintfort für den Aufbau des Seniorenbüros zuständig. Aber dafür, stellte sie fest, fehlte ihr eigentlich das nötige Rüstzeug.

    Ich hab hier vor Ort ganz schnell gemerkt, dass ich an meine Grenzen gelangt bin, dass ich einfach nicht argumentieren konnte in der Politik oder auch vor den Wohlfahrtsverbänden und gleichzeitig fehlte mir das Handwerkszeug um hier individuell helfen zu können.

    Aus dem Studium, sagt Christa Lietzau konnte sie fast täglich etwas für ihre Arbeit mitnehmen. Zum einen bei der individuellen Beratung zum Beispiel für Demenzkranke oder Alzheimer-Patienten und ihre Angehörigen.

    Ich kann viel individueller auf die einzelnen Problemlagen eingehen und habe besonders für den Bereich Geriatrie und Gerontopsychiatrie, der ja auch gelehrt wurde während des Weiterbildungsstudiums Erkenntnisse erlangt, die mir hier in der Beratung für den einzelnen unheimlich helfen.

    Weil sie besser und fundierter argumentieren kann, hat Christa Lietzau aber auch bessere Chancen, ihre Anliegen und Vorschläge auf kommunaler Ebene durchzusetzen.

    Als konkretes Beispiel kann ich ihnen sagen, dass wir hier in Kamp Lintfort gerade eine weitere stationäre Pflegeeinrichtung geplant haben, und ich konnte nur deswegen eingebunden werden, weil dieses Grundstück, worauf diese Pflegeeinrichtung geplant wird noch in teilweise kommunaler Hand liegt, und ich habe dann eine Handlungsdirektive für Architekten entwickelt, die sich auf die Raumplanung bezog und ich konnte dadurch dann jetzt eine wohngruppenorientierte stationäre Pflegeeinrichtung umsetzen und das wäre vorher so in diesem Rahmen nicht möglich gewesen. Soll also heißen, ich bin ein adäquater Gesprächspartner für sämtliche Bereiche geworden.

    Im Herbst läuft der vierte Durchgang der Weiterbildung an der Uni Dortmund an. Die meisten der bisherigen Teilnehmer haben sich beruflich verbessert - die wenigsten bekamen dafür von ihren Arbeitgebern Unterstützung. Christa Lietzau opferte ihren gesamten Urlaub und sammelte Überstunden, um sich am Dienstag für die Seminare frei nehmen zu können. Inzwischen freut man sich über ihre Qualifikation und ihre Erfolge - vorher war die Bezeichnung Sozialgerontologe ihrem Chef Christoph Müllmann aber gar nicht bekannt. Und mehr Geld, meint er, könne eine kleine Kommune dafür auch nicht ausgeben.

    Die Frage ist natürlich immer auf der anderen Seite, welchen Qualifikationsmaßstab legen Kommunen an, denn das ist ja auch mit Kosten verbunden, mit der Frage wie wird man eingestuft. Und da sind natürlich kleine Kommunen wie wir, wir stoßen an Grenzen in diesem Bereich. Aber ich denke das Thema Alter wird in allen Kommunen wichtiger, insofern werden auch kleine und mittlere Kommunen sich stärker damit beschäftigen müssen.

    Neben den Kommunen sind die großen Wohlfahrtsverbände mögliche Arbeitgeber für Sozialgerontologen, außerdem Fort- und Weiterbildungsinstitutionen, die Altenpfleger ausbilden. Gerhard Naegele will das Spektrum für seine Studierenden gerne noch ausweiten.

    Wir versuchen zumindest im nächsten Studienjahr und den nachfolgenden Studiengängen auch uns neue Bereiche zu erschließen, die Wirtschaft, die Dienstleistungsindustrie, der gesamte Bereich des Seniorenmarketings, dann Personalführung in Unternehmen, das wir da in diesen Bereich stärker vordringen.

    Und dann wünscht sich Naegele eigentlich nur noch eines:

    Dass die Betroffenen, die diesen Weg gegangen sind, dass auch irgendwann in ihrem Portemonnaie mal merken, das sie diesen Weg auf sich genommen haben.

    Der nächste Durchgang zur Weiterbildung Soziale Gerontologie startet im Wintersemester 2004/2005. Bewerbungsschluss ist der 30.6.2004.